Nashville. Erbgut-Mix beschert den modernen Menschen die Anfälligkeit für Nikotinsucht und Depressionen

Viel ist es nicht, was der Neandertaler in unserem Erbgut hinterlassen hat – das wenige aber hat es in sich. Das Risiko, von Nikotin abhängig zu werden, werde ebenso von Neandertaler-Erbgut beeinflusst wie das für Depressionen, berichten Forscher im Fachmagazin „Science“. „Das Gehirn ist unglaublich komplex, darum ist gut nachvollziehbar, dass es negative Konsequenzen haben kann, wenn aus einem ganz anderen evolutionären Pfad stammende Änderungen eingebracht werden“, erklärt Hauptautorin Corinne Simonti.

Dass der moderne Europäer ein bis vier Prozent seines Erbguts dem Neandertaler verdankt, ist seit einigen Jahren bekannt. Es bedeutet, dass die von Afrika nach Eurasien gezogenen modernen Menschen hin und wieder Liebeleien mit ihren archaischen Verwandten dort eingegangen sein müssen, aus denen Nachwuchs mit gemischtem Erbgut hervorging. Gerätselt wird noch darüber, welche Funktionen bis heute erhalten gebliebene Neandertaler-DNA im Körper besitzt. Publiziert wurden bereits Hinweise, dass sie etwa die Ausbildung von Allergien und den Fettstoffwechsel beeinflusst. Die Forscher um Corinne Simonti von der Vanderbilt University in Nashville (US-Bundesstaat Tennessee) glichen nun gezielt das Auftreten einzelner, in vorherigen Analysen aufgespürter Neandertal-Genabschnitte mit der Wahrscheinlichkeit für bestimmte Krankheiten ab.

Dafür wurden die Erbgutdaten von 28.000 Patienten europäischer Herkunft genutzt, die mitsamt der Angaben zu den jeweiligen Krankheiten für das Electronic Medical Records and Genomics (eMERGE) Network in den USA erfasst wurden. Für jeden einzelnen Patienten analysierten die Forscher, wie viel und welche Teile seines Erbguts auf Neandertaler-DNA zurückgehen. Anschließend wurde statistisch abgeglichen, welche dieser Abschnitte mit bestimmten Krankheiten in Verbindung stehen könnten. „Unsere Haupterkenntnis ist, dass die Neandertaler-DNA klinisch relevante Merkmale des modernen Menschen beeinflusst“, erklärt Seniorautor John Capra. Einige Ergebnisse bestätigten demnach vorherige Annahmen – etwa, dass Neandertaler-Erbgut die Haut des Menschen undurchlässiger für UV-Licht und Erreger werden ließ.

Die Analyse habe aber auch Überraschungen geliefert, schreiben die Autoren. So steigere ein bestimmter Schnipsel Neandertaler-Erbgut offenbar das Risiko für Nikotinabhängigkeit. Gefunden wurde demnach zudem eine Reihe von Varianten, die das Risiko für Depressionen positiv oder negativ beeinflussen. Insgesamt sei eine überraschend große Zahl der Abschnitte mit psychiatrischen oder neurologischen Effekten verbunden.