Ein Betroffener schildert, wie er an Burn-out erkrankte - und wie ihm geholfen wurde

Hamburg. Peter mag seinen richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen. Aber der Hamburger erzählt sehr freimütig über die vergangenen drei Jahre, in denen sein Arbeitsleben ihn aus der Bahn geworfen hat. Weil das Tempo ständig zunahm und die tägliche Belastung schließlich so groß wurde, dass er daran dachte, auf dem Weg zur Firma mit dem Rad einen Unfall zu verursachen, um statt im Büro im Krankenhaus zu landen. "Dort hätte ich wenigstens meine Ruhe gehabt."

Peter, 54, arbeitet bei einer Versicherung, und das Burn-out kam schleichend. "Für Menschen, die davon nicht betroffen sind, ist die Krankheit zunächst nicht nachzuvollziehen", sagt er. Auch er hat sich lange gegen das Eingeständnis gewehrt, krank zu sein.

"Als ich vor 30 Jahren bei der Firma anfing, gab es noch Karteikarten und Schreibmaschinen", sagt er. Mit der Einführung des PC nahm der Druck zu. "Und bei der Umstellung auf jedes neue Betriebssystem wurde uns erzählt, dass wir dadurch viel Zeit einsparen werden." Die Realität sah anders aus.

Gleichzeitig wurde den Mitarbeitern mehr Arbeit zugemutet. "Wir sollten immer mehr Fälle in kürzerer Zeit bearbeiten." Entscheidend für seine Depression sei gewesen, dass er den Anspruch hatte, alles zu schaffen.

Er selbst, der auch zugibt, dass sich die Jüngeren natürlich mit der ständig neuen Technik schneller zurechtfinden als die Älteren, fing an zu tricksen. "Ich ging morgens um halb sieben ins Büro, habe mich aber erst anderthalb Stunden später eingestempelt." Oder er stempelte sich um 16.30 Uhr aus, blieb aber dann noch in der Firma. Oder er nahm sich Berge von Akten mit nach Hause, um nicht bei der Bearbeitung immer mehr ins Hintertreffen zu geraten. "Ich habe der Firma in dieser furchtbaren Zeit Hunderte von Überstunden geschenkt", sagt er. Irgendwann hatte er das Gefühl, "dass da ein Zug an mir vorbeifährt, der immer schneller wird und auf den ich nicht mehr draufspringen kann". Er hatte Schlafstörungen, wachte um 4 Uhr auf, ging gedanklich die Aufgaben durch und konnte nicht wieder einschlafen.

Er hatte Angst vor dem ersten Telefonat, das er im Büro führen musste. "Ich habe jeden Tag gesagt, ich muss jetzt in das 'house of horror'." Und irgendwann überlegte er, dass es vielleicht besser wäre, wenn er auf dem Weg ins Büro mit dem Fahrrad bei den brenzligen Situationen mit den Autofahrern mal auf seinem Recht auf Vorfahrt bestehen sollte. "Dann hätte ich mir vielleicht etwas gebrochen, wäre im Krankenhaus gelandet."

Er war so weit, sein Leben zu riskieren, um nicht in die Firma zu müssen.

Als Peter diesen Gedanken seiner Frau erzählte, war das für sie ein letztes Alarmsignal. Sie gingen zum Hausarzt und erzählten ihm, was Sache ist. "Vorher habe ich gedacht, ich kann doch nicht zum Arzt gehen und ihm sagen, ich habe keine Lust zu arbeiten. Oder ich bin zu erschöpft oder schaffe mein Pensum nicht mehr - der hätte mir doch einen Vogel gezeigt."

Sein Arzt reagierte ganz anders. Er schrieb ihn zwei Wochen krank und sagte, daraus könnten auch vier werden. "Er sagte, ich solle jetzt mal nur schöne Dinge tun." Peter sah ein, dass er professionelle Hilfe brauchte. Anfangs ging er einmal die Woche zum Therapeuten, später alle zwei Wochen. Nach 20 Sitzungen ist er heute stabil. Peter hat sein Arbeitsverhalten "extrem geändert", hat verinnerlicht, was der Arzt ihm geraten hat. Dass er mehr als 30 Jahre in der Firma sei und es normal sei, dass er nicht so viel schaffe wie die Jungen.

Und die Kollegen? "Als ich wiederkam, gab es keinen, der mich nicht in den Arm genommen hat." Sie haben für ihn gesammelt, ihm ein Geschenk gemacht. "Ich glaube, sie haben sich ehrlich Sorgen um mich gemacht."