Hamburg. Tests auf Demenz sind Teil der großen Studie des UKE, in der 45.000 Hamburger auf Risikofaktoren untersucht werden.

Sie können sich nicht mehr erinnern, was gestern war, finden sich in ihrer Umgebung nicht mehr zurecht, erkennen irgendwann selbst vertraute Menschen nicht mehr. Das sind typische Zeichen einer Demenz, wie zum Beispiel Alzheimer. Doch warum wird der eine dement und der andere nicht? Gibt es möglicherweise Faktoren, die schon Jahrzehnte vor dem Ausbruch auf die Erkrankung hinweisen? Antworten auf solche Fragen erhoffen sich Forscher am Uniklinikum Eppendorf (UKE) von der Hamburg City Health Studie (HCHS), die jetzt startet und in der 45.000 Einwohner der Hansestadt regelmäßig untersucht werden sollen. Ziel dieser Studie ist es, bisher unbekannte Risikofaktoren für große Volkskrankheiten zu identifizieren.

Dazu gehört auch die Demenz. In Hamburg gab es 2012 nach Schätzungen der Deutschen Alzheimergesellschaft 28.290 Demenzkranke, die 65 und älter waren. Die Zahl der Betroffenen in Deutschland liegt im Moment bei etwa 1,5 Millionen und wird sich nach der Schätzung bis zum Jahre 2050 verdoppeln.

Im Rahmen der HCHS werden bei den Studienteilnehmern Früherkennungstests auf Demenz durchgeführt. In einem solchen sogenannten Screening, das ungefähr zehn Minuten dauert, werden durch die Kombination von einfachen Fragen und Rechenaufgaben wichtige Fähigkeiten des Gehirns überprüft, wie zum Beispiel Aufmerksamkeit, Gedächtnis und Orientierungsfähigkeit. Ein weiterer Screening-Test ist der Uhrentest, bei dem man in einen leeren Kreis ein Ziffernblatt mit Zeigern und Uhrzeit eintragen soll. „Dabei werden auch verschiedene geistige Fähigkeiten getestet, unter anderem das räumliche Vorstellungsvermögen, die Vorstellung von der Uhrzeit und die Umsetzung sowie die Planungsfähigkeit“, erklärt Privatdozent Dr. Götz Thomalla, Oberarzt in der neurologischen Klinik des UKE.

Wenn Studienteilnehmer in diesen Tests Auffälligkeiten zeigen, werden sie zur weiteren Abklärung an einen Facharzt verwiesen. Das gilt auch für den Fall, dass in einer Kernspintomografie des Kopfes, die bei etwa 6000 Studienteilnehmern durchgeführt wird, Hinweise auf krankhafte Veränderungen gefunden werden.

Die häufigsten Formen sind die Alzheimer-Demenz und die vaskuläre Demenz, die aufgrund von Durchblutungsstörungen im Gehirn entsteht. Etwa zwei Drittel der Betroffenen leiden unter einer Alzheimer-Demenz. An zweiter Stelle steht die vaskuläre Demenz. Dann gibt es noch seltene Formen wie die frontotemporale Demenz.

Einer der Hauptrisikofaktoren für die Erkrankung ist das Alter. Der Anteil der Demenzkranken steige von ein bis zwei Prozent bei den 65- bis 70-Jährigen bis auf 40 Prozent oder mehr bei über 90-Jährigen, sagt der Neurologe. Es gibt aber noch weitere Risikofaktoren. „Es sind die gleichen, die auch bei der Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen eine Rolle spielen: Bluthochdruck, Rauchen, erhöhte Blutfette, Übergewicht und Diabetes. Außerdem gibt es eine gewisse erbliche Veranlagung. Wenn Verwandte ersten Grades betroffen sind, hat man ein vierfach erhöhtes Risiko, selbst daran zu erkranken“, sagt Thomalla. Es gibt aber auch schützende Faktoren: „Menschen, die ihr Leben lang körperlich geistig und sozial aktiv sind, erkranken seltener an Demenz als solche, die das nicht sind“, sagt Thomalla.

Bemerkbar macht sich die Erkrankung durch typische Symptome wie zum Beispiel Störungen des Gedächtnisses, des Denkens, der Orientierung, der Aufmerksamkeit, der Sprache oder des Urteilsvermögens. Es können auch Wesensveränderungen auftreten, wie etwa vermehrte Aggressivität oder emotionale Labilität. Häufig wird von den Angehörigen auch bemerkt, dass die Betroffenen das Interesse an Dingen verlieren, mit denen sie sich früher gern beschäftigt haben. dass sie sich zurückziehen, den Kontakt zu Freunden aufgeben.

Privatdozent Dr. Götz Thomalla, Oberarzt in der Neurologischen Klinik des UKE
Privatdozent Dr. Götz Thomalla, Oberarzt in der Neurologischen Klinik des UKE © UKE

Festgestellt wird die Demenz durch eine gründliche Untersuchung, die Erhebung der Vorgeschichte und Tests. „In der Regel wird man auch eine Kernspinaufnahme oder ein Computertomogramm machen, um strukturelle Schädigungen des Gehirns auszuschließen, Hirninfarkte als Ursache für eine vaskuläre Demenz festzustellen oder die typische Atrophie des Gehirns bei einer Alzheimerschen Demenz zu sehen, die dann die Diagnose untermauert“, sagt Thomalla. Zudem müssen andere Erkrankungen als Ursache ausgeschlossen werden, wie zum Beispiel Medikamentennebenwirkungen, eine Alkoholkrankheit, Störungen der Schilddrüsenfunktion oder eine Entzündung des Gehirns. Auch eine Depression kann hinter den Symptomen stecken: „Die kann am Anfang ganz ähnlich aussehen: Bei älteren Menschen, die vermehrt müde sind, sich zurückziehen, ihren Alltag nicht mehr allein bewältigen können, ist es deshalb ganz wichtig, eine Depression auszuschließen, ehe man eine Demenz diagnostiziert“, betont Thomalla.

Patienten und Angehörige solltenüber Symptome gut aufgeklärt werden

In der Therapie geht es vor allem darum, Symptome zu behandeln. „Denn heilbar ist die Demenz nicht. Aber mit den Medikamenten, die wir heute zur Verfügung haben, können wir die Symptomatik vorübergehend verbessern und damit das Fortschreiten der Erkrankung für eine gewisse Zeit aufhalten. Diese Zeitspanne ist individuell sehr unterschiedlich, aber man sagt, dass damit Gedächtnis- und andere geistigen Leistungen für ein bis mehrere Jahre verbessert werden können“, sagt der Neurologe. Das sind vor allem Medikamente, die die Konzentration des Nervenbotenstoffes Acetylcholin im Gehirn erhöhen. Insbesondere bei leichter bis mittelschwerer Demenz bewirken sie eine Verbesserung. Eine andere Gruppe von Medikamenten, die in den Stoffwechsel des Nervenbotenstoffes Glutamat eingreifen, zeigt auch bei schwereren Formen noch einen gewissen Effekt.

Neben der medikamentösen Therapie sollten Patienten und Angehörige gut über mögliche Symptome und den zu erwartenden Verlauf der Erkrankung aufgeklärt werden. „Weitere Maßnahmen sind Ergotherapie und ein kognitives Training, Bewegungstherapie, Musiktherapie und Aromatherapie. Außerdem muss man dafür sorgen, dass das Umfeld des Patienten so angepasst wird, dass er sich dort auch zurechtfinden kann“, sagt Thomalla. So kann Patienten, die im Heim wohnen, ein Symbol an der Tür helfen, ihr Zimmer wiederzufinden.

Doch welche Therapie auch immer man einsetzt: „Wenn die ersten Symptome auftreten, ist der Veränderungsprozess im Gehirn schon seit vielen Jahren im Gange. Man beginnt mit der Therapie also zu einem Zeitpunkt, an dem die Krankheit schon weit fortgeschritten ist. Das ist auch ein Grund, warum wir in der Studie die Demenz untersuchen. Unsere Hoffnung ist, dass wir Muster herausfinden, mit deren Hilfe wir Risikopatienten möglichst frühzeitig identifizieren können“, sagt Thomalla.