Hamburg. Bei Instagram und Facebook sind Food-Blogger extrem aktiv. Eine junge Hamburgerin erklärt im Video, wie sie arbeitet.

„Mir ist wichtig, dass ich weiß, wo mein Essen herkommt und was es mit mir macht“, erklärt Kathrin Vatter und platziert fünf gleichmäßig geschnittene Avocado-Stücke auf einer Scheibe Chia-Brot. Anschließend dekoriert die 29-Jährige das Ganze mit dünn geschälten Karotten-Nudeln, Tomatenecken und einem Klacks Tahini-Dip. Ihr Mittagessen ist angerichtet. Nun fehlt nur noch eins – das Foto, denn Kathrin Vatter kocht nicht nur für sich allein.

Über die Internet-Plattform Instagram erreicht die Hamburger Food-Bloggerin Tausende Gleichgesinnte mit ihren Essenskreationen. Über 70.000 Follower hat sie bereits, jeden Tag werden es mehr. Die meisten davon sind junge Frauen Mitte Zwanzig, die ihre Liebe zum gesunden, saisonalen Essen teilen. Ob Porridge zum Frühstück oder Wurzelgemüse zum Abendbrot, die Community ist begeistert – innerhalb von Sekunden sammeln sich Hunderte Likes und Kommentare unter den von ihr geposteten Bildern.

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Man zeigt, was man is(s)t

Kathrin Vatter gehört zu der immer größer werdenden Zahl an jungen Menschen, die ihr Essen mit der Welt teilen. Die international durchgeführte Nestlé Studie 2016 zeigt, dass die 14- bis 29-Jährigen in Deutschland beim „foodposting“ am aktivsten sind. So nutzt fast jeder zweite die Möglichkeit, Bilder mit Nahrungsmittel über Blogs, Facebook oder andere soziale Netzwerke zu verbreiten. Auch Arne, 29, aus Hamburg dokumentiert seine Essgewohnheiten täglich auf seinem Blog „vegetarien-diaries“ und erklärt dort zum Beispiel, wie man als Veganer problemlos auf tierische Produkte verzichten kann.

Die Foodtrend-Forscherin vom Zukunftsinstitut in Wien, Hanni Rützler erklärt sich das Teilen von Essen im Internet mit einem fortschreitenden Wertewandel: „Es geht nicht mehr darum, Platten und Bücher zu besitzen, sondern darum, was ich esse und trinke.“ Auch Mode verliert ihrer Einschätzung nach als Ausdrucksmittel immer mehr an Bedeutung.

Hanni Rützler ist Ernährungswissenschaftlerin und Gesundheitspsychologin. Für das Zukunftinstitut in Wien verfasst sie den jährlich erscheinenden „Food Report“.
Hanni Rützler ist Ernährungswissenschaftlerin und Gesundheitspsychologin. Für das Zukunftinstitut in Wien verfasst sie den jährlich erscheinenden „Food Report“. © Nicole Heiling/www.presse.futurefoodstudio.at/

„Essen wird zum kulinarischen Selbstausdruck und zu einem Kommunikationstool der Generation Y“, so Rützler. Die Ernährungswissenschaftlerin betont dabei die Schwierigkeit, dass Food-Trends nicht auf eine ganze Generation verallgemeinert werden können: „Nicht jeder der 15- bis 35-Jährigen lebt die gleiche Philosophie und nicht jeder hat den gleichen Geschmack. So sind manche auch in einer anderen Kultur aufgewachsen oder müssen mehr aufs Geld achten.“ Außerdem handele es sich um gesamtgesellschaftliche Phänomene, die nicht nur auf die Ypsiloner runtergebrochen werden könnten: „Es gibt auch genügend Mitfünfziger und aufwärts, die sich noch mal neu erfinden und die Trends mitgehen.“ Dennoch berge ein Generationen-Wechsel immer das Potenzial für Veränderung.

Y und Why: Eine Generation auf Lösungssuche

Am wichtigsten ist Kathrin Vatter, dass das, was sie isst, nicht einmal um die Welt geflogen wurde bis es bei ihr auf dem Teller landet: „Durch die langen Transportwege gehen auch wichtige Nährstoffe verloren“, erklärt die junge Food-Bloggerin. Sie versucht, in ihrem Alltag auf industriell hergestellte Lebensmittel zu verzichten. Auf eine bestimmte Ernährungsform möchte sie sich allerdings nicht festlegen: „Ich koche hauptsächlich vegan, aber habe auch nichts gegen Milchprodukte oder mal Fisch“, so Vatter.

Fleischskandale, Überangebot von Lebensmitteln bis hin zur Wegwerfgesellschaft – was früher diskutiert wurde, will die heutige Generation der Ypsiloner verändern: „Während die Elterngeneration noch gejammert hat, schaut die heutige Jugend nach Alternativen“, erklärt Hanni Rützler. „Dabei steht vor allem das gute Gewissen im Mittelpunkt. Gemüse am besten aus der Region und wenn Fleisch, dann doch bitte Bio“, betont Rützler.

Der Versuch der Selbstoptimierung

So treffen auch die Eigenschaften "flexibel" und "zielstrebig" längst nicht mehr nur auf die Arbeitswelt der 15- bis 35-Jährigen zu. Nicht selten steht Kathrin Vatter morgens vor der Arbeit um sechs auf, um ausreichend Zeit zu haben, ihr Frühstück vorzubereiten und es mit ihren Followern zu teilen: „Ich will zeigen, dass man sich trotz eines 40-Stunden-Jobs noch ausgewogen ernähren kann.“

Linda Chalupova, 29, Ernährungswissenschaftlerin und Doktorandin der Hamburger HAW, spricht vom Selbstoptimierungsdrang der Generation: „Die Ypsiloner wollen die Balance zwischen Körper und Geist finden – die Erhöhung der Leistungsfähigkeit steht dabei im Vordergrund.“

So gewinnt auch der Trend des „Snackings“ immer mehr in der jungen Generation an Bedeutung, erklärt Chalupova: „Nüsse, Obst, Gemüse – alles am besten schon zu Hause gewaschen und vorgeschnippelt für zwischendurch“.

Der Trend des
Der Trend des "Snackings" wird unter den Ypsilonern immer beliebter © Carolin Eitel

Junge Männer essen gerne schnell, junge Frauen eher gesund

Doch nicht jedem Ypsiloner gelingt es, seinen Arbeitsalltag mit bewusster Ernährung zu kombinieren. So legen nach Angaben einer Studie der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) aus dem Jahr 2014 junge Frauen zwischen 20 und 34 generell mehr Wert auf kurze Transportwege, saisonale Produkte und Frische. Während die Hälfte der Männer derselben Altersklasse auch gerne mal in eine Imbissbude geht oder sich etwas nach Hause bestellt, trifft das nur auf jede vierte junge Frau zu.

Oftmals habe dies allerdings mit Zeitnot zu tun, erklärt Hanni Rützler. Generell steige in der jungen Generation der Stellenwert von Essen und die Bereitschaft, dieses selbst zuzubereiten, wenn es die Zeit zulässt, betont die Ernährungswissenschaftlerin. Während die Großeltern noch kochten, um zu überleben, wuchs die Folgegeneration in einer Gesellschaft auf, in der es bezahlbares Essen an jeder Ecke zu kaufen gab. Oma und Opa hätten gekocht, weil es sein musste, aber nicht, weil sie es wollten, erklärt Rützler: „Die Vertreter der Generation Y dagegen lernen wieder einen liebevolleren Umgang mit Lebensmitteln und kochen, weil es ihnen Freude bereitet“.