Ein neues Rechenmodell kann das Wetterereignis im Pazifik recht genau voraussagen. Ob Hamburgern deshalb bald klirrende Kälte droht, weiß es allerdings nicht

Erste Anzeichen gibt es bereits. El Niño, ein Klimaphänomen, das rund um den Globus extreme Wetterereignisse auslösen kann, soll diesen Winter kommen. Alle zwei bis sieben Jahre krempelt es den gesamten Pazifikraum um. Warmes Pazifikwasser strömt dann an der Oberfläche nicht wie gewohnt von Ost nach West, sondern von West nach Ost – also von Südostasien in Richtung Südamerika. Auch in der Atmosphäre kehren sich die Verhältnisse um: Weil sich die Luftzirkulation ändert, verschwinden über Südostasien die Niederschläge. Südamerika kann dagegen mit wärmerem Küstenwasser und starken Regenfällen rechnen.

In meiner Arbeitsgruppe am Exzellenzcluster für Klimaforschung arbeiten wir daran, solche El-Niño-Ereignisse vorherzusagen. Je treffsicherer wir dabei sind, desto besser können sich die betroffenen Länder auf die zum Teil verheerenden Folgen vorbereiten.

Doch Prognosen für einen Zeitraum von bis zu sechs Monaten zu stellen, sind besonders heikel. Mit der Wettervorhersage (für die nächsten 14 Tage) und der Klimaprognose (für die nächsten Jahrzehnte) haben wir bereits zwei etablierte Werkzeuge. Beide beruhen jedoch auf völlig unterschiedlichen Ansätzen. Dazu kommt noch: Die jetzt gesuchten saisonalen Vorhersagen fallen ausgerechnet in die Lücke dazwischen.

Mit einem speziellen Kniff können wir diese Lücke schließen: Wir bauen ein etabliertes Klimarechenmodell so um, dass wir immer wieder reale Wetterdaten einspeisen können. Kein Kinderspiel, denn Klimamodelle sind eigentlich nicht darauf ausgelegt, im laufenden Prozess neue Daten aufzunehmen. Bei unserem Verfahren „füttern“ wir das Rechenmodell monatlich mit aktuellen Messdaten zu Atmosphäre, Ozean und Meereis und berechnen die wahrscheinliche „Großwetterlage“ für ein halbes Jahr im Voraus.

Doch wie exakt sind die Ergebnisse? Um dies herauszufinden, haben wir mit unserem Modell die vergangenen 35 Jahre „nachprognostiziert“. Ab diesem Zeitpunkt gibt es ausreichend Wetterdaten zur Überprüfung.

Für jeden Monat geben wir diese Wetterdaten ein und lassen unser Modell eine Prognose für das nächste halbe Jahr errechnen – und das für die gesamten 35 Jahre. Diese Vorhersage vergleichen wir mit den real gemessenen Daten aus diesem Zeitabschnitt. Fazit: Das Verfahren funktioniert, vergangene El-Niño-Ereignisse konnten wir zu einem Großteil richtig vorhersagen.

Auch für dieses Jahr kündigt unser Rechenmodell einen starken El Niño an. Doch was heißt das für den Hamburger Winter? Dazu untersuchen wir, wie sich ein El Niño auf Europa auswirkt. Grundsätzlich kann er zu einer Abkühlung führen – zunächst allerdings nur um rund 0,1 Grad Celsius. Doch allein diese Temperaturänderung kann manchmal extrem kalte Winter auslösen.

Bedeutet das für uns denn nun klirrenden Dauerfrost? Nicht unbedingt, denn das Wetter hier ist besonders chaotisch und schwer berechenbar. Während die Lage im Pazifik fast ausschließlich von El Niño bestimmt wird, hängt sie bei uns von äußerst vielen Faktoren ab. El Niño kann dabei eine spürbare Rolle spielen – muss er aber nicht. Unangefochten Platz eins nimmt der Wettstreit zwischen Azorenhoch und Islandtief ein: Etwa jeder zweite Winter in Hamburg wird davon bestimmt, wer – ob Hoch oder Tief – hier die Nase vorn haben wird.