Hamburg. Sieben Prozent der Hamburger haben schon mal Medikamente genutzt, um die geistige Fitness zu erhöhen. Ergebnisse seien Alarmsignal.

Wacher, schneller, besser – auch in Hamburg greifen Menschen zu Medikamenten, um im Job leistungsfähiger zu sein oder Stress abzubauen. Das zeigt der DAK-Gesundheitsreport 2015, dessen Daten für Hamburg und den Norden am Dienstag veröffentlicht wurden.

Grundlage dieser Erhebung, die vom Berliner Iges-Institut durchgeführt wurde, ist eine bundesweite Befragung von 5000 DAK-Versicherten im Alter von 20 bis 50 Jahren, darunter 393 Hamburger, sowie eine Analyse der Daten zu Krankschreibungen der Versicherten dieser Krankenkasse.

Rechnet man die Ergebnisse der Befragung auf alle Hamburger Beschäftigten hoch, haben 83.000 (sieben Prozent) von ihnen schon einmal verschreibungspflichtige Medikamente als „Hirndoping“ eingesetzt, also um Hirnfunktionen zu steigern, ihr psychisches Wohlbefinden zu verbessern oder um Ängste und Nervosität abzubauen, ohne dass es dafür eine medizinische Notwendigkeit gab. Inklusive der Dunkelziffer, die das Iges-Institut mithilfe einer bestimmten Fragetechnik ermittelte, wird die Zahl auf 150.000 (12,5 Prozent) geschätzt. Im Bundesdurchschnitt lag dieser Anteil bei 6,7 Prozent der Arbeitnehmer. 3,2 Prozent der Beschäftigten bundesweit haben in den vergangenen zwölf Monaten Mittel zur Steigerung ihrer Leistungsfähigkeit verwendet, 1,9 Prozent regelmäßig, also mindestens zweimal im Monat. Aussagen zu regelmäßigen Konsumenten in Hamburg konnten aufgrund der niedrigen Fallzahlen nicht getroffen werden.

„Auch wenn Doping im Job noch kein Massenphänomen ist, sind diese Ergebnisse ein Alarmsignal“, warnte Regina Schulz, Landeschefin der DAK-Gesundheit in Hamburg. „Damit die Beschäftigten auch bei Leistungsdruck langfristig gesund bleiben, ist Aufklärung zu dem Thema wichtig. Suchtgefahren und Nebenwirkungen des Hirndopings sind nicht zu unterschätzen.“ Immerhin ist das Phänomen vielen bekannt. 70,6 Prozent der Hamburger Befragten gaben an, dass sie wissen, was Hirndoping ist und zu welchem Zweck es eingesetzt wird, sagte Jörg Marschall vom Iges-Institut, der die Ergebnisse des Reports präsentierte.

Der Krankenstand in Hamburg lag 2014 bei 3,5 Prozent

Von den verschreibungspflichtigen Medikamenten werden vor allem vier Gruppen für das Hirndoping verwendet. Dazu zählen stimulierende Mittel wie das ADHS-Medikament Ritalin mit dem Wirkstoff Methylphenidat, Mittel gegen Depressionen und Demenz sowie Betablocker, die vor allem gegen Bluthochdruck und Herzerkrankungen verordnet werden.

Das Risiko einer Abhängigkeit bestehe vor allem beim Methylphenidat, sagte dazu Dr. Hans-Peter Unger, Chefarzt der Abteilung für Psychia­trie in der Asklepios-Klinik Harburg. Aber auch die anderen Medikamente sind alles anderes als harmlos „Sie können eine Reihe von Nebenwirkungen haben, wie zum Beispiel Herzrhythmusstörungen“, sagte Unger. Außerdem könne zum Beispiel das Methylphenidat das Risiko steigern, an einer Erschöpfungsdepression zu erkranken. Denn die Erholung, die der Mensch brauche, werde durch die Einnahme immer weiter aufgeschoben – und irgendwann breche das ganze System zusammen.

Der Psychiater gab auch zu bedenken, dass Antidepressiva nur bei Menschen wirken, die auch wirklich an einer Depression erkrankt sind. „Antidepressiva wirken bei Gesunden nicht“, sagte Unger. Sie könnten nicht mithilfe von Antidepressiva sozusagen einen Hebel umlegen und ihre Stimmung verbessern, betonte der Psychiater.

Grundsätzlich müsse man mit dem Begriff „Hirndoping“ sehr vorsichtig sein und auch eine Abgrenzung zur Depression vornehmen. Sie ist nach den Angststörungen die zweithäufigste psychische Erkrankung in Deutschland. Die Zahl der Fehltage wegen solcher Leiden ist laut dem DAK Gesundheitsreport 2014 in Hamburg erneut um zehn Prozent angestiegen: Auf 100 Versicherte kamen im vergangenen Jahr 289 Fehltage wegen seelischer Erkrankungen, 27 mehr als 2013. Insgesamt ist der Krankenstand in Hamburg 2014 leicht gesunken, von 3,7 Prozent im Jahr 2013 auf 3,5 Prozent in 2014, und lag damit unter dem Bundesdurchschnitt. Dieser sank von vier Prozent im Jahr 2013 auf 3,9 Prozent 2014.

Der Rückgang wird vor allem auf die Abnahme der Atemwegserkrankungen zurückgeführt, weil die Grippewelle 2014 milder ausfiel als 2013. Die häufigsten Gründe für Krankschreibungen waren in Hamburg psychische Erkrankungen (22,3 Prozent), Krankheiten des Bewegungsapparates (19,9 Prozent) und der Atemwege (14,1 Prozent).