Das Einfrieren von Eierstockgewebe soll krebskranken Frauen die Fruchtbarkeit erhalten. So können sie auch nach der “Chemo“ Kinder kriegen.

Hamburg. Mit der Diagnose "Krebs" verändert sich auf einen Schlag alles. Zukunftspläne verengen sich auf Therapiepläne, die Gedanken kreisen um Operation, Bestrahlung und Chemotherapie. Und vor allem für junge Frauen kommt noch etwas hinzu: Sie müssen ihren Wunsch nach einer eigenen Familie oder weiteren Kindern oft schweren Herzens aufgeben, denn viele Chemotherapien schädigen die Eizellen unwiderruflich. Doch was bis vor einigen Jahren hauptsächlich eine Option für Männer war - die Fruchtbarkeit zu erhalten -, wird auch für Frauen immer realistischer. Eine noch recht neue Methode ist das Tieffrieren von Eierstockgewebe, die sogenannte Kryokonservierung, mit der auch sehr jungen Frauen, die noch keinen Partner haben, nach einer überstandenen Krebserkrankung mit Chemotherapie eine Option auf Kinder eröffnet werden kann.

Bis vor wenigen Jahren hatten junge Frauen, im Gegensatz zu Männern, kaum eine Chance, ihre Fruchtbarkeit bei einer keimzellenschädigenden Chemotherapie zu erhalten. Samenzellen lassen sich leicht gewinnen und einfrieren und stehen auch viele Jahre später noch für eine Befruchtung zur Verfügung. Bei Frauen ist das viel komplizierter. Um Eizellen zu gewinnen, ist meistens eine hormonelle Stimulation nötig, für die oft nicht mehr genug Zeit ist und die sich bei hormonempfindlichem Brustkrebs von selbst verbietet. Auch wenn Eizellen gewonnen werden können, ist nicht sicher, dass sie Jahre später noch befruchtet werden können, da sie sehr sensibel auf das Einfrieren reagieren, wenn sie sich nicht mehr im Gewebeverband befinden. In einer Partnerschaft besteht die Möglichkeit, die Eizellen im bereits befruchteten Zustand (Vorkernstadium) tiefgefroren aufzubewahren; eine Option, die für Frauen ohne Partner nicht besteht.

Viele der etwa 9000 jungen Frauen bis Ende 30, die jedes Jahr in Deutschland an Krebs erkranken, haben heutzutage dank besserer Therapien gute Heilungschancen, sodass ein Gespräch über einen möglichen Kinderwunsch selbstverständlicher werden sollte. Prof. Christoph Lindner, Chefarzt der Frauenklinik am Agaplesion-Diakonieklinikum, sieht gerade für junge Frauen mit Brustkrebs eine große Chance, sich ihre Fruchtbarkeit ohne Eizellenentnahme zu erhalten. "Gerade weil die Heilungschancen bei jungen Brustkrebspatientinnen immer besser werden, ist es wichtig, so früh wie möglich darüber zu sprechen, ob ein Kinderwunsch besteht", so Lindner. Da meist zwischen Diagnose und Therapiebeginn etwa zwei Wochen liegen, ist genug Zeit, in einer ruhigen Beratung diese Frage zu besprechen.

Wenn sich die Frau für die Maßnahme der Eierstockkonservierung entscheidet, können die entsprechenden Schritte eingeleitet werden. "Die Entnahme des Eierstock-Gewebes wird per Bauchspiegelung durchgeführt und ist eine Routine-Operation", erläutert Lindner. Der Arzt entnimmt dabei durch einen kleinen Schnitt in der Bauchdecke ein etwa drei bis vier Zentimeter großes Stück Eierstockgewebe. Anschließend wird das Gewebe, das Tausende von Eizellen enthält, in hauchfeine Scheiben von ein bis zwei Millimeter Dicke geschnitten. Das ist notwendig, damit das Frostschutzmittel überall eindringen kann und die Zellen durch die Kälte nicht zerstört werden. Aus jeder Gewebeprobe entstehen so bis zu 40 solcher Scheibchen, die dann bis minus 196 Grad abgekühlt und in flüssigem Stickstoff gelagert werden.

Wenn nach einer erfolgreichen Tumortherapie die Eierstöcke nicht wieder in vollem Umfang anfangen zu arbeiten und die Frau eine Schwangerschaft wünscht, kann das Gewebe aufgetaut und zurückgepflanzt werden. Es gibt zwei Möglichkeiten: Es kann direkt unter die Bauchdecke oder zurück auf den Eierstock transplantiert werden. Bei der Bauchdeckentransplantation ist der Eingriff kleiner, die reife Eizelle muss jedoch abgesaugt und künstlich befruchtet werden, weil sie nicht über den Eileiter in die Gebärmutter transportiert werden kann. Bei einer Transplantation auf den restlichen Eierstock ist theoretisch eine normale Schwangerschaft möglich.

Theoretisch, denn die Erfolgsaussichten einer Schwangerschaft nach Kryokonservierung sind noch recht gering. Weltweit leben bis jetzt etwa 14 Kinder, die nach Retransplantation des Eierstockgewebes geboren wurden, davon keines in Deutschland. Die Erfolgsquoten sind unbekannt, denn es gibt kein weltweites Dokumentationssystem über alle durchgeführten Eierstock-Konservierungen, Retransplantationen und erfolgreiche Schwangerschaften. "Noch sind wir in einer experimentellen Phase", sagt Lindner.

Auch Prof. Hans van der Ven, Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für gynäkologische Endokrinologie und Fortpflanzungsmedizin, weist auf den Entwicklungsstand der neuen Methode hin: "Es gibt noch keine international gültigen Standards und Einfrier-Protokolle. Wir tauschen uns intensiv aus - in Deutschland seit fünf Jahren im Netzwerk FertiProtekt." Dieses hat den Charakter einer Langzeitbeobachtung, da in ihm mehrere Methoden des Fruchtbarkeitsschutzes unter kontrollierten, transparenten Bedingungen angeboten werden.

Natürlich müssen auch die Risiken dieser Methode betrachtet werden. Da ist zum einen die Möglichkeit, dass das Gewebe nicht wieder anwächst. "Das kann geschehen, wenn es sich beim Einfrieren oder Auftauen verändert", sagt Lindner. Rein theoretisch könnten sich auch Krebszellen im Eierstock befinden, ein Risiko, das bei Tumoren wie Leukämie oder Morbus Hodgkin größer ist als bei festen Tumoren. Und da die Kryokonservierung keine Kassenleistung ist, müssen die Kosten in Höhe von circa 2000 Euro selbst bezahlt werden. Allerdings, so van der Ven, lohne es sich, mit der Krankenkasse wegen einer Kostenübernahme zu verhandeln.

Er sieht noch einen weiteren Vorteil der Kryokonservierung: "Die Beschäftigung mit dem Gedanken an Kinder ist für viele der jungen Frauen in dieser schwierigen Situation oft eine psychologische Aufbauhilfe, eine Zukunftsoption, die sie stärkt."