Berlin. Wie lange hält das ewige Eis? Eine Reise zu den Stätten, an denen die Umweltveränderungen spürbar werden.

„Der Klimawandel hat keinen Reisepass“, schreibt UN-Generalsekretär Ban Ki-moon mit Blick auf die Klimakonferenz in Paris, die am Montag beginnt. Die Emissionen, die irgendwo auf der Welt ausgestoßen würden, verschärften das Problem überall. Doch wo sind sie, diese Hotspots der Erderwärmung? Eine Reise zu den Stätten, an denen die Umweltveränderungen spürbar werden.

Die Gletscher der Erde

Seit Anfang dieses Jahrhunderts schmelzen die Gletscher der Erde mit Rekordgeschwindigkeit. „Die Eisdicke der beobachteten Gletscher nimmt derzeit jedes Jahr zwischen einem halben und einem ganzen Meter ab, das ist zwei- bis dreimal mehr als der entsprechende Durchschnitt im 20. Jahrhundert“, sagte Michael Zemp vom World Glacier Monitoring Service in Zürich kürzlich. Inzwischen stehen den Forschern Daten von über 2300 Gletschern zur Verfügung.

Im höchsten Gebirge der Welt, im Himalaja, schmelzen jedes Jahr viele Tausend Tonnen Eis. Von 1977 bis 2010 seien die vergletscherten Gebiete um fast ein Viertel geschrumpft, erklärt Bulle Abasi vom International Center for Integrated Mountain Development (Icimod) in Nepals Hauptstadt Kathmandu. Nepal verliert etwa 38 Quadratkilometer Gletscherfläche – jedes Jahr.

In den Anden zeigt sich die Gletscherschmelze besonders drastisch in Peru, sagen Forscher. 2679 Gletscher gibt es dort, das sind 71 Prozent der weltweiten Tropengletscher. Studien zufolge ist die gesamte Eisfläche in den letzten 40 Jahren um 42,64 Prozent geschrumpft – das sind 1300 Quadratkilometer. Seit 1940 hat diese gigantische Schmelze ein halbes Dutzend katastrophaler Erdrutsche verursacht. Über 50 der zahlreichen Berglagunen, die aus der Gletscherschmelze entstehen, stellen eine Gefahr für Ortschaften an den Berghängen dar. Ein plötzlicher Anstieg des Wasserspiegels kann zu hohen Flutwellen und Erdrutschen führen. Die 9000 Einwohner von Carhuaz, zum Beispiel, hätten nur eine halbe Stunde Zeit, um die Stadt zu evakuieren, wenn die Lagune 513 am Vulkan Hualcán aus den Ufern tritt. An dieser Lagune begann 2011 – nach einer 28 Meter hohen Flutwelle im Vorjahr – der Aufbau eines Frühwarnsystems, das heute auf alle Lagunen ausgeweitet wird.

In den Alpen ist Deutschlands größter Gletscher, der Nördliche Schneeferner auf der Zugspitze, in der Rekordhitze des vergangenen Sommers im Vergleich zum Vorjahr zwar deutlich stärker geschwunden. Doch der Glaziologe Wilfried Hagg von der Ludwig-Maximilians-Universität München will die insgesamt drei Zugspitzgletscher noch nicht aufgeben. Bei der aktuellen Schmelzrate werde vermutlich auch noch zur Jahrhundertmitte Gletschereis auf Deutschlands höchstem Berg zu finden sein. Auch in Österreich und der Schweiz hat der Sommer 2015 den Gletschern in den Hochalpen stark zugesetzt. Nach zwei relativ kühlen, gletscherfreundlichen Jahren seien die Abschmelzraten in diesem Jahr wieder extrem, sagt Andrea Fischer von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. „Der Massenverlust kommt in die Nähe des Rekordjahres 2003.“

In der Schweiz deutet sich ein ähnlicher Trend an. Andreas Bauder, Glaziologe an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich sagte, vor allem kleinere Gletscher bis unter 3000 Metern Seehöhe seien „komplett ausgeapert“ – sie haben ihre Altschneeschicht verloren und sind der Sonne ungeschützt ausgesetzt.

Das eigentlich ewige Eis

Forscher des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) haben vor wenigen Monaten eine erschreckende Berechnung veröffentlicht: Der riesige Eispanzer der westlichen Antarktis könnte vollständig verschwinden, wenn dort das vergleichsweise winzige Amundsen-Becken instabil würde. „Gelangt all dies Eis in den Ozean, steigt der Meeresspiegel um rund drei Meter“, folgern die Forscher. Gleichzeitig verwiesen sie auf neue Studien, nach denen dieses Gebiet des Eiskontinents seine Stabilität bereits verloren habe. „Wir gehen davon aus, dass in der Westantarktis bereits klimatische Kipppunkte überschritten sind, also ein unumkehrbares Abschmelzen angestoßen wurde“, sagt PIK-Direktor Hans Joachim Schellnhuber. Damit wäre das erste Element des globalen Klimasystems gekippt.

„Wird der Naturzustand der Eismassen einmal gestört, und genau das passiert heute, so reagieren sie in nicht linearer Weise: Nach einer langen Zeit ohne große Veränderungen bricht ihre Stabilität ziemlich rasch zusammen“, sagt Johannes Feldmann, Leitautor der Untersuchung.

Interessant sei nun, was in der Ostantarktis passiere, so Schellnhuber. „Hier liegen Eispfropfen vor Bassins, in denen große Eismassen zurückgehalten werden. Wenn die Blockaden durch die Erwärmung aufgelöst werden, wird sich das Eis in den Ozean ergießen.“ In einzelnen Bereichen würde das den Meeresspiegel um drei bis vier Meter erhöhen. Dies ist, sagen die Potsdamer Forscher, die Achillesferse das ostantarktischen Eisschildes.

Das Christkind

Bei der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) in Genf nennen sie es schon das „Monster“. Das Wetterphänomen „El Niño“ (das Christkind) wird sich nach Einschätzung der Forscher zum Ende Jahres noch verstärken und im Südpazifik zu extremen Wetterlagen mit womöglich schlimmen Folgen für die Anrainerstaaten führen.

Hervorgerufen wird das Phänomen durch die Veränderung von Wasser- und Luftströmungen in der Nähe des Äquators im und über dem Pazifik. „Dieser ‚El Niño‘ ist der stärkste seit mehr als 15 Jahren“, sagte WMO-Generaldirektor Michel Jarraud. „Die tropischen und subtropischen Zonen erleben bereits schwere Dürreperioden und zerstörerische Überschwemmungen, die den Stempel ‚El Niños‘ tragen.“ Ein Grund dafür, dass das Phänomen immer stärker werde, sei Erderwärmung. Jarraud: „Die globalen Durchschnittstemperaturen haben neue Rekordwerte erreicht und ‚El Niño‘ facht diese noch weiter an.“