Naturtextilien sind in vielen Warenhäusern und Boutiquen zu finden, Spezialanbieter bilden jedoch nur eine Marktnische. Sie diskutieren über ökologische Innovationen.

Im Schatten der Biolebensmittel keimt seit einigen Jahren eine zarte grüne Pflanze, die allmählich zu wachsen beginnt: die Ökomode. Biobaumwolle hat längst ihren Platz im Textilmarkt - sie machte Walmart zum größten Naturtextil-Anbieter, gefolgt von C & A und Nike. Ökomode-Spezialisten sind dagegen eher rar - das größte deutsche, europaweit führende Unternehmen, HessNatur, belegt Platz zehn auf der Anbieter-Rangliste. Doch gerade von den Spezialisten erwarten Experten Innovationen, bis hin zum Einsatz alternativer Rohstoffe wie Seegras oder Sägespäne.

Ausgangsmaterialien aus pflanzlichen Abfällen könnten, ähnlich wie dies derzeit für Biokraftstoffe diskutiert wird, die Ökobilanzen der Naturtextilien womöglich weiter verbessern. Schließlich entfallen die Umweltbelastungen auf den Feldern. Denn auch die Biovariante des Baumwollanbaus braucht Fläche und Wasser, wenn auch die Erzeugung deutlich umweltschonender ist als der Intensiv-Anbau der konventionellen Baumwolle.

Nach einer Ökobilanz für Textilfasern vom Beratungsbüro Brown & Wilmanns Environmental (Santa Barbara, Kalifornien) schneiden recycelte Baumwolle, recyceltes Polyester, Bioleinen und -hanf am besten ab. Ob deren Umweltverträglichkeit durch Fasern aus pflanzlichem Abfall überhaupt zu toppen wäre, bezweifeln Experten. Schließlich müssten Holzspäne, Seegras und andere Faserstoffe zuerst einen aufwendigen Veredelungsprozess durchlaufen, bevor sie zu verspinnen seien.

Solche Prozesse lassen derzeit die aus Zellulose gewonnene "Naturfaser" Viscose ökologisch blass aussehen: Sie gehört in der Ökobilanz aus Kalifornien neben konventioneller Baumwolle, allerlei Synthetikfasern und Wolle zu den Schlusslichtern (mit der Ausnahme der Viscose-Art "Lenzing Modal", die umweltschonender produziert wird).

Rolf Heimann, bei HessNatur für den Bereich Innovationen und Ökologie zuständig, führt beim Stichwort Biomasseabfälle das Negativ-Beispiel Viscose an. Er hält wenig von der neuen vermeintlichen Rohstoffquelle: "Der Einsatz solcher Exoten macht keinen Sinn. Die Ausgangsmaterialien können nicht die hohen Qualitätsanforderungen an Textilfasern erfüllen. Es gibt genügend erprobte Naturfasern, mit denen wir arbeiten können."

Der Hamburger Naturtextilexpertin und Buchautorin Dr. Kirsten Brodde (Saubere Sachen, Verlag Ludwig) sind solche Antworten leidlich vertraut: "In den USA wird die Debatte über den Einsatz von Seegras und Holzabfällen geführt, hier in Deutschland tut man sich damit schwer." Allerdings mahnt auch sie, nicht nur auf den Rohstoff zu schauen, sondern auf den "gesamten Prozessweg bis zum fertigen Textil".

Erste Ansätze, alternative Fasern zu verarbeiten, gab es auch schon in Deutschland. Heinrich Kranz, der im Wendland Brennnesseln anbauen ließ, um die Ernte zusammen mit Baumwolle zu Mischgeweben zu verarbeiten, wurde 2006 zum "Öko-Manager des Jahres" gekürt. Inzwischen sei seine Firma Stoffkontor in Lüchow insolvent, sagt Heimann. "Es gab Probleme von der Fasergewinnung bis zum Spinnen."

Während es vor einigen Jahren einen Engpass an Biobaumwolle gab, herrscht heute ein Überangebot, erklärt der Naturtextilexperte Heimann, seit vielen Jahren im Vorstand des IVN (Internationaler Verband der Naturtextilwirtschaft). Auch deshalb sieht er keine Notwendigkeit, neue Fasern einzusetzen.

Der internationale GOTS-Standard (Global Organic Textile Standard) garantiert weltweit die Anwendung relativ strenger Kriterien bei der Verarbeitung von Biofasern. Neben Baumwolle verweben und verstricken die Hersteller Hanf, Leinen und Seide aus kontrolliert biologischem Anbau, setzen Schaf- und Angorawolle ein, experimentieren mit tropischem Kapok (Seidenwollbaum) oder dem flauschigen Unterhaar von Yaks, den bulligen Rindern der Mongolei und aus Himalaja-Staaten.

Mit dem vielfältigen Angebot an Fasern und dem GOTS-Standard wuchs die Zahl der biozertifizierten Stoffe, betont Christoph Dahn, Großhändler für Ökotextilien: "Konventionelle Designer haben generell eine Auswahl von Millionen Stoffen. Biostoffe waren vor fünf Jahren kaum zu finden. Heute haben engagierte grüne Modemacher eine solide Auswahl, um Konfektionen herzustellen." Sie müssen nur noch anfangen zu schneidern, damit der grüne Spross des Textilmarktes kräftig gen Himmel strebt.