Tallahassee/Hamburg. Möglicher Zusammenhang zwischen Infektionskrankheit und Fehlbildungen bei Neugeborenen entdeckt

Forscher haben einen möglichen Mechanismus entdeckt, wie das Zika-Virus bei ungeborenen Kindern Fehlbildungen des Schädels verursachen kann. Demnach befallen die Erreger bevorzugt bestimmte Stammzellen, aus denen sich die Großhirnrinde (Kortex) entwickelt. Dort stören sie die Zellteilung oder lassen Zellen sogar absterben, wie die Wissenschaftler um Hengli Tang von der Florida State University in Tallahassee im Fachblatt „Cell Stem Cell“ schreiben. Die Studie sei ein Schritt nach vorne, sagt ein deutscher Experte, allerdings hätten die Forscher nicht jenen Virenstamm verwendet, der derzeit in Lateinamerika zirkuliert.

Das Zika-Virus breitet sich seit Monaten rasant in Lateinamerika aus. Gleichzeitig wird in diesen Regionen bei Neugeborenen vermehrt eine Mi­krozephalie diagnostiziert. Bei diesen Kindern ist der Kopfumfang sehr klein, und ihnen fehlen Strukturen des Kortex. Eine Verbindung zu der Infektion ist zwar nicht bewiesen, aber das Virus wurde sowohl im Fruchtwasser von zwei Müttern betroffener Babys entdeckt als auch im Hirngewebe solcher Kinder. Es müsse dringend geklärt werden, ob ein kausaler Zusammenhang besteht, betonen die Forscher.

Um dies zu prüfen, infizierten sie im Labor menschliche neuronale Vorläuferzellen, die sich zu Nervenzellen der Großhirnrinde entwickeln können, mit dem Erreger. Nach drei Tagen war die Zahl lebensfähiger Zellen um 30 Prozent geschrumpft. Zudem war das Zellwachstum eingeschränkt, viele Zellen starben ab oder teilten sich nicht mehr. Darüber hinaus konnten sich die Viren in den Zellen vermehren. Die Studie liefere zwar keinen Beweis für eine ursächliche Verbindung zwischen Zika und Mikrozephalie, aber: „Wir zeigen, dass das Zika-Virus im Labor neuronale Zellen infiziert, die während der Hirnentwicklung den Kortex formen“, so Koautor Hongjun Song von der Johns Hopkins University in Baltimore. „Diese Studie ist der allererste Schritt, aber sie erlaubt uns, die Forschung einzugrenzen. Jetzt kann man das Virus im richtigen Zelltyp untersuchen, Wirkstoffe am richtigen Zelltyp prüfen und die Biologie am richtigen Zelltyp studieren“, sagt Erstautor Tang.

Die Ergebnisse seien sehr aufschlussreich, dennoch warnt der nicht an der Studie beteiligte Prof. Jonas Schmidt-Chanasit vom Hamburger Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM) vor übereilten Schlüssen: Die verwendete Zika-Variante sei im Labor kultiviert worden und stamme von der afrikanischen Linie des Erregers. Um einen Zusammenhang bei der aktuellen Epidemie klarer aufzuzeigen, müsse man die Versuche mit der asiatischen Zika-Variante, die derzeit in Lateinamerika kursiert, wiederholen.