Hamburger Friedensforscherin befragte 30 Flüchtlingsfamilien und sieht Zusammenhänge zum Aufbegehren gegen Präsident Assad.

Hamburg. Der Nordosten Syriens gehörte zu den landwirtschaftlich ertragreichsten Regionen des Nahen Ostens. Von 2006 bis 2010 herrschte dort jedoch eine der verheerendsten Dürren seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Missernten und steigende Nahrungsmittelpreise waren die Folge. Die traditionell und kleinbäuerlich geprägte Bevölkerung war diesen Problemen nicht gewachsen. Von der autokratischen Regierung waren für solch katastrophale Zustände kaum Vorkehrungen getroffen worden.

Wissenschaftlich gesehen sprechen wir in einer solchen Situation von fehlender Resilienz (Widerstandsfähigkeit) – in diesem Fall der mangelnden Fähigkeit, sich an klimatische und wirtschaftliche Veränderungen anzupassen. In Folge der Dürre verloren 1,5 Millionen Bauern und Viehzüchter ihren Lebensunterhalt und zogen in weniger betroffene Gebiete des Landes.

Im Süden Syriens ließen sich viele der geflohenen Familien vorerst nieder. Dort wurden im März 2011 auch erste Stimmen gegen das Regime al-Assads laut. Die Proteste wuchsen zu einem Bürgerkrieg, der bis heute andauert. Viele der Migranten aus dem Norden flohen daraufhin weiter Richtung Jordanien, Türkei und Libanon – dieses Mal als Kriegsflüchtlinge.

Als Friedensforscherin im Klimaexzellenzcluster CliSAP der Universität Hamburg interessiert mich, welche Faktoren die Migration in Syrien gesteuert haben und ob und inwieweit die Umweltflüchtlinge an den Protesten beteiligt waren. Die Ergebnisse könnten Aufschluss darüber geben, wie Klimaänderungen und deren Folgen generell als treibende Kraft in Konflikten zu bewerten sind. 2014 war ich deshalb vier Wochen in jordanischen Flüchtlingslagern unterwegs und habe 30 syrische Familien mit bis zu 35 Mitgliedern interviewt. Unter anderem habe ich gefragt, ob sich in den Dürrejahren die Wasserversorgung und Ernteerträge verändert haben und inwieweit das die Entscheidung zur Flucht beeinflusst hat. Ich habe auch gefragt, ob die Flüchtlinge direkt an den Protesten beteiligt waren. Demnach haben sich die Geflohenen wegen ihrer schwierigen Gesamtsituation und aus Angst zwar nicht selber an den Protesten beteiligt; die Dürre und die fehlende politische Unterstützung der Landbevölkerung haben die Proteste jedoch angeheizt.

Viele der Geflohenen planen nach Beendigung der Unruhen in ihre syrische Heimat und in die Landwirtschaft zurückzukehren. Doch der Weltklimarat warnt vor den Klimaänderungen im Nahen Osten. Dürrephasen gehören zwar seit jeher zum dortigen Klima, Beobachtungen zeigen aber: In den letzten 20 Jahren waren die Winter sehr viel trockener als in den 80 Jahren davor. Bis Ende des Jahrhunderts erwarten Forscher im Norden Syriens einen weiteren Rückgang der durchschnittlichen Niederschläge um 20 Prozent und einen Anstieg der mittleren Temperatur um vier Grad Celsius.

Um den syrischen Bauernfamilien eine Rückkehr zu ermöglichen, sind neue Strukturen nötig. Das Wasser effektiver zu nutzen und alternative Einkommensmöglichkeiten zur Landwirtschaft auszuloten, würde die Klimaanpassung erleichtern. Fest steht: Wer auch immer Syrien nach dem Krieg regieren wird, wird sich den Folgen des Klimawandels stellen müssen.

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