Greifswald. Aus den Körnern sind biszu 200.000 Jahre alte Informationen abrufbar

Der Berufsverband Deutscher Geowissenschaftler hat Sand zum Gestein des Jahres 2016 gewählt. „Sand ist für Geowissenschaftler eines der spannendsten Minerale“, sagt der Greifswalder Professor für Physische Geographie, Reinhard Lampe. Sand konserviert die Zeit, seine Herkunft und seine Geschichte. Geologen können mit ihm in die Vergangenheit schauen und Analogien für die Zukunft ableiten.

Am Institut für Geographie und Geologie der Uni Greifswald steht seit Kurzem das einzige Lumineszenzlabor Norddeutschlands, das zugleich das achte Sandlabor in Deutschland ist. Hermetisch abgeschottet von Sonnenlicht und nur über Schleusen können die Wissenschaftler die Räume betreten. „Schon ein einziger Sonnenstrahl würde ausreichen, die über Jahrtausende im Sandkorn gespeicherten Informationen zu löschen“, sagt der Geologe Henrik Rother.

Zur Vorbereitung wird der Sand gewaschen, die Quarzkörner von anderen Sandbestandteilen getrennt und in die Maschine gegeben. Dort ätzt Flusssäure die verunreinigte Schale der 0,1 bis 0,2 Millimeter großen Quarzkörner ab. Dann sind die Körner bereit für die sogenannte optisch stimulierte Lumineszenzdatierung (OSL). Dabei wird ein Lichtsignal gemessen, das durch die natürliche Radioaktivität entsteht, die der Boden über die Jahrtausende an die winzigen Quarz- und Feldspatkörnchen abgegeben hat. Die OSL sei damit die einzige Methode, sicher in das Zeitfenster der letzten Eiszeit und darüber hinaus blicken zu können, sagt Rother. Bis zu 200.000 Jahre alte Informationen seien so aus dem Sand abrufbar.

Auch für Geoarchäologie ist die Methode interessant. So ließen sich – wie am Drewitzer See (Mecklenburg) – anhand von in den Boden eingepflügten Sanden nachweisen, wann und wie lange die Slawen den Boden dort nutzten, bevor dieser aufgrund der Waldrodungen der Erosion ausgesetzt und durch Flugsand verschüttet wurde.

Die höchstens zwei Millimeter großen Körner entstehen aus der Erosion von Gesteinen. „Die Bestimmung ihres Alters erlaubt nicht nur den Blick zurück, sondern auch Prognosen in die Zukunft“, sagt Lampe. Aus den Modellen, die aufgrund der Untersuchungen entwickelt werden können, werden Vorhersagen abgeleitet. Mit ihrer Hilfe wollen die Geologen sich großen Fragen widmen. Wie wirkt der Klimawandel auf die Küsten, Gebirgsgletscher und die vom Menschen genutzte Landschaft? Diese Zusammenhänge untersuchen die Greifswalder Forscher mit Kollegen aus Neuseeland, Polen und Russland.