Berlin. Fast fünf Prozent der 12- bis 17-Jährigen verbringen zu viel Zeit im Netz. Eltern sollten Regeln aufstellen

Die Sucht nach Spielen, Chats oder Videos im Internet hat in den Kinderzimmern Einzug gehalten. „Fast fünf Prozent der Kinder und Jugendlichen zwischen zwölf und 17 Jahren leiden unter krankhaften Folgen ihrer Internetnutzung“, stellt Suchtexperte Rainer Thomasius fest. Der Mediziner leitet das Deutsche Zentrum für Suchtfragen am Hamburger Universitätsklinikum.

Die betroffenen Jugendlichen sitzen acht bis zehn Stunden vor dem Computer, den sie vor allem für Spiele nutzen. Andere Freizeitinteressen geraten in den Hintergrund, Schule und familiäre Beziehungen werden von den Süchtigen vernachlässigt.

Die Deutsche Angestellten-Krankenkasse (DAK) hat nun repräsentativ für die rund 6,5 Millionen Kinder und Jugendlichen Eltern zur Internetpraxis in ihrer Familie befragen lassen. „Der intensive Gebrauch von Computern führt in vielen Familien zu Streit und Problemen“, sagt DAK-Chef Herbert Rebscher. Gleichzeitig würden Mütter und Väter aber nur wenige Regeln hinsichtlich des Umgangs mit den Angeboten im Netz vorgeben. Zu festen Regeln aber raten Fachleute.

„Zwischen Jungen und Mädchen gibt es keine gravierenden Unterschiede“, erläutert Manfred Güllner vom Forschungsinstitut Forsa, das die Studie durchgeführt hat. 21 Prozent der Jugendlichen kommen auf vier oder mehr Stunden am Tag vor dem Monitor, am Wochenende oft noch deutlich mehr. Der Medienratgeber „Schau hin!“ (schau-hin.info) rät etwa für Kinder von sechs bis neun Jahren zu täglich maximal einer Stunde Mediennutzung, bei Zwölf- bis 13-Jährigen zu höchstens 75 Minuten.

Ein Kontrollverlust ist laut Suchtärzten das zentrale Warnsignal

Kinder, die länger vorm Rechner sitzen, sind deshalb noch nicht zwangsläufig süchtig. „Kontrollverlust ist das zentrale Warnsignal“, sagt Suchtarzt Thomasius. Die amerikanische psychiatrische Vereinigung hat neun Kriterien für einen krankhaften Umgang mit dem Internetspiel veröffentlicht. Sie schildern typische Verhaltensweisen von suchtgefährdeten Computerspielern. Dazu gehört etwa, dass Jugendliche immer an ihre Videospiele denken, regelrechte Entzugssymptome zeigen, wenn sie mal nicht spielen können, oder auch selbst dann weiterspielen, wenn es negative Folgen für sie haben könnte. Manche versuchen ihre Spielexzesse vor Eltern und Freunden zu vertuschen. Treffen fünf der Kriterien auf Jugendliche zu, brauchen sie Hilfe.

Kinder- und Jugendpsychiater können dann die richtigen Ansprechpartner sein. Allein in der Uniklinik Hamburg werden jährlich 300 bis 400 junge Patienten und Patientinnen mit Internetsucht behandelt. Es gibt auch das ambulante Therapieprogramm „Lebenslust statt Onlineflucht“ vom Deutschen Zentrum für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters. Auf der Internetseite www.dak.de informiert die Krankenkasse außerdem ausführlich über die Internetsucht.