Hamburg/Freiburg. Aber die Zahl der Transplantationen hat 2014 mangels Spender einen Tiefstand erreicht. Das berichteten Experten auf einer Tagung.

Die Menschen in Deutschland werden immer älter. Mehr als ein Viertel der Bevölkerung ist älter als 60 Jahre. Diese demografische Entwicklung spiegelt sich auch in der Herzmedizin wider. „Mehr als 14 Prozent der Patienten, die wir 2014 in Deutschland am Herzen operiert haben, waren älter als 80 Jahre. 1994 lag dieser Anteil noch bei 2,3 Prozent“, sagt Prof. Hermann Reichenspurner, Direktor des Universitären Herzzentrums (UHZ) am Universitätsklinikum Eppendorf. Die Zahlen stammen aus einer Statistik für 2014, welche die Deutsche Gesellschaft für Thorax- Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG) jetzt auf ihrer Jahrestagung in Freiburg präsentierte. Danach steigt der Anteil älterer Patienten bei den Herzoperationen stetig an. Die Zahl aller herzchirurgischen Eingriffe hingegen liegt seit Ende der 1990er-Jahre konstant bei rund 100.000 pro Jahr.

Lange Zeit wurde diskutiert, wann bei Verengungen der Herzkranzgefäße eine Bypass-Operation sinnvoll ist und wann die Aufdehnung des Gefäßes über einen Herzkatheter mit Einlegen eines Stents, der die Arterie offen hält. Die sogenannte Syntax-Studie hat vor einigen Jahren gezeigt, welche Patienten am meisten vom Katheter profitieren und welche von einer Bypass-OP. „Die Studie hat dazu geführt, dass die Zahlen der Bypass-OP über die letzten Jahre ziemlich konstant bei 40.000 liegen. Auch die Versorgung mit Stents hat sich auf einem Niveau eingependelt. In Deutschland werden rund siebenmal so viele Katheter-Eingriffe wie Bypass-Operationen durchgeführt. Ein Bypass – möglichst aus Arterien – ist die Methode der Wahl bei Patienten mit langstreckigen Einengungen der Herzkranzgefäße, mit Einengungen an allen drei Herzkranzgefäßen oder im Hauptstamm der linken Arterie, und vor allem bei Diabetikern“, sagt Reichenspurner.

Zugenommen haben in jüngster Zeit Operationen, bei denen Herzklappen ersetzt oder rekonstruiert wurden. 2014 gab es mehr als 30.000 isolierte Klappenoperationen in Deutschland. Dazu zählen auch die Eingriffe, die mithilfe eines Katheters durchgeführt wurden.

Dass Eingriffe an der Aortenklappe zwischen linker Herzkammer und Hauptschlagader zugenommen haben, hat mehrere Gründe: „Die Verengung der Aortenklappe (Aortenklappenstenose) tritt häufiger auf, weil die Häufigkeit mit dem Alter zunimmt und die Patienten immer älter werden. Zweitens behandeln wir mit den Katheterverfahren auch Patienten, die wir früher als zu alt und zu krank eingestuft haben. Und drittens nimmt die Arteriosklerose als Hauptursache für die Aortenstenose in der westlichen Welt zu“, sagt der Herzchirurg.

2014 gab es ungefähr 11.500 Operationen zum Ersatz von Aortenklappen. Hinzu kamen 8600 Katheterklappeneingriffe, die an die Deutsche Gesellschaft für Herzchirurgie berichtet wurden. Reichenspurner: „Es gibt in Deutschland noch einige Einrichtungen, die solche Eingriffe nicht berichtet haben oder ohne Herzchirurgie machen. Deshalb war die Zahl mit etwa 12.000 etwas höher als die der Operationen. Der prozentuale Anteil der Katheter-Eingriffe schwankt in den herzchirurgischen Abteilungen in Deutschland von zehn bis 70 Prozent, im UHZ liegt er bei 60 Prozent.“

Das Sterblichkeitsrisiko ist bei Katheterklappen-OPs stark gesunken

Auf dem Kongress wurde auch deutlich, dass die Katheterklappenverfahren deutlich besser geworden sind. „Die dritte Generation der Katheteraortenklappen hat inzwischen deutlich bessere Ergebnisse. Das Sterblichkeitsrisiko in den ersten vier Wochen lag bei den Katheterklappen vor drei bis vier Jahren noch bei acht bis zehn Prozent. Jetzt beträgt es bei der dritten Klappengeneration ungefähr drei Prozent. Das Risiko einer Operation liegt aber in Deutschland bei unter drei Prozent, an einigen Zentren unter einem Prozent“, sagt Reichenspurner. Deshalb wird jetzt schon in einigen Studien untersucht, ob man diese Klappen auch bei Patienten mit niedrigerem Risiko einsetzen kann. Bis jetzt werden damit nur Patienten behandelt, die aufgrund ihres Alters oder wegen einer schweren Grunderkrankung nicht operiert werden können.

Bis vor kurzem gab es noch eine Diskussion zwischen Kardiologen und Herzchirurgen, ob für Kathetereingriffe an Herzklappen immer eine herzchirurgische Fachabteilung im Hause vorhanden sein muss. Das ist seit Januar gesetzlich geregelt. Laut einem Beschluss des gemeinsamen Bundesausschusses müssen Kathetereingriffe mit Ersatz der Aortenklappe an Krankenhäusern erbracht werden, die sowohl eine Fachabteilung für Herzchirurgie als auch eine Abteilung für Innere Medizin und Kardiologie haben. Bis Juni 2016 gilt noch eine Übergangsregelung, wonach kardiologische Abteilungen diese Eingriffe unter bestimmten Auflagen auch ohne herzchirurgische Abteilung im Hause machen dürfen. Danach ist dies nicht mehr möglich.

„Hamburg hatte da immer eine Vorreiterrolle. Hier ist ein solcher Eingriff immer an Zentren mit einer Herzchirurgie gemacht worden. Das sind neben dem UHZ die Herzzentren im Albertinen-Krankenhaus und in der Asklepios-Klinik St. Georg sowie die CardioClinic an der Asklepios-Klinik Harburg. Im UHZ entscheiden Herzchirurgen und Kardiologen gemeinsam, bei welchen Patienten eine defekte Herzklappe per Katheter behandelt wird, und sie stehen bei diesen Eingriffen auch gemeinsam am OP-Tisch im sogenannten Hybrid-OP“, sagt der Herzchirurg.

Auch Kathetereingriffe an der Mitralklappe zwischen linken Vorhof und linker Herzkammer sollten laut dem GBA-Beschluss immer an Krankenhäusern vorgenommen werden, die über beide Fachabteilungen verfügen. „Das durchführende Krankenhaus muss jedoch mindestens über eine der beiden Fachabteilungen verfügen“, heißt es in dem Beschluss, und in diesem Falle Kooperationen mit externen Fachabteilungen abschließen.

Die Zahl der Eingriffe an den Mitralklappen ist in den vergangenen Jahren gestiegen und lag 2014 bei 6000. Die Zunahme ist vor allem auf die steigende Zahl der Klappenrekonstruktionen zurückzuführen. Der Rekonstruktionsanteil liegt mittlerweile bei 65,7 Prozent, die Sterblichkeitsrate bei diesen Eingriffen ist auf 1,6 Prozent gesunken. „In fast der Hälfte der Fälle wird der Eingriff heute minimal invasiv mit einem etwa vier Zentimeter langen Schnitt im Brustkorb und einem Endoskop durchgeführt. Bein der anderen Hälfte der Patienten wird eine offene Operation mit Durchtrennung des Brustbeins durchgeführt. Das Sterblichkeitsrisiko ist bei dem schonenden minimal invasiven Eingriff mit 0,9 Prozent deutlich niedriger als bei der offenen Operation mit 2,7 Prozent“, sagt Reichenspurner. Der Anteil der minimal invasiven OPs schwankt deutschlandweit zwischen fast hundert und wenigen Prozent. Im UHZ liegt er bei 90 Prozent.

Ein trauriges Kapitel in der Statistik ist die Zahl der Herztransplantationen. Sie hat 2014 mit bundesweit 294 den Tiefstand in den vergangenen 20 Jahren erreicht. Zum Vergleich: 1998 waren es 526. „Es ist ein riesiges Problem, dass wir zu wenig Spender haben. Im UKE hatten wir im vergangenen Jahr 14 Transplantationen, obwohl wir von der Kapazität her 20 bis 30 pro Jahr machen könnten“, sagt Reichenspurner.

Diese Situation führt dazu, dass der Einsatz von Kunstherzen deutlich zunimmt. „2014 haben wir in Deutschland 900 Kunstherzsysteme eingesetzt – etwa dreimal soviel wie Herztransplantationen. Am UHZ waren es im vergangenen Jahr 31“, sagt Reichenspurner. Eingesetzt werden vor allem Systeme, die eine Herzkammer durch eine kleine Pumpe unterstützen. Doch ihre Haltbarkeit ist noch begrenzt. „80 Prozent der Systeme halten mindestens zwei Jahre und die Ergebnisse sind sogar vergleichbar mit der Transplantation, danach sinken aber die Zahlen. Es ist noch keine Dauerlösung, also keine dauerhafte Alternative zur Transplantation. Um das zu erreichen, müssen diese Geräte technisch noch weiter entwickelt werden“, sagt Reichenspurner.

Bei der Lungentransplantation ist die Situation nicht so dramatisch wie bei den Herztransplantationen. „Die Zahl der Transplantationen liegt stabil bei etwas über 300. Das liegt daran, dass wir jetzt auch Lungen verwenden, die wir früher nicht transplantiert haben. Man kann mittlerweile die Lungen mit einer Spüllösung vorbehandeln und erreicht dadurch, dass sich die Funktion von primär nicht transplantablen Organen deutlich verbessert und diese schließlich transplantiert werden können. Die Zahl der Organspender ist in den vergangenen Jahren zwar gesunken, aber der prozentuale Anteil der Spender, von denen Lungen transplantiert werden, ist gestiegen“, erläutert Reichenspurner.