Kopenhagen. Sichtungen der großen Meeressäuger gibt es schon länger. Jetzt wurden aber erstmals ein Muttertier und ein Kalb in unserem Binnenmeer heimisch.

Forscher sprechen von einer „Sensation“: Ein Buckelwalweibchen und ein Jungtier haben höchstwahrscheinlich in der Ostsee überwintert. Ende März wurde vor der schwedischen Ostseeküste ein Walweibchen gesichtet, das wohl bereits im Sommer vergangenen Jahres zusammen mit seinem Kalb in der deutschen und der dänischen Ostsee unterwegs war. „Wenn wir richtig liegen, sind die Tiere seit mindestens acht Monaten in unseren Gewässern“, sagte der dänische Walforscher Carl Kinze.

Das Weibchen und das Kalb waren demnach im vergangenen Sommer in der Flensburger Förde, vor der Küste Mecklenburg-Vorpommerns und vor Dänemark gesehen worden. Ende März soll das Muttertier nun in der Bottenwiek zwischen Schweden und Finnland beobachtet worden sein, erläuterte Kinze. „Wir haben die Bilder überprüft und sind uns zu 99 Prozent sicher, dass es das Muttertier ist“, sagte der Wissenschaftler der „Ostsee-Zeitung“. Anhand von Kratzern auf dem Rücken konnten die Forscher auch das Jungtier identifizieren. Es habe sich inzwischen von seiner Mutter getrennt und sei in diesem Februar im Øresund zwischen Dänemark und Schweden gesehen worden, sagte der Direktor des Deutschen Meeresmuseums, Harald Benke.

„Es ist wirklich eine Sensation, dass die Tiere in der Ostsee überwintert haben“, betonte Benke. Es sei das erste Mal, dass Buckelwale direkt nach dem Winter in der Ostsee beobachtet wurden. „Gewöhnlich schwimmen sie wieder in die Nordsee.“

Schon vor mehr als vierhundert Jahren wurde Buckelwale in der Ostsee gesichtet, doch immer sind sie wieder zurückgeschwommen. „Die Tiere gehören eigentlich in den offenen Ozean“, erklärte Kinze. „Sie paaren sich in subtropischen Gewässern, bekommen ihr Junges und schwimmen im Sommer in den Norden. Dort gibt es größere Fischbestände.“ So verlaufe zumindest das Muster. „Doch Schema F gibt es nicht mehr“, ist sich der Forscher sicher.

Wegen der wachsenden Population suchten sich die Wale neue Fressgebiete und wagten sich weiter vor. Ein anderer Grund sei vermutlich die Meereserwärmung. In diesem Winter habe es kaum Eis in der Ostsee gegeben. Die Wale konnten das ganze Jahr hindurch Sprotten und Heringe finden.

Dank der Zusammenarbeit mit den anderen Anrainerländern habe man inzwischen einen guten Überblick über das Gebiet, sagte Kinze. Die Küstenwache, Fischer und private Segler hätten Wale beobachtet und ihre Fotos der Forschung zur Verfügung gestellt. Mitte Dezember war ein Buckelwal im Hafen der schwedischen Stadt Kungshamn unter einer Badebrücke festgeklemmt. Im Februar wurden in der Danziger Bucht und bei Bornholm Tiere beobachtet.

Die Sichtung eines Buckelwals sei ein großartiges Erlebnis, so Kinze. „Sie springen richtig hoch aus dem Wasser. Ich bin sicher, dass noch mehr Buckelwale in unsere Gewässer vordringen werden.“ Anfang Juli vergangenen Jahres waren mit dem Walweibchen und dem Jungtier erstmals seit Beginn der Aufzeichnung von Walbeobachtungen zwei Buckelwale gleichzeitig in der Ostsee beobachtet worden. „Dass zwei Tiere zusammen gesichtet wurden, hatten wir noch nie“, sagte Benke damals.