Salt Lake City. Rund acht Prozent des menschlichen Genoms stammen von Viren, die unsere Vorfahren infizierten

Schätzungs­- weise acht Prozent des menschlichen Genoms stammen von Viren. Die teils uralten DNA-Schnipsel waren an der Entwicklung des Immunsystems beteiligt – und helfen kurioserweise bei der Abwehr von Viren, wie US-Forscher im Fachblatt „Science“ berichten.

Die Überreste stammen den Forschern zufolge von Viren, die einst unsere Vorfahren infizierten und ihr Erbgut in deren Genom einschleusten. Bestimmte Viren – die Retroviren – können sich nur auf diesem Weg vermehren. Infizieren sie Zellen der Keimbahn, werden sie zu endogenen Retroviren, die von Generation zu Generation weitervererbt und so Teil des Erbguts werden.

Ihre biologische Bedeutung für die Genregulation sei bisher nur schlecht untersucht, schreiben die Forscher um Edward Chuong von der University of Utah School of Medicine in Salt Lake City. Sie zeigten jetzt mit ihrer Untersuchung, dass die viralen Überreste bei der angeboren Immunreaktion des Menschen und anderer Säugetiere eine wesentliche Rolle zu spielen scheinen.

Die Forscher identifizierten zunächst die viralen Überreste, die durch sogenannte Interferone aktiviert werden. Diese Signalstoffe werden freigesetzt, wenn Krankheitserreger wie Bakterien oder Viren in den Körper eindringen. Die Wissenschaftler fanden solche viralen Überreste vor allem in der Nähe von Genen, die an der Immunantwort beteiligt sind. „Das war das erste Zeichen für uns, dass einige dieser Elemente in der Tat vielleicht an der Aktivierung der Immungene beteiligt sind“, erläutert Studienleiter Cédric Feschotte in einer Pressemitteilung seiner Universität.

Eines der endogenen Retroviren, das vor etwa 45 bis 60 Millionen Jahren einen Primatenvorfahren des Menschen infizierte, nahmen die Forscher genauer unter die Lupe. Entfernten sie verschiedene Varianten dieses MER41-Retrovirus aus menschlichen Zellen, blieb die Aktivierung zahlreicher Immungene nach einer Interferon-Stimulation aus oder fiel zumindest deutlich schwächer aus.

„Die Interferon-Antwort ist wie ein Alarmsystem der Zelle. Wir haben herausgefunden, dass einige der wichtigsten Schalter in diesem System von alten Viren abstammen“, erläutert Erstautor Chuong. Mitautor Nels Elde ergänzt: „Viele Viren gelangten in unser Genom, um sich selbst zu replizieren. Der Evolutionsprozess hat den Spieß zu unseren Gunsten umgedreht.“

Die Reste der viralen DNA sind zum Teil beweglich, das heißt, sie können Kopien bilden, die dann an anderer Stelle im Erbgut des Wirts eingebaut werden. Es seien noch detailliertere Untersuchungen nötig, um die exakten Mechanismen zu entschlüsseln, so die Wissenschaftler.