Hamburg. Internetaktion Ice Bucket Challenge sammelte 2014 Spenden zur Erforschung von ALS. Nun soll sie wiederholt werden

Der Facebook-Gründer Mark Zuckerberg hat es getan, genau wie Schlagerstar Helene Fischer und unzählige weitere prominente und nicht prominente Menschen. Die Rede ist von der Ice Bucket Challenge, einer Spendenkampagne für die Erforschung der unheilbare Nervenkrankheit ALS (Amyotrophe Lateralsklerose), die im vergangenen Jahr zu einem weltweiten Hype im Internet wurde. Jeder, der daran teilnahm und sich einen Eimer kaltes Wasser über den Kopf kippte, nominierte danach weitere Personen für die Ice Bucket Challenge und spendete für die ALS-Forschung.

ALS ist eine fortschreitende Nervenerkrankung, bei der die Betroffenen nach und nach die Fähigkeit verlieren, sich zu bewegen. Meist beginnt die Schwäche in den Beinen. Später kommen Arme, Hände und Gesichtsmuskeln dazu. Irgendwann ist auch das Sprechen nicht mehr möglich. Reihenfolge und Verlauf sind von Fall zu Fall unterschiedlich. Nur der Ausgang ist immer derselbe: Am Ende versagt die Lungenmuskulatur, der Patient stirbt. Statistisch vergehen von der Diagnose bis zum Tod drei bis fünf Jahre.

Der Hamburger Neurologe und Vorsitzende des Hamburger Landesverbandes Deutscher Nervenärzte, Dr. Guntram Hinz, schätzt, dass in Hamburg rund 150 Menschen mit der Diagnose ALS leben. Etwa alle zwei bis drei Jahre hat er es mit einem Erkrankungsfall in seiner Praxis in Poppenbüttel zu tun. „Wir Neurologen erinnern uns lebenslang an jeden einzelnen ALS-Patienten schon allein deswegen, weil er oder sie uns damit konfrontiert, wie wenig wir über diese äußerst schwere neurologische Erkrankung wissen, wie wenig wir als Ärzte dagegen tun können und wie sehr weitere Forschung notwendig ist“, sagt der 60-Jährige. „Die Krankheit ist so besonders brutal, weil die Betroffenen bei klarem Verstand den Verfall ihres Körpers erleben müssen und wir als Ärzte ihnen kaum helfen können“, so Hinz. „Zwar können wir Symptome lindern und Hilfsmittel zur Verfügung stellen, aber heilen können wir nicht.“

Dass die ALS zu den seltenen Krankheiten zählt, macht es nicht leichter. Nach Schätzungen sind rund 6000 Menschen in Deutschland betroffen. Hinz: „Das ist keine Größenordnung, die für Pharmaunternehmen interessant ist. Deshalb ist die ALS-Forschung massiv auf Spenden angewiesen.“

Genauso schnell, wie die Ice Bucket Challenge im vergangenen Sommer aufploppte, war sie wieder verschwunden. Ein Jahr danach stellt sich die Frage, was das alles gebracht hat. Thomas Meyer, Leiter der ALS-Ambulanz an der Berliner Charité, zieht eine positive Bilanz. „Die ALS-Eiskübel-Aktion war ein großes gesellschaftliches Ereignis und hat erstmalig eine breite Aufmerksamkeit für die ALS in Deutschland gebracht. Das ist für Menschen mit dieser Krankheit von größter Bedeutung.“

Das kann die Hamburgerin Sabine Niese bestätigen. Die 40-Jährige bekam ihre ALS-Diagnose 2009. Oft blickte sie in ratlose Gesichter, wenn sie den Namen ihrer Krankheit nannte, erklären musste, warum sie im Rollstuhl sitzt und warum sie kaum noch Kraft in ihren Händen hat. „Das hat sich seit der Ice Bucket Challenge sehr verändert“, sagt Sabine Niese. „Das ewige Erklären ist deutlich zurückgegangen.“

Und der Erfolg lässt sich auch in Zahlen fassen: „Die weltweite Gesamtsumme ist zwar nicht bekannt. Insgesamt ist aber wohl von mehr als 100 Millionen Euro auszugehen“, so Thomas Meyer. „Mehr als 30.000 Spenderinnen und Spender haben allein die ALS-Ambulanz der Charité mit 1,6 Millionen Euro unterstützt. Dieses Geld kommt 800 Patienten zugute, die durch unser ALS-Team betreut werden“, so Meyer weiter.

Durch die Spendenaktion konnte die Ambulanz ihr Versorgungsangebot deutlich erweitern und mehrere neue Forschungsprojekte starten. „Die Eiskübel-Aktion hat uns jetzt eine Planungssicherheit von knapp zwei Jahren verschafft.“

Die Arbeit der ALS-Ambulanz werde nur zu 20 bis 30 Prozent von den Krankenkassen finanziert. Der überwiegende Teil müsse durch Spenden oder Stiftungen finanziert werden. Die größte Unterstützung gehe übrigens von dem Hamburger Unternehmer Jürgen Großmann aus. Aus Anlass der ALS-Erkrankung eines Mitarbeiters hatte er bereits im Jahr 2011 die Initiative Hilfe für ALS-kranke Menschen ins Leben gerufen.

Eine Heilungsmethode für die Krankheit sei derzeit noch nicht absehbar, sagt Thomas Meyer. „Realistisch ist aber die Entwicklung mehrerer ALS-Medikamente, die für sich genommen eine relativ geringe Wirkung entfalten, aber in der Kombination eine deutliche Verlangsamung der Erkrankung erreichen können.“

Wegen des großen Erfolgs der Ice Bucket Challenge soll die Aktion nun nach Angaben der US-Organisation ALS Association in diesem Jahr eine Neuauflage bekommen. „Die muss in jedem August wiederholt werden, bis ein Heilmittel gefunden wird“, teilte die US-Organisation mit. Ende Juli solle im großen Stil dazu aufrufen werden, die Aktion zu wiederholen.

Wenn sich Guntram Hinz die Bilder von der Ice Bucket Challenge aus dem vergangenen Jahr anschaut, ist er immer noch beeindruckt. Die Idee, die Aktion zu wiederholen, findet er „großartig“. „Da würde ich mich dann auch engagieren“, sagt er. „Und Prominente, die die Aktion noch einmal promoten könnten, haben wir ja schließlich in Hamburg genug.“