Einige traditionelle Landesküchen haben den Ruf, besonders gesund zu sein. Was ist dran an diesen Mythen um Seefisch und Olivenöl?

Die Deutschen essen zu fettig, die Amerikaner zu viel Fleisch und die Inder ständig Scharfes. Kennen Sie diese Ernährungsvorurteile? Zu verdenken wäre Ihnen das jedenfalls nicht, denn Mythen über Esskulturen beruhen meist auf Grundsätzen der jeweiligen National- und Länderküche und spiegeln im Großen und Ganzen das wider, was eine Bevölkerung gerne und häufig verspeist.

Aber welche Nation ernährt sich besonders gesund, und um welche Küche sollte man besser einen Bogen machen? Diese Frage hat sich im vergangenen Jahr das Magazin "Forbes" gestellt und eine Liste der zehn gesündesten Landesküchen vorgelegt. Das Ergebnis: Am besten ernähren sich die Japaner - gefolgt von den Nationen aus Singapur, China und Schweden. Auf den weiteren Plätzen landeten Frankreich, Italien, Spanien, Südkorea, Israel und Griechenland. Die Liste der Top Ten basierte auf statistischen Werten zu Übergewicht und Sterblichkeit in der Bevölkerung sowie Erfahrungen von Ernährungsberater und Personal Trainer Harley Pasternak, der just vor Veröffentlichung des Forbes-Artikels ein Buch mit dem Titel "Die 5 Faktor Welt-Diät" auf den Markt gebracht hatte.

Doch so wertvoll das Ranking gesunder Landesküchen auf den ersten Blick scheinen mag: Ernährungswissenschaftler halten es für wenig hilfreich. "Sterblichkeitsrate und Zahlen zur Fettleibigkeit einer Bevölkerung sagen nicht unbedingt etwas darüber aus, ob sich die Menschen besonders gesundheitsförderlich ernähren oder eher nicht", sagt Prof. Kirsten Schlegel-Matthies vom Institut für Ernährung, Konsum und Gesundheit der Universität Paderborn.

Die Soziologin rät davon ab, bestimmte Länderküchen als empfehlenswert und andere als grundlegend ungesund zu charakterisieren. Die Gesundheit werde niemals nur von der Ernährung an sich beeinflusst, sondern von vielen Faktoren wie beispielsweise den Genen, der Umwelt oder der Lebensweise. Ähnlich sieht es Prof. Christine Brombach von der Züricher Hochschule für Angewandte Wissenschaften: "Kausalzusammenhänge sind aus Ernährungsstudien nicht so einfach abzuleiten, denn Ernährung ist immer auch ein individueller Faktor", sagt die Wissenschaftlerin.

Sie betont, dass jeder Mensch einen individuellen Stoffwechsel, ein eigenes Bewegungsverhalten und deshalb auch einen speziellen Ernährungsbedarf besitzt. Zwar hört und liest man immer wieder von der gesundheitsfördernden Wirkung bestimmter Landesküchen - die japanische Küche etwa gilt dank Fisch und Sushi als besonders fettarm, die Olivenöl-lastige mediterrane Küche als effektiv gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Auf konkrete Ernährungsempfehlungen wollen sich Gesundheitsexperten jedoch nicht festlegen.

"Die Forschung steht hier ganz am Anfang", betont Brombach, wohl auch deshalb, weil traditionelle Landesküchen ebenfalls Einflüssen unterliegen. "Die Entwicklung der Technik, die Verfügbarkeit der Lebensmittel, die Industrialisierung in der Landwirtschaft, Arbeitszeiten, Reisen - all das beeinflusst unser Essverhalten", sagt Brombach.

So hat beispielsweise die geografische Lage eines Landes einen entscheidenden Anteil daran, welche Lebensmittel beim Kochen verwendet werden können. "Die japanische Küche basiert auf einem hohen Fisch- und Meerestier-Konsum, der eindeutig der Lage des Landes mitten im Meer geschuldet ist", sagt Dr. Jana Rückert-John, Ernährungssoziologin an der Technischen Universität Berlin. Dass die Japaner häufiger zu fettarmem Fisch anstatt zu Fleisch greifen, sei insofern eher eine Konsequenz der lokalen Gegebenheiten und nicht unbedingt eine bewusste Entscheidung zugunsten einer gesunden Ernährung.

Wer die Nahrhaftigkeit einer Landesküche ergründen möchte, muss also geografische, soziale, historische und klimatische Faktoren berücksichtigen. Am Ende, sagt Christine Brombach, enthalte jede Nationalküche gute und weniger gute Elemente. Entscheidend für die Gesundheit sei vor allem eine ausgewogene Lebens- und Ernährungsweise. Und das bedeutet auch: Ausschließlich Obst und Gemüse zu essen bringt nichts, wenn man sich nicht ausreichend bewegt. So gilt wohl überall auf der Welt: Die Mischung macht's - im Leben wie in der Ernährung!