Leipzig/Jena. Erbgutanalysen: Vor 14.000 Jahren mischten sich die Vorfahren heutiger Europäer mit Einwanderern

    Aus der Erbgutanalyse von mehr als 50 prähistorischen Eurasiern hat ein internationales Forscherteam die bislang früheste Besiedlungsgeschichte Europas erstellt. Demnach hinterließen die ersten modernen Menschen (Homo sapiens), die den Kontinent vor etwa 45.000 Jahren erreichten, kaum Spuren im Erbgut heutiger Europäer. Die eigentliche Gründerpopulation, von der sich die heutige Bevölkerung teilweise ableitet, lebte demnach vor etwa 37.000 bis 14.000 Jahren relativ unverändert auf dem Kontinent. Das berichtet das Team von der Harvard Medical School in Boston sowie den Max-Planck-Instituten für Menschheitsgeschichte und evolutionäre Anthropologie im Magazin „Nature“.

    Nach dem Verlassen Afrikas erreichte der Homo sapiens Europa erst relativ spät – vor etwa 45.000 Jahren. Zu jener Zeit lebten auf dem Kontinent die Neandertaler, die in den folgenden Jahrtausenden aus bislang ungeklärten Gründen ausstarben. Um die Entwicklung des modernen Menschen in Europa nachzuvollziehen, analysierte das Team das Erbgut von 51 Menschen die vor 45.000 bis vor 7000 Jahren zwischen Sibirien und dem heutigen Spanien lebten.

    Die frühe Siedlungsgeschichte Europas unterteilen die Forscher in drei Phasen: Die ersten Einwanderer hinterließen demnach keine ausgeprägten Spuren im Genom der heutigen Europäer. Allerdings stützt sich diese Annahme nur auf zwei Individuen, die in Sibirien (Fundort Ust-Ischim) und Rumänien (Oase1) gefunden wurden. Die Menschen der zweiten Phase von vor 37.000 bis vor etwa 14.000 Jahren sind dagegen bereits Ahnen heutiger Europäer. Ihre Zusammensetzung blieb über die gut 20.000 Jahre anscheinend recht stabil. Das ist überraschend, da Europa in den folgenden Jahrtausenden Ziel etlicher massiver Wanderungswellen war. Funde aus Spanien bestätigen, dass sich diese Gründerpopulation auf dem Höhepunkt der letzten Eiszeit, also vor etwa 25.000 bis 19.000 Jahren, nach Südwesteuropa zurückzog und den Kontinent dann nach dem Rückzug der Eismassen wieder besiedelte.

    Erst in der dritten Phase, vor etwa 14.000 Jahren, tauchten dann gänzlich neue Gruppen auf, die mit den heutigen Bewohnern des Nahen Ostens verwandt sind. „Bisher gingen wir davon aus, dass mit der Einführung der Landwirtschaft vor circa 8500 Jahren, als Bauern aus dem Nahen Osten nach Mitteleuropa einwanderten und die Jäger und Sammler verdrängten, eine genetische Durchmischung erfolgte“, sagt Cosimo Posth vom Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte in Jena. „Aber unsere Daten deuten auf eine weitere, 6000 Jahre frühere Einwanderung hin.“