Hamburg. In dem Themenfeld gibt es noch einige Wissenslücken. Dennoch werden politische Ziele auf Basis von Modellrechnungen gesetzt.

Ich schaue aus dem Fenster und freue mich, drinnen zu sein. Ein schwerer Sturm zieht durch Hamburg. Gleichzeitig geht mir durch den Kopf: „Ist das noch ein normales Gewitter, oder werden diese immer heftiger?“ Als ich jung war, war das keine Frage, die einem einfach so einfiel. Heute ist Klimawandel allgegenwärtig. Die Veränderungen der Natur beschäftigen Menschen auf der ganzen Welt, globale und lokale Politik, jeden Einzelnen – und die Klimawissenschaftler des Exzellenzclusters CliSAP.

Auch ich gehöre dazu. Als Ethnologe interessiere ich mich dafür, woher unser Klimawissen stammt und was der Klimawandel für uns bedeutet. Ich entwickle keine Rechenmodelle, messe nicht die Dicke des Meereises in der Arktis, sondern beschäftige mich mit den Forscherinnen und Forschern, die das tun. Ich bin teilnehmender Beobachter an einem der Geburtsorte der Klimawissenschaft und habe festgestellt: Der Forschungsgegenstand stellt besonders die Naturwissenschaften vor große Probleme.

So ist Klimawandel ein Thema, das viele aufregt, bei dem noch vieles unsicher ist und das stark politisiert ist. Zum Beispiel die Pause der Erderwärmung: Vergleicht man den globalen Temperaturverlauf der vergangenen 15 Jahre mit den Vorhersagen durch Klimamodelle, gibt es einen Unterschied. Sofort stehen die Skeptiker des menschengemachten Klimawandels parat und sehen sich bestätigt. Wissenschaftler hingegen wundern sich, probieren, messen, vergleichen und lassen die neuen Erkenntnisse in die Modelle einfließen, um sie realitätsnäher zu gestalten. Das Problem ist, dass mit diesen Rechenmodellen politische Ziele definiert werden.

Auch wenn viele Naturwissenschaftler gern nur forschen und nichts mit Politik zu tun haben wollen, geht das nur schwer: Der Uno-Klimarat IPCC bringt Studien aus der ganzen Welt zusammen und erarbeitet eine wissenschaftliche Basis für politische Entscheidungen – die zum Beispiel im Dezember auf der Weltklimakonferenz in Paris getroffen werden müssen. Ein neues Klimaabkommen als Nachfolger für das Kyoto-Protokoll ist das Ziel.

Wissenschaftler werden in diesem Prozess zu politischen Akteuren. Einige malen Katastrophenszenarien aus, andere betonen zu Recht die Unsicherheit der Modelle und Zahlen. Dies verunsichert die breite Öffentlichkeit. Leute fangen an, die Glaubwürdigkeit der Wissenschaft infrage zu stellen.

Um Wissenschaftlern zu helfen, ihre Rolle im öffentlichen Spannungsfeld zwischen Politik, Medien und Bürgern zu finden, eignet sich das Idealbild des „Honest Broker“, des „ehrlichen Vermittlers“. Der berechnet zum Beispiel die möglichen Folgen von Meeresspiegelanstieg oder künftigen Sturmfluten für den Küstenschutz, verweist auf die Unsicherheiten und liefert den Küstenbewohnern, Lokalpolitik und Verwaltung alle möglichen Argumente – trifft aber selbst keine Entscheidung. Die Hamburger Klimaforscher wollen solche ehrlichen Vermittler sein.

Auch wenn es noch exotisch anmutet, werden in Zukunft vermehrt auch Ethnologen gebraucht, um Klimawissen und dessen Bedeutung für die Gesellschaft zu analysieren. Mit Kollegen veranstalte ich interdisziplinäre Workshops und betreibe den Blog „Die Klimazwiebel“ – um diesen Veränderungen aktiv zu begegnen. Denn eines ist sicher: Der Klimawandel wird ein politisch brisantes Thema bleiben.

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