Oxford. Ein Experiment weist erstmals nach, dass Pflanzen Risiko und Nutzen abwägen

Auch Pflanzen sind zu einer Art Risikoabschätzung in der Lage. Ob sie mit ungewissen Erfolgsaussichten in kraftraubendes Wurzelwachstum investieren, machen sie davon abhängig, ob sie viel oder wenig zu verlieren haben. Das berichten Forscher im Fachmagazin „Current Biology“.

Die Wissenschaftler um Alex Kacelnik von der britischen Universität Oxford hatten Erbsen (Pisum sativum) im Labor in zweigeteilten Töpfen wachsen lassen. Eine Pflanze wurzelte dabei auf zwei Seiten eines Topfes, wobei sich der Nährstoffgehalt der beiden Seiten unterschied. In einem ersten Experiment zeigten die Forscher, dass die Pflanzen bei unterschiedlichem Nährstoffgehalt stärker auf der Seite mit dem besseren Angebot wurzelten.

In einer zweiten Versuchsreihe gestalteten die Forscher die Bedingungen komplexer: Eine Topfseite enthielt jeweils Substrat mit wechselndem, die andere mit konstantem Nährstoffgehalt. Der wechselnde Nährstoffgehalt auf der einen Topfseite wurde über zweimal wöchentliches Gießen mit unterschiedlich konzentrierten Düngerlösungen erreicht. Im Mittel lag der Gehalt auf beiden Topfseiten jeweils gleichauf.

Auf welcher Topfseite die Hülsenfrüchtler mehr Wurzeln sprießen ließen, hing nun von der Grundversorgung ab. Das zeigte der Gewichtsvergleich der beiden Wurzelballen einige Wochen später. War der mittlere Nährstoffgehalt gering, hatten die Erbsen verstärkt im Topf mit variablem Angebot gewurzelt. War der Nährstoffgehalt auf der Topfseite mit der konstanten Versorgung hingegen gut, trieben die Pflanzen auf der variablen Seite kaum aus.

Damit ließen die Pflanzen eine Art Chancen-Risiken-Abwägung erkennen, schreiben die Forscher. Mit einer halbwegs anständigen Versorgung im Startgepäck gingen sie nicht das Wagnis ein, möglicherweise unnütz Energie in Wurzelwachstum zu stecken. Bei einer auf magerem Grund vegetierenden Pflanze hingegen könne es sinnvoll sein, die Chance auf bessere Versorgung zu ergreifen und vermehrt dort zu wurzeln, wo sich der Nährstoffgehalt verändert – mit dem Risiko, bei sinkenden Werten noch mehr zu darben.

Die Daten seien über die Experimente gut hergeleitet, so das Fazit von Alisdair Fernie vom Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie in Potsdam, der nicht an der Studie beteiligt war. Mit der Studie seien nun erstmals die spezifischen Ansätze der sogenannten Risk-sensitivity Theory (RST) auf Pflanzen übertragen worden. Das mache sie so bedeutsam. Diese Theorie, die das Entscheidungsverhalten in Risikosituationen beschreibt, wurde ursprünglich für höhere Tiere entwickelt. Sie besagt, dass Tiere abhängig von den verfügbaren Ressourcen ihr Risikoverhalten anpassen.