Auch bei schweren Erkrankungen kann Sport eine gute Therapie sein, zeigt eine neue Studie. Schon mäßige Bewegung fördert die Gesundheit.

Berlin/Hamburg. Schinden oder schonen? Für Menschen mit Herz-Kreislauf-Problemen oder Diabetes scheint die Antwort klar zu sein: schonen natürlich. Tatsächlich können sich Beschwerden durch Inaktivität aber verschlechtern. Schon mäßige Bewegung hingegen fördert die Gesundheit. Einen sehr deutlichen Effekt erreichen oft jene, die sich mehr anstrengen: Wer statt eines täglichen Spaziergangs regelmäßig eine halbe Stunde lang intensiv trainiere, könne den Effekt fast verdreifachen, sagte Martin Halle, Professor für Sportmedizin, am Mittwoch in Berlin.

In einer Studie im Auftrag der Techniker Krankenkasse (TK) konnte der Münchner Wissenschaftler zeigen, dass besonders Herzpatienten und Diabetiker von einer täglichen Dosis Sport profitieren. Sechs Monate lang trainierten 400 herz- oder zuckerkranke Probanden mit einem Durchschnittsalter von 65 Jahren zunächst unter medizinischer Aufsicht und später auch allein. Die Frage war: Gelingt es auch im höheren Alter noch, den Lebensstil zu ändern – gerade bei Menschen, die kaum noch Mut oder Antrieb haben, sich sportlich zu bewegen? „Der Schritt von der Inaktivität zum ersten Mal ist der größte“, sagt Halle. Die Scheu vor der Bewegung sei groß.

Studienergebnisse machen Mut

Die Studienergebnisse dürften jedoch Mut machen. Danach verringerte sich nach sechsmonatigem Training und zuletzt intensiver Belastung bei den im Durchschnitt 65 Jahre alten Patienten das Gewicht; auch die Cholesterinwerte und der Langzeitblutzuckerwert wurden besser. Die Sauerstoffaufnahme pro Kilogramm Körpergewicht habe deutlich zugenommen, die Leistungsfähigkeit sei deutlich gestiegen. „Und insulinpflichtige Patienten konnten durch die gesteigerte körperliche Aktivität ihren Verbrauch an Insulin deutlich reduzieren“, sagte Halle.

Grundsätzlich könne man auf der Basis der Studie sagen: „Überlebenswichtige Gesundheitsparameter lassen sich mit Sport auch im höheren Lebensalter langfristig verbessern. So stieg die Leistungsfähigkeit nach sechs Monaten um fast ein Zehntel, der Insulinbedarf reduzierte sich um knapp die Hälfte (46 Prozent) und die Herzfrequenz verbesserte sich in dem Maße, als wenn die Patienten ein entsprechendes Medikament genommen hätten.“

Für das tägliche Kraft- und Kreislaufprogramm müsse niemand ins Fitnessstudio gehen oder aufwendige Trainingsgeräte und teure Sportkleidung kaufen: Eine medizinisch fundierte Anleitung, bequeme Schuhe und ein Gymnastikband reichten vollkommen aus, sagte Halle.

„Sport als Therapie“ könne nicht nur Risikopatienten helfen, sondern auch die hohen Kostensteigerungen für Medikamente eindämmen, sagte der Vorsitzende der TK, Jens Baas. Über sieben Millionen Menschen in Deutschland litten an Diabetes, fünf Millionen an Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Allein die Behandlung im Bereich Herz-Kreislauf koste jährlich 40 Milliarden Euro. Seit 2000 hätten sich hier die verordneten Medikamente nahezu verdoppelt. Dass die Zahl übergewichtiger Menschen und damit der Kandidaten für typische Zivilisationskrankheiten steige, sei auf den Lebensstil zurückzuführen. Baas räumte ein, dass es schwierig sei, die Risikopatienten anzusprechen und zu motivieren, diese Sporttherapie anzugehen.

Baas ging es bei der Studie darum, „ein alltagsfähiges Programm zu entwickeln, das auf Eigenverantwortung setzt und den Menschen dabei hilft, ihren Alltag besser meistern zu können“. Die Ergebnisse zeigten, „dass wir mit einer Mischung aus sportmedizinischer Betreuung, aktiver Trainingshilfe und motivierendem Coaching auf dem richtigen Weg sind“. Ab Herbst soll TK-versicherten Krebspatienten ein ähnliches Programm angeboten werden.

Beim Sport werden Botenstoffe freigesetzt, die der Gesundheit dienen

Auf große Freude stießen die Ergebnisse in Hamburg. „Damit bestätigt eine Krankenkasse, was wir seit Jahren predigen“, sagte Klaus-Michael Braumann, Professor für Sportmedizin an der Uni Hamburg. „Bewegung wirkt nicht nur präventiv, sondern sie kann auch eine echte Alternative zu einer Therapie, mindestens aber eine Co-Therapie sein.“ Vereinfacht dargestellt würden durch Inaktivität vom Körperfett Botenstoffe hergestellt, die etwa den Blutdruck hochtreiben oder Entzündungsreaktionen auslösen könnten. „Bei jeder Form von Muskeltätigkeit hingegen werden Botenstoffe gebildet, die solche negativen Effekte neutralisieren können“, sagte Braumann.

Er rät dazu, sich bei chronischen Erkrankungen von einem Sportmediziner beraten zu lassen, in welcher Form Sport und Bewegung sinnvoll sein könnte. Es sei möglich, diese Beratung im Rahmen einer sportmedizinischen Untersuchung zu erhalten, die von vielen Kassen bezahlt werde.