Hamburg . In einer Pilotanlage auf dem Klärwerk Hamburg soll aus verbranntem Klärschlamm ein wichtiger Rohstoff gewonnen werden.

Asche gilt als Abfall, auch die verbrannten Reste von Klärschlamm machen da keine Ausnahme. Allein in Hamburg fallen pro Jahr ­zwischen 20 und 22 Tausend Tonnen von dem rostbraunen Gemisch an. Sie bleiben übrig, wenn das Abwasser von etwa zwei Millionen Menschen aus der Hansestadt, der Umgebung und aus Industriebetrieben in der Kläranlage von Hamburg Wasser einen mehrstufigen Bearbeitungsprozess durchlaufen hat.

Die Klärschlammasche ist jedoch nicht wertlos – im Gegenteil: Sie enthält nämlich Phosphor. Dieser Rohstoff ist unabdingbar vor allem für den Dünger in der Landwirtschaft. Bisher hat Hamburg Wasser die Klärschlammasche dennoch in einer Spezialdeponie bei Bremen abgeladen. „Wir wussten zwar, dass wir damit eine Menge Rohstoffe quasi beerdigen“, so Geschäftsführer Michael Beckereit. Aber es sei nicht möglich gewesen, den Phosphor kostengünstig zu recyceln.

Das könnte sich bald ändern: Am Montag stellte Beckereit im Beisein von Umweltsenator Jens Kerstan (Bündnis 90/Die Grünen) auf dem Klärwerk Hamburg eine Pilotanlage vor, die den Nachweis erbringen soll, dass sich Phosphor – genauer: Phosphorsäure – in einem industriellen Maßstab wirtschaftlich aus Klärschlammasche gewinnen lässt.

Phosphor ist nicht nur essenziell für das Wachstum von Pflanzen und damit für unsere Nahrungsmittelversorgung, er erfüllt auch lebenswichtige Aufgaben im menschlichen Stoffwechsel. Noch ist genug von dem chemischen Element vorhanden: Über Millionen Jahre hat es sich als Phosphat in Sedimenten angelagert, so dass große Mengen heute in Phosphatminen vorliegen. Zwar kommt es auch in Böden und Gewässern vor. Dort ist es allerdings zu stark verdünnt, um wirtschaftlich von Interesse zu sein. Lohnend ist bisher nur der Abbau von Phosphat­gestein, das mit Schwefelsäure aufgeschlossen wird.


Die größten Lager befinden sich in China, Marokko, Russland und den USA; weitere große Produzenten sind Russland, Jordanien, Tunesien und Brasilien. Die meisten anderen Länder haben keine oder nur kleine Vorkommen und müssen deshalb Phosphor importieren. Zwar könnten die wirtschaftlich abbaubaren Phosphatvorkommen den weltweiten Bedarf in der Landwirtschaft wahrscheinlich noch mehr als 320 Jahre decken, rechneten Wissenschaftler der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in einem Papier aus dem Jahr 2013 vor. Gleichwohl sei es sinnvoll, sich für eine Knappheit zu wappnen, die Phosphatreserven zu schonen und nachhaltig mit den verfügbaren Ressourcen umzugehen, etwa indem das Phosphatrecycling ausgebaut werde, schreiben die BGR-Autoren.

Für solche Bestrebungen spricht auch, dass Phosphor aus Erzminen ­erhebliche Mengen an Schwermetallen enthalten kann – wer wollte diese Sub­stanzen im Acker haben?

Ein reinerer Phosphor soll bei dem Verfahren gewonnen werden, das in der Pilotanlage auf dem Hamburger Klärwerk zum Einsatz kommt. Dieses Phosphor stammt nicht aus Erz, Seen oder Böden, sondern aus menschlichen Ausscheidungen, die ins Abwasser gelangen und so im Klärschlamm landen, der dann verbrannt wird. Entwickelt hat das Verfahren der Ingenieur Martin Lebek von der Firma Remondis. Das Unternehmen mit Sitz in Lünen (NRW) ist nach eigenen Angaben Deutschland größter Dienstleister für Recycling und Wasserwirtschaft.

Lebek zufolge wird die Klärschlammasche zunächst in verdünnter Phosphorsäure gelöst. Der Phosphor geht dann in die Phosphorsäure über und reichert sie an. Der Großteil davon soll entnommen und künftig verkauft werden. Bis zu 90 Prozent des in der Asche gebundenen Phosphors lasse sich auf diese Weise recyceln, sagte Lebek. Ein kleiner Teil der gewonnenen Phosphorsäure werde als „Starter­säure“ wieder in den Prozess gesteckt.

Das Verfahren besteht insgesamt aus vier Prozessen, bei denen Inhaltsstoffe wie Calcium, Aluminium und Eisen entfernt werden, die sich ebenfalls weiterverwerten lassen sollen. Das Aluminium könne direkt im Klärwerk genutzt werden, weil es als Fällmittel bei der Abwasserreinigung benötigt werde, erläuterte Hamburg Wasser­Geschäftsführer Michael Beckereit. Dadurch könne der Zukauf von Fällsalzen um voraussichtlich mehr als 30 Prozent gesenkt werden. Das gelöste Calcium lasse sich als Gips abtrennen und könne als Baustoff genutzt werden.

Remondis hat nach Angaben von Martin Lebek eine sechsstellige Summe in die Pilotanlage gesteckt; Hamburg Wasser stellt das Gebäude. Bis Ende des Jahres soll getestet werden, in welcher Konfiguration die Anlage optimal funktioniert. Sollte alles nach Plan laufen, könnten Remondis und Hamburg Wasser gemeinsam eine großtechnische Anlage finanzieren, in der sich voraussichtlich mehr als 600 Tonnen Phosphorsäure pro Jahr gewinnen ließen, sagte Lebek. Eine Tonne Phosphorsäure in sehr guter Qualität könne für etwa 1000 Euro verkauft werden, wobei die Preise stark schwankten.

„Ich bin froh darüber, dass dieses Verfahren in Hamburg jetzt im Pilotmaßstab untersucht wird“, sagte Umweltsenator Jens Kerstan. „Das Phosphor-Recycling nützt der Umwelt – und es ist ein gutes Geschäft.“