Hamburg. Die Jugendorganisationen von SPD, CDU, Grünen und FDP buhlen um Mitglieder. Ein junges Thema ist für alle Parteien entscheidend.

Sich gegen die Mutterpartei auflehnen und Themen der eigenen Generation auf den Plan bringen – das sind die Aufgaben der Jugendorganisationen. Junge Union, Jusos, JuLis oder auch die Grüne Jugend wollen frische Ideen durchsetzen.

Doch es sind immer weniger Junge, die sich in einer Partei politisch engagieren wollen. Bei den Grünen ist das Durchschnittsalter mit 49 Jahren im Vergleich der Bundestagsparteien noch am niedrigsten. Der Anteil der Parteimitglieder bis 30 Jahre liegt zwischen etwa vier Prozent bei der CSU und etwas über 15 Prozent bei den Grünen. Entsprechend gering ist auch der Zulauf bei den Jugendorganisationen.

Die Angst, sich politisch zu binden

Carsten Ovens, 34, trat 2003 in die JU ein, nachdem ihn ein Kommilitone zu einer Parteiveranstaltung mitgenommen hatte. Hauptberuflich arbeitet Ovens als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Hamburg.
Carsten Ovens, 34, trat 2003 in die JU ein, nachdem ihn ein Kommilitone zu einer Parteiveranstaltung mitgenommen hatte. Hauptberuflich arbeitet Ovens als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Hamburg. © Lina Beling

Carsten Ovens, dem Landesvorsitzenden der Jungen Union in Hamburg, ist das bewusst. Er sieht die Schwierigkeiten, aber nicht nur bei den Parteien: „Ich glaube tatsächlich, dass ein Interesse an politischen Zusammenhängen besteht und das merke ich auch im eigenen Freundeskreis und an den Leuten, die zur Jungen Union kommen. Die Schwierigkeit ist es jüngere Menschen dafür zu begeistern, sich dauerhaft an eine Sache zu binden.“

Sich lieber für einzelne Projekte zu engagieren, für spezielle Initiativen, bei denen man schnell etwas erreichen kann, das ist typisch für die Generation Y.

Auch Johannes Müller, 22, von der Grünen Jugend in Hamburg stellt in Gesprächen mit Freunden oft fest, dass es eine Hemmschwelle gibt, in eine Partei einzutreten. Nachvollziehen kann er das aber nicht: „Wenn man wirklich etwas verändern möchte, dann ist die Mitgliedschaft in einer Partei doch noch der direkteste Weg, das zu tun. Ohne Zweifel ist die Arbeit von NGOs unglaublich wichtig. Aber das ist nochmal eine Ebene weiter weg von den Entscheidungsträgern, von den Parlamenten.“

Armita Kazemi, 31, von den Hamburger Jusos sieht das ähnlich. Sie trat als Jugendliche in die SPD ein: „Es ging mir damals darum, etwas verändern zu können und ich denke, dass man mit einer Partei da am erfolgreichsten ist. Ich habe mich gefragt, welche Grundwerte entsprechen mir am meisten. So kam ich zur SPD."

Carl-Kevin Cey Coste, 19, studiert Rechtswissenschaften an der Bucerius Law School in Hamburg. Bei den JuLis ist er seit 2013 - nachdem die FDP aus dem Bundestag geflogen war.
Carl-Kevin Cey Coste, 19, studiert Rechtswissenschaften an der Bucerius Law School in Hamburg. Bei den JuLis ist er seit 2013 - nachdem die FDP aus dem Bundestag geflogen war. © Lina Beling

Viele Ypsiloner haben die Vorstellung, dass die Partei ihrer Wahl in allen Punkten zu ihnen persönlich passen müsste. So erklärt sich zumindest Carl-Kevin Coste, stellvertretender Landesvorsitzender der JuLis, die sinkenden Beitrittszahlen: „Ich stimme auch nicht mit dem FDP-Programm hundertprozentig überein und bin ein totaler Parteisoldat, aber wenn ich etwas daran verändern möchte, dann wirke ich da aktiv und sage: Ändern wir die Beschlusslage.“

Auch Johannes Müller von der Grünen Jugend kennt diese Einstellung: „Natürlich passen Parteien nie genau zu deinen Ansichten. Es ist ja gerade Sinn und Zweck einer Partei, verschiedene Ansichten zu bündeln, um dann gemeinsam in Diskussionen einen Konsens in der Gesellschaft durchzusetzen. Und es wird niemals so sein, dass eine Partei zu 100 Prozent genau meine Meinung vertritt. Dann müsste ich dieser Partei auch gar nicht beitreten, weil mein Diskussionsbeitrag völlig sinnlos wäre."

Wer wird Parteimitglied?

Wer sind die jungen Leute, die doch noch in eine Partei gehen? Unions-Mann Carsten Ovens ist der Auffassung, dass die meisten jungen Parteimitglieder eines gemeinsam haben: „Was alle unsere Mitglieder verbindet, ist das Interesse, sich einzubringen, die eigene Meinung zu sagen, auch einen Standpunkt zu vertreten. Aber sich auch darüber hinaus mit anderen auszutauschen und gemeinsam etwas zu bewegen.“

Armita Kazemi, 31, war ein großer Schröder-Fan und wurde auch deshalb 2002 Mitglied bei den Jusos. Die Grünen waren ihr ein bisschen zu öko, die CDU zu konservativ. Die Eimsbüttlerin sieht die SPD in Hamburg als Volkspartei.
Armita Kazemi, 31, war ein großer Schröder-Fan und wurde auch deshalb 2002 Mitglied bei den Jusos. Die Grünen waren ihr ein bisschen zu öko, die CDU zu konservativ. Die Eimsbüttlerin sieht die SPD in Hamburg als Volkspartei. © Lina Beling

War es früher noch selbstverständlich, sich seiner eigenen Gesinnung entsprechend parteipolitisch zu organisieren, so tun dies heute vor allem diejenigen, die sich anderweitig besonders engagieren, findet auch Armita Kazemi von den Jusos: „Das sind Schulsprecher und Klassensprecher gewesen. Das sind Menschen, die in gemeinnützigen Organisationen aktiv sind und sich dann entschließen, nachdem sie sich für ein Einzelthema interessiert haben, etwas Größeres zu machen.“

Junge Themen sollen ins Parteiprogramm

Die Jugendorganisationen der Parteien wollen Themen und Standpunkte der Generation Y durchsetzen. Und darüber, was den Ypsilonern wichtig ist, sind sich die Vorsitzenden erstaunlich einig – egal ob CDU oder Grüne. Einfluss darauf zu nehmen, wie später einmal das Verhältnis zwischen Arbeits- und Berufsleben aussehen wird, ist für die Generation ein wichtiges Thema.

Johannes Müller, 22, ist Sprecher der Grünen Jugend Hamburg und studiert Wirtschaftsingenieurwesen. Er ist, wie er sagt, „schon seit Anbeginn der Zeiten“ politisch interessiert. Seit 2013 ist er Mitglied bei den Grünen.
Johannes Müller, 22, ist Sprecher der Grünen Jugend Hamburg und studiert Wirtschaftsingenieurwesen. Er ist, wie er sagt, „schon seit Anbeginn der Zeiten“ politisch interessiert. Seit 2013 ist er Mitglied bei den Grünen. © Lina Beling

Johannes Müller von der Grünen Jugend meint: „Die Balance zwischen Privatleben, Freunden, Freizeit und Berufsleben zu finden - das ist ein Thema, das naturgemäß ganz viele Menschen bewegt, gerade auch in meiner Generation. Es ist ganz normal und nachvollziehbar, dass man nicht 60 Stunden pro Woche mit seinem Job und ohne Privatleben verbringen möchte."

Und auch Carsten Ovens von der JU hat beobachtet, dass das Privatleben einen wichtigen Stellenwert in der Generation Y hat: „Viele junge Leute, mit denen ich spreche, sagen, sie möchten irgendwo mal eine eigene Wohnung oder ein eigenes Haus haben. Sie sehen das als erstrebenswert, als normal und vielleicht auch als Ruhepol in schwierigen Zeiten. Da haben wir eine Rückbesinnung auf konservative Werte, wenn man so möchte.“

Langwierige Entscheidungen schrecken ab

Die Jugendorganisationen machen sich Gedanken über Themen, die für die Generation von zentraler Bedeutung sind. Doch im politischen Alltag scheint es schwer, diese Themen auf die Tagesordnung zu bringen und durchzusetzen – besonders, wenn die Organisationen zunehmend mit sinkenden Mitgliederzahlen kämpfen. Was junge Menschen abzuschrecken scheint, sind langwierige Entscheidungsprozesse. Die Vertreter der Jugendorganisationen halten dagegen. Sich politisch einzusetzen, das heiße manchmal, auch ganz praktisch in der Lebenswelt der Menschen etwas zu verändern. Dass die U-Bahnen in Hamburg am Wochenende länger fahren, geht zum Beispiel auf eine Unterschriftenliste der Jungen Union zurück.