Vor dem Uno-Klimagipfel plädiert Ottmar Edenhofer für Emissionszertifikate auch für den Verkehr und für Gebäude

Potsdam. Am kommenden Montag beginnt der nächste Uno-Klimagipfel in Cancun (Mexiko). Das Abendblatt sprach mit dem Ökonom Prof. Ottmar Edenhofer über mögliche Wege zu einem konsequenten Klimaschutz. Edenhofer ist stellvertretender Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung und leitet die Arbeitsgruppe III des Weltklimarats, die sich mit wirtschaftlichen Fragen befasst.

Abendblatt:

Herr Edenhofer, in welchem der Bereiche der Klimakonvention - von der Senkung des CO2-Ausstoßes im Energiesektor bis zum Waldschutz - erwarten Sie am ehesten Fortschritte in Cancun?

Ottmar Edenhofer:

Das ist kaum abzuschätzen, Prognosen wären reine Kaffeesatzleserei. Die Aussichten, irgendetwas Substanzielles zu erreichen, sind jedoch leider sehr gering. Nach Cancun wird sicherlich die Frage diskutiert werden, wie der gesamte Prozess weitergehen soll.

In welche Richtung kann es gehen?

Edenhofer:

Eine zusätzliche Verhandlungsplattform ist die G20, aber man sollte auch mal ganz neu denken. So könnte auch etwa auf der Ebene von Städten verhandelt werden: Die 30 größten Städte der Welt könnten sich gemeinsam Gedanken machen, wie sie ihre Emissionen im Stromsektor reduzieren können. Im Transportsektor könnten Mautgebühren die Innenstädte entlasten und damit auch zum Klimaschutz beitragen. Die Wirtschaft ließe sich dabei hervorragend einbeziehen.

Die Uno ist eine wichtige Institution, aber man muss den Blick weiten auf Akteure, die man bislang kaum anspricht. Und: Wir können eine Menge erreichen durch scheinbar unspektakuläre Maßnahmen wie die Abschaffung der Subventionen von fossilen Energieträgern. Dies war immerhin eines der Versprechen der G20-Runde im September 2009.

Welche Rolle spielt der internationale Emissionshandel der EU?

Edenhofer:

Er könnte ein Exportprodukt werden, wenn wir ihn vernünftig reformieren würden. Werden Emissionsrechte weltweit gehandelt, wird damit über die Marktmechanismen der Anreiz gesetzt, den Ausstoß von Treibhausgasen dort zu verringern, wo dies am kostengünstigsten möglich ist. So etwas kann die Effizienz des Klimaschutzes enorm steigern. In den nächsten zehn Jahren werden die größten Infrastrukturprojekte in Asien und Lateinamerika getätigt, vom Straßenbau bis hin zu Kraftwerken. Dort wird über die Emissionen der Zukunft entschieden. Diese Infrastrukturen sehen anders aus, wenn sie in der Erwartung von hohen CO2-Preisen geplant werden.

Muss man bei Klimaverhandlungen immer nur über Einschränkungen sprechen? Wäre es nicht konstruktiver, Anreizsysteme zu entwerfen, etwa zur Nutzung von erneuerbaren Energien?

Edenhofer:

Man muss beides tun. Um die Anreize richtig zu setzen, braucht man Ziele und Instrumente, mit denen diese erreicht werden sollen. Es ist nicht hilfreich, beides zu entkoppeln. Die erneuerbaren Energien stärker zu nutzen, ist eine von mehreren Möglichkeiten, die Emissionen zu senken. Aber zunächst muss sich aus einem ehrgeizigen Reduktionsziel ein CO2-Preis ergeben. Er gibt dann den Anreiz, bestimmte Technologien in den Markt einzuführen. Wir können nur noch etwa 840 Milliarden Tonnen CO2 in der Atmosphäre abladen und emittieren derzeit 30 Milliarden Tonnen pro Jahr. Die Zeit drängt also ...

Was halten Sie von dem Ansatz, den verbleibenden "Deponieraum" der Atmosphäre auf die Länder nach ihrem Anteil an der Weltbevölkerung aufzuteilen, jedem Land bis zum Jahr 2050 ein festes Budget zu geben?

Edenhofer:

Ohne globalen Emissionshandel ist der Budgeteinsatz nicht realisierbar, mit Emissionshandel sehr wohl. So könnten die Industriestaaten, die ihr Budget nach wenigen Jahren oder Jahrzehnten ausgeschöpft haben, etwa Emissionsrechte von afrikanischen Ländern kaufen, die ihr Budget bei Weitem nicht nutzen. Das nützt dann beiden Seiten - und vor allem natürlich dem Planeten.

Das wird für Deutschland oder die USA aber richtig teuer.

Edenhofer:

Wenn alle mitmachen, dann geht's. Wenn die billigen Vermeidungsoptionen etwa in China wirklich ergriffen werden, dann senkt das den CO2-Preis. Noch mal: Handel heißt, dass ich mir die billigsten Vermeidungsoptionen weltweit suche.

Ein Drittel des globalen Treibhausgas-Ausstoßes stammt aus der Landwirtschaft. Sollte man sie in den Emissionshandel integrieren? Geht das überhaupt angesichts der vielen Kleinbauern?

Edenhofer:

Wir wären in Europa schon gut aufgestellt, wenn wir alle wichtigen Emissionen des Energiebereichs in den Emissionshandel einbeziehen würden, etwa auch den Verkehrssektor und Gebäude. Natürlich gibt es noch andere Treibhausgase, Methan und Lachgas aus der Landwirtschaft. Diese Debatte muss man irgendwann führen. Doch zum jetzigen Zeitpunkt wäre sie viel zu kompliziert - zunächst ist eben doch CO2 entscheidend, um das Ziel zu erreichen, die globale Erwärmung bis zum Ende dieses Jahrhunderts auf etwa zwei Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu beschränken.

Beim Waldschutz entsteht derzeit ein Fonds, der Entwicklungsländer dafür entschädigt, dass sie ihre Wälder weitgehend unberührt lassen. Wo soll dieses Geld herkommen?

Edenhofer:

Es ist richtig, dass diejenigen, die die Wälder als globale grüne Lungen zur Verfügung stellen, dafür entgolten werden. Aber man darf sich keine Illusionen machen: Der steigende Ölpreis wird die Nutzung von Biosprit in die Höhe treiben. Das macht es immer lukrativer, Wälder umzuwandeln zu Plantagen für Zuckerrohr oder Mais, aus denen dieser Biosprit hergestellt wird. Zugleich muss die Nahrungsmittelproduktion wachsen, weil die Weltbevölkerung zunimmt. Im Ergebnis gibt es beispielsweise in Indonesien mehr Abholzung. Im Jahr 2003 zeigte sich erstmals in der Menschheitsgeschichte: Die Energiemärkte bestimmen ganz entscheidend mit, was auf den Agrarmärkten passiert; hohe Öl- und Nahrungsmittelpreise forcieren die Entwaldung. Mittelfristig werden die Kosten des Waldschutzes steigen, ein internationaler Waldschutzfonds würde seine Auszahlungen ständig erhöhen müssen.

Wer zahlt in diesen Fonds ein?

Edenhofer:

Diejenigen, die die Atmosphäre mit ihrem Ausstoß an Treibhausgasen jetzt schon stark belasten, werden einzahlen müssen. Dafür wird es zunächst wohl wenig Bereitschaft geben. Aber wir müssen lernen, dass wir für die Nutzung der globalen Menschheitsgüter zahlen müssen. Die Wälder, die Atmosphäre und die Ozeane sind solche Güter.

Was halten Sie davon, dass man zum Beispiel seine Flüge durch Waldschutzprojekte kompensiert?

Edenhofer:

Dabei wird oft davon ausgegangen, dass durch Aufforstungen das CO2 gebunden werden kann, das ich durch das Fliegen verursache. Derlei ist gut gemeint, löst aber das Kernproblem nicht, weil hier keine Emissionen reduziert werden. Wir müssen Abholzung verhindern. Wir werden erhebliche Steuermittel aufbringen müssen, um einen Fonds wie den derzeit diskutierten zu bestücken. Deshalb warne ich davor, den Fonds als einfache und billige Lösung anzupreisen.