Tübingen. Neandertaler waren zu 20 Prozent Vegetarier, haben Tübinger Forscher herausgefunden

Neandertaler haben sich zwar überwiegend von Mammuts und Nashörnern ernährt, doch sie waren zu 20 Prozent auch Vegetarier. Zu diesem Ergebnis kommen Wissenschaftler des Senckenberg Center for Human Evolution and Palaeoenvironment (HEP) in Tübingen. Sie hatten die Ernährung von Neandertalern untersucht und konnten anhand von Isotopenzusammensetzungen im Kollagen der Urmenschenknochen nachweisen, dass auch pflanzliche Kost zum Speiseplan gehörte. Die Studien sind kürzlich in den Fachjournalen „Journal of Human Evolution“ und „Quaternary International“ erschienen.

Die zwei untersuchten Fundstellen in Belgien boten dem internationalen Wissenschaftlerteam rund um den Tübinger Biogeologen Prof. Dr. Hervé Bocherens zahlreiche zwischen 45.000 und 40.000 Jahre alte Knochen von Mammuten, Wollnashörnern, Wildpferden, Rentieren, Wisenten, Höhlenhyänen, -bären und -löwen sowie Überreste von Wölfen. In unmittelbarer Nähe wurden auch Knochen mehrerer Neandertaler-Individuen entdeckt. Die Forschenden zeigen in ihren Studien anhand von Isotopenuntersuchungen am Knochenkollagen, dass sich die Nahrung der Neandertaler deutlich von der anderer Raubtiere unterschied.

„Früher ist man davon ausgegangen, dass die Neandertaler dieselben Nahrungsquellen wie ihre tierischen Nachbarn nutzten“, erläutert Bocherens und ergänzt: „Unsere Ergebnisse zeigen aber, dass alle Raubtiere eine sehr spezifische ökologische Nische besetzten, wobei in der Regel kleinere Beutetiere wie Rentiere, Wildpferde oder Wisente bevorzugt wurden, während sich die Neandertaler auf die großen Pflanzenfresser wie Mammut und Wollnashorn festlegten.“

Erstmals quantitative Analyse

Die Untersuchungen der Isotopenzusammensetzung einzelner Aminosäuren des Kollagens belegten nach Aussage der Forscher, dass etwa 20 Prozent der Nahrung der Neandertaler pflanzliche Kost ausgemacht hat. „In dieser Studie konnte erstmalig quantitativ ermittelt werden, wie groß der Anteil pflanzlicher Nahrung der späten Neandertaler ist. Eine ähnliche Ernährung wird auch für steinzeitliche moderne Menschen angenommen“, fügt Bocherens hinzu. „Es verdichten sich die Belege, dass die Ernährung kein entscheidender Grund war, warum die Neandertaler Platz für die modernen Menschen machen mussten“, fasst Bocherens zusammen.