Newcastle. Was gute Tänzer von schlechten unterscheidet, lässt sich wissenschaftlich untersuchen. Bewegungen von Hals und Rumpf sind wichtig.

Keine gute Figur gemacht beim Tanz in den Mai? Vielleicht hat es ja am zu schwachen Händedruck gelegen. Oder an den Geschlechtshormonen. Oder an einer Asymmetrie des Körpers. Oder an mangelnder Beweglichkeit im rechten Knie. Das alles kann Studien zufolge Einfluss auf die Attraktivität des Tanzstils von Männern haben. Im Takt bleiben allein genügt also offenbar nicht. Doch was einen guten Tänzer sonst noch von einem schlechteren unterscheidet, ist nicht so leicht herauszufinden. Zwar können die meisten Menschen auf Anhieb sagen, wie ihnen eine bestimmte Performance gefallen hat. Was aber steckt hinter ihrem Urteil? Mit moderner Kameratechnik und virtuellen Computer-Tänzern versuchen Forscher, den Geheimnissen der schönen Bewegung auf die Spur zu kommen.

Womöglich sind es sehr alte Maßstäbe, an denen sich Menschen bei der Bewertung von Tanzstilen orientieren. Evolutionsbiologen gehen nämlich davon aus, dass der Tanz ursprünglich als eine Facette des menschlichen Balzverhaltens entstanden ist. Schließlich gibt es im Tierreich genügend Beispiele für komplexe Tänze, mit denen vor allem die Männchen das andere Geschlecht zu beeindrucken versuchen. So präsentieren manche Paradiesvögel regelrechte Ballettaufführungen, in deren Verlauf sie von einem Bein aufs andere hüpfen und den Kopf ruckartig hin und her bewegen. Auch Kraniche, Albatrosse und etliche andere Vögel werben mit eleganten Tänzen um ihre Partner.

Auch in den Augen anderer Tierweibchen scheinen die Tänze der Männchen eine Art Qualitätscheck zu sein. Denn viele dieser Darbietungen enthalten schnelle und akrobatische Elemente, anhand derer sie körperliche Kräfte möglicher Partner beurteilen können. Auch über Geschicklichkeit, Gesundheit oder Kreativität der Bewerber kann die Performance einiges verraten. Demonstrieren vielleicht auch Menschen-Männer im Tanz ihre körperlichen Qualitäten? Zeigen also besonders starke oder fitte Männer einen besonders attraktiven Tanzstil?

Um das herauszufinden, haben Forscher um den Psychologen Nick Neave von der Northumbria University im britischen Newcastle upon Tyne 30 Männer zu einem Trommelrhythmus tanzen lassen. Die dabei gezeigten Bewegungen haben sie gefilmt und auf eine virtuelle Kunstfigur übertragen. Schließlich ging es nicht um die Attraktivität von anderen Merkmalen, sondern nur um den Tanzstil. Den haben die Forscher dann von Frauen und Männern bewerten lassen. Zudem mussten sich alle Tänzer verschiedenen Kraft- und Fitness-Tests unterziehen. Als Indiz für die Kraft des Oberkörpers haben die Forscher zum Beispiel die maximale Stärke des Händedrucks gemessen.

Tatsächlich fand sich ein auffälliger Zusammenhang: Je kräftiger der Händedruck, desto besser schnitten die Männer in der Tanzbewertung ab – und zwar bei weiblichen wie männlichen Juroren. Die Signale, die Tänzer aussenden, scheinen sich also nicht nur an mögliche Partner zu richten. Auch heterosexuelle Männer scheinen aus den Bewegungen ihrer Geschlechtsgenossen interessante Informationen herauslesen zu können. Dieses Talent könnte ursprünglich dazu gedient haben, die Gefährlichkeit von Rivalen einzuschätzen, vermuten die Forscher. „Die Kraft des Oberkörpers hängt eng mit den Kampffähigkeiten eines Gegners zusammen“, erklärt Nick Neave. „Da ist es besser, wenn man sich schon vor einem möglichen Konflikt ein Bild von diesen Kräften machen kann.“

Eine Rolle spielt auch das männliche Geschlechtshormon Testosteron

Zumindest einige körperliche Qualitäten scheinen sich bei Männern in der Attraktivität ihres Tanzstils niederzuschlagen. Aber nicht alle. So haben die Forscher keine Anzeichen dafür gefunden, dass gute Tänzer ein leistungsfähigeres Herz-Kreislauf-System hätten als die schlechten. Stärke und Fitness ist auch nicht alles, wenn es um wünschenswerte körperliche Eigenschaften von Männern geht. So zeigen viele Untersuchungen, dass symmetrische Körper meist als attraktiver eingestuft werden als asymmetrische. Auch diese Vorliebe fließt offenbar in die Bewertung von Tanzdarbietungen ein. Das zeigt eine US-Studie, die Forscher der Rutgers University in New Brunswick auf Jamaika durchgeführt haben.

Doch nicht nur der körperliche Zustand eines Tänzers entscheidet darüber, wie er beim Publikum ankommt. Einige Weichen werden offenbar schon vor seiner Geburt gestellt. Jeder Fötus ist in der Gebärmutter einer bestimmten Konzentration des männlichen Geschlechtshormons Testosteron ausgesetzt. Die aber scheint sich bei Männern später nicht nur in körperlichen Merkmalen niederzuschlagen, sondern auch in der Tanzqualität.

Als attraktiv gelten ausgeprägte Bewegungen von Hals und Rumpf

Bernhard Fink von der Universität Göttingen und seine Kollegen fanden einen interessanten Zusammenhang, als sie die Hände von männlichen Tänzern untersuchten. Verräterisch ist dabei das Längenverhältnis zwischen Zeige- und Ringfinger. Dafür gilt die Faustregel: Je höher die Testosteron-Konzentration in der Gebärmutter war, umso kürzer ist später der Zeigefinger im Vergleich zum Ringfinger. Männer haben deshalb meist kürzere Zeigefinger als Ringfinger, bei Frauen ist es umgekehrt oder beide Finger sind gleich lang. Auch innerhalb der Geschlechter gibt es Variationen. Die schlugen sich in den Versuchen der Forscher durchaus in den Urteilen der weiblichen Tanz-Jury nieder. Bewegungen von Männern mit einem besonders „maskulinen“ Fingerverhältnis, also sehr langen Ring- und kurzen Zeigefingern, wirkten auf die Frauen attraktiver, dominanter und männlicher.

Auch der maskulinste Tanzkünstler kommt nicht immer gleich gut an. Das muss nicht unbedingt an ihm liegen. Das Team um Bernhard Fink fand auch Hinweise darauf, dass sich die Einschätzung von Frauen im Laufe ihres Menstruationszyklus ändert. Die Forscher hatten 79 britische Männer um Tanzeinlagen gebeten und ihre Bewegungen auf Computerfiguren übertragen. Frauen sollten zunächst die Männlichkeit der virtuellen Tänzer bewerten. Die zehn männlichsten und die zehn unmännlichsten wurden von einer weiteren Frauen-Jury in punkto Attraktivität bewertet. Für die unmännlichen Kandidaten machte es keinen Unterschied, wann die Jury ihr Urteil fällte. Besonders maskuline Tänzer wurden von Frauen in ihrer fruchtbaren Phase als deutlich anziehender empfunden als an anderen Tagen.

Kraft und ein symmetrischer Körper, Maskulinität und das richtige Timing sind also gute Voraussetzungen für Männer, die Frauen tänzerisch beeindrucken wollen. Aber wie sollen sie das konkret anstellen? „Männer rund um die Welt interessieren sich ja dafür, mit welchen Bewegungen sie auf Frauen anziehend wirken können“, sagt Neave. Garantieren kann er für nichts. Doch eine genaue Analyse der als attraktiv eingestuften Kunstfiguren hat einige Erfolgsgeheimnisse gelüftet. Wichtig sind demnach ausgeprägte, abwechslungsreiche Bewegungen von Hals und Rumpf sowie schnelle Bewegungen des rechten Knies. Auch ausladendes, schnelles und variables Schwingen der Arme scheint eine gute Idee zu sein. „Wenn ein Mann solche Schlüsselbewegungen kennt, kann er ja anfangen zu üben“, sagt Nick Neave. „Damit steigen seine Chancen, eine Frau mit seinem Tanzstil zu fesseln“. Vielleicht eine Idee für den nächsten Tanz in den Mai.