Drei Sternenforscher haben überraschend das unerwartete Schicksal unseres Universums enthüllt. Dafür erhalten sie den Nobelpreis für Physik.

Stockholm. Wer einen Ball in die Luft wirft, erwartet ganz zu recht, dass dieser dank der Gravitation schnell wieder zurückfällt. Überraschend wäre es, wenn sich das Spielzeug stattdessen immer schneller von seinem Besitzer entfernte und rasch in den Wolken verschwände. Eine ganz ähnliche Beobachtung protokollierten die drei Physik-Nobelpreisträger des Jahres 2011: Ihre mehr als ein Jahrzehnt zurückliegende Analyse weit entfernter Sternexplosionen ließ nur den Schluss zu, dass sich das Universum immer schneller und für ewig ausdehnt.

Diese unerwartete Entdeckung verwirrte. Denn bis dahin lautete eine weit verbreitete Meinung, dass sich die mit dem Urknall vor rund 14 Milliarden Jahren begonnene Ausdehnung des Weltalls irgendwann abschwächen werde. Dies hätte zur Folge, dass sich die Sterne langsamer voneinander entfernen – und genau dieses Resultat erwarteten wohl auch Saul Perlmutter, Brian Schmidt und Adam Riess, als sie mit ihren Analysen begannen.

Dazu galt es, weit von der Erde entfernte, aber dennoch sehr helle Objekte im Universum zu finden und deren Helligkeit zu messen. Kandidaten dafür waren extrem helle Sternenexplosionen. Einige Wochen lang kann eine sogenannte Supernova so viel Licht aussenden wie eine ganze Galaxie. Zu solchen Ereignissen kommt es zum Beispiel, wenn ein massereicher Stern hoher Dichte, ein Weißer Zwerg, binnen Sekunden auseinandergerissen wird.

Erst starke Teleskope mit modernen digitalen Kameras machten die automatisierte Suche nach den besonders gut geeigneten „Typ Ia Supernovae“ möglich, für deren Beobachtung und Vermessung jeweils nur wenig Zeit bleibt. Etwa 50 der Explosionen lieferten in den Jahren von 1997 bis 1998 Daten und sorgten damit für die Zweifel: Das von ihnen ausgehende Licht war schwächer als erwartet. Wenn sich die Ausdehnung des Universums abschwächen würde, hätten die Explosionen heller erscheinen sollen.

Damit blieb nur eine unerwartete Erklärung: Die Supernovae entfernen sich vom Beobachter, eingebettet in ihre Galaxien, und das schneller als gedacht. Die Ausdehnung des Universums beschleunigt sich also, statt sich zu verlangsamen.

Hans-Thomas Janka vom Max-Planck-Institut für Astrophysik in Garching urteilte am Dienstag: „Das Bild unseres Weltalls ist revolutioniert worden durch die Beobachtung dieser Supernovae.“ Sein Kollege Lutz Wisotzki vom Institut für Physik und Astronomie der Universität Potsdam ergänzte in Berlin: „Die Entdeckung, die sie gemacht haben, hat die gesamte Wissenschaftslandschaft verändert.“ Das Journal „Science“ erklärte die Resultate bereit Ende 1998 zum „Durchbruch des Jahres“.

Dem folgte aber zwangsläufig die Frage, welche Kraft diese Expansion antreibt. Die Antwort der Physiker lautet derzeit: Dunkle Energie. Diese ist eines der derzeit größten Rätsel der Physik. Niemand weiß, was das genau ist. Aber aus den Arbeiten der drei am Dienstag nominierten Wissenschaftler geht ein überraschender Schluss hervor. Demnach macht die noch nie gesehene oder gemessene Dunkle Energie zusammen mit der gleichermaßen nicht bekannten Dunklen Materie insgesamt 95 Prozent des Universums aus. Für die uns bekannte Welt der Materie mit Galaxien, Sternen, Planeten, Ozeanen, Pflanzen, Tieren und Nobel-Medaillen bleiben demnach gerade einmal 5 Prozent übrig.

„Die Ergebnisse der Physik-Nobelpreisträger 2011 haben dabei geholfen, ein Universum zu enthüllen, das der Wissenschaft zu 95 Prozent unbekannt ist. Und damit ist alles wieder möglich“, begründet das Komitee seine Entscheidung. Es vergab eine Hälfte des Preises an Perlmutter, der das „Supernova Cosmology Project“ leitete. Schmidt war Chef des ähnlich ausgerichteten „High-z Supernova Search Teams“, in dem Riess eine entscheidende Rolle spielte. „Beide Teams sind in der Summe zum selben Ergebnis gekommen. Beide Teams sind also in gleichem Maße würdig, diese Entdeckung für sich zu beanspruchen und den Nobelpreis verdient zu haben“, sagte Janka.