Dülmen. . Wenn alles schmerzt, kostet es Mühe, das Leben in den Griff zu bekommen. Qualifizierte Rheuma-Trainer helfen dabei.

Wie verändert sich das Leben durch Rheuma? Die Diagnose wirft bei Betroffenen viele Fragen auf. Wie man damit selbstbestimmt zurechtkommt, das ist das Thema des Welt-Rheuma-Tags am 12. Oktober 2015. 1,5 Millionen Deutsche – zwei Prozent der erwachsenen Bevölkerung – sowie etwa 15.000 Kinder leiden laut der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie unter entzündlich-rheumatischen Erkrankungen. Qualifizierte Trainer der Deutschen Rheuma-Liga wie Hildegard Mang helfen ihnen ehrenamtlich in Selbstmanagementkursen.

Betroffene müssen Experte für die eigene Krankheit werden

„Rheuma-Patienten müssen erkennen, dass sie nicht mehr diejenigen sind, die sie vor ihrer Erkrankung waren. Denn diese geht nicht vorbei wie ein grippaler Infekt“, sagt Hildegard Mang aus Dülmen in Westfalen. Sie weiß, wovon sie spricht, denn sie muss sich seit 35 Jahren mit den Folgen einer rheumatoiden Arthritis befassen. Das ist eine chronische Gelenkentzündung, die den ganzen Körper befallen kann (Arthritis = Gelenkentzündung). Hildegard Mang hat verformte Hände und Füße, teils auch künstliche und versteifte Gelenke, doch sie weiß sich zu helfen – und unterstützt als Trainerin der Deutschen Rheuma-Liga andere dabei, selbstbestimmt als Experte für die eigene Krankheit zu leben.

Hildegard Mang nennt einige wichtige Aspekte, die zur „Herausforderung Rheuma“ gehören. Dazu gehört zum Beispiel die richtige Kommunikation mit dem Arzt. „Damit man keine wichtigen Fragen vergisst, sollte man eine Prioritätenliste vor einem Termin machen. Und ruhig deutlich sagen: ,Ich habe Angst, die Medikamente zu nehmen‘, wenn man sich vor Nebenwirkungen wie Haarausfall fürchtet“, erklärt Hildegard Mang.

Betroffene leiden oft unter dauerndem Schmerz und Müdigkeit

Wer Rheuma hat, fühlt sich meist müde und hat Schmerzen. „Das liegt an dem energieraubenden Entzündungsprozess im Körper“, erklärt Hildegard Mang. Sie empfiehlt mehrere Wege, damit umzugehen: „Zum einen gilt es, trotz der Schmerzen in Bewegung zu bleiben, damit die Gelenke nicht noch mehr versteifen – zum anderen sollte man es sich zwischendurch auch erlauben, Pausen einzulegen, zum Beispiel mit progressiver Muskelentspannung und Atemtechniken.“
Für die gezielte Aktivität gegen Müdigkeit und Schmerz rät die Spezialistin zum qualifizierten Funktionstraining der Rheuma-Liga mit Gymnastik. Dabei wird ein persönlicher Trainingsplan erarbeitet, der internistische und orthopädische Probleme berücksichtigt. Dieser enthält Beuge-, Dehn- und Konditionsübungen, wird auf einer Chipkarte gespeichert und damit in die Trainingsgeräte eingeführt. Mang fühlt sich dadurch fitter und mobiler: „Ich trainiere am Stepper, auf dem Liegefahrrad, an der Beinpresse und einem Gerät namens Butterfly.“

Durch geeignete Hilfsmittel wird der Alltag Betroffener leichter

Man muss sich nur zu helfen wissen: Ein Betroffener schilderte etwa der Deutschen Rheuma-Liga, dass er Körperlotion auf eine Malerrolle aufträgt, damit über seinen Rücken rollt und sich so trotz seiner Einschränkungen bequem eincremt.

Kochen trotz schmerzender Knie geht, wenn man auf einem Barhocker am Herd Platz nimmt. Hildegard Mang kann Gabel, Messer oder Löffel wieder besser halten, seit sie die Griffe des Bestecks mit einem dünnen Schaumstoff, sogenanntem Moosgummi, ummantelt. Es ist für wenige Euro im Baumarkt zu haben. Beim Schneiden hilft ein ergonomisches Brot- oder Küchenmesser, beim Schreiben ein Stift mit einem durch ein Gummibezug verdickten Griff (gibt es im Schreibwarenladen oder man kann ihn aus bunten Gummiringen, sogenannten Loops, selbst herstellen).

Mit Knetmasse macht Hildegard Mang schmale Schlüssel griffiger. So kann sie problemlos Türen aufschließen, Flaschen öffnet sie mit solchen Drehverschlussöffnern, die wie eine kleine Sonne oder eine Schildkröte aussehen (Anbieter u. a. Koziol). Diese lassen sich einfach auf Verschlüsse aufsetzen und erleichtern das Aufschrauben. Bei Metallverschlüssen setzt sie auf einen praktischen Trick und nutzt stattdessen einen Nussknacker.

Wichtig ist, dass Betroffene ihre Gelenke stets richtig schützen

Wenn die entzündeten Gelenke stark belastet oder beansprucht werden, können sie sich immer weiter verformen. Deshalb plädiert die Deutsche Rheuma-Liga dafür, sich alle 20 Minuten am Schreibtisch zu lümmeln und auch mal die Füße auf den Tisch zu legen – Hauptsache, die Körperhaltung verändert sich. Weil von außen geschützt und gestützt werden muss, was von innen schwach ist, nutzt Hildegard Mang Gelenkringe, sogenannte Orthesenringe. Sie sollen Fehlstellungen ausbremsen. Beim Schreiben hilft dagegen eine leichtgängige, ergonomisch geformte Computertastatur und eine ebensolche „Mouse“, die einem Revolvergriff ähnelt. Inzwischen lässt sich aber auch mancher PC mit der Sprache steuern. Tipp von der Rheuma-Liga: Nichts tragen, was sich rollen oder schieben lässt, und Einkäufe mit beiden Händen packen, um Belastungen zu vermeiden.