Die milde Witterung besiegelt neuen Spitzenwert für 2014. Auch global zeichnet sich ein neuer Höchstwert ab. Weiße Weihnacht bleibt für dieses Jahr ein Traum. Meeresbewohner der Ostsee profitieren.

Hamburg. Weiße Weihnacht? Die gibt es 2014 in weiten Teilen Deutschlands höchstens als Tisch- nicht jedoch als Schneedecke. Vielmehr steht schon zwölf Tage vor dem Jahreswechsel fest: 2014 wird einen neuen deutschen Wärmerekord erreichen, der bislang vom Jahr 2007 gehalten wird. Damals betrug die Jahres-Durchschnittstemperatur 9,9 Grad. Jetzt zeichnet sich ein Mittelwert von 10,3 Grad ab.

Womöglich werde der Jahreswert mit den kommenden milden Tagen sogar noch etwas ansteigen, sagt Thore Hansen, Meteorologe am Institut für Wetter- und Klimakommunikation in Hamburg. Auf jeden Fall liegt die Temperatur mehr als zwei Grad über dem langjährigen Mittel von 1961 bis 1990 (8,2 Grad) und 0,4 Grad über dem alten Höchstwert. „Ein solch großer Abstand zum bisherigen Rekordhalter ist sehr ungewöhnlich“, sagt Hansen, „das bisher zweitwärmste Jahr 2007 liegt mit 9,87 Grad gerade mal 0,01 Grad hinter dem Wert aus dem Jahr 2000“.

„Die Entwicklung der letzten Jahre passt sehr gut in das Bild eines langfristigen Temperaturanstiegs, auch wenn es prinzipiell nicht möglich ist, anhand weniger Jahre Aussagen über den durch den Menschen verursachten Klimawandel abzuleiten“, heißt es in einer Stellungnahme des Deutschen Klimakonsortiums (DKK). In ihm sind die großen deutschen Klimaforschungszentren vereinigt, auch das Exzellenzcluster CliSAP und das Deutsche Klimarechenzentrum in Hamburg sowie das Helmholtz-Zentrum Geesthacht.

Um die Erderwärmung zu erfassen, müsse die globale Jahrestemperatur betrachtet werden, so das DKK: „Nimmt man hierfür die vorläufigen Daten für die Monate Januar bis November 2014 als Anhaltspunkt, dann fallen jetzt 14 der 15 wärmsten Jahre in das 21. Jahrhundert.“ Nach den Daten der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) vom Januar bis Oktober könnte 2014 auch auf globaler Ebene ein Rekordjahr werden: In den ersten zehn Monaten lagen die Temperaturen 0,57 Grad über dem Durchschnitt der Jahre 1961 bis 1990, im wärmsten Jahr (2010) waren es in diesem Zeitraum 0,56 Grad.

Größte Erwärmung in den Ozeanen

Die Klimaforscher des DKK halten es jedoch für verfrüht, um aus den Spitzenwerten ein Ende der Erwärmungspause abzuleiten, die in den vergangenen 15 Jahren gemessen wurden: „Die globale Erdoberflächentemperatur unterliegt Schwankungen von Jahr zu Jahr und von Jahrzehnt zu Jahrzehnt. Erst mit den Folgejahren wird sich beurteilen lassen, inwieweit die globale Erwärmung der Erdoberfläche wieder Fahrt aufgenommen hat.“

Die größte Erwärmung habe es ohnehin in den Ozeanen gegeben, schreibt das DKK: „Die Weltmeere haben in den vergangenen 40 Jahren gut 90 Prozent der Energie gespeichert, die aufgrund der erhöhten Treibhausgas-Konzentrationen zusätzlich im Klimasystem verblieben ist.“

Aus deutscher Sicht sind vor allem stürmische Tiefdruckgebiete schuld, dass der Winterbeginn ins lauwarme Regenwasser fiel. Erst fegten Orkantief „Alexandra“ und das Randtief „Billie“ stürmisch über das Land, dann übernahm „Doris“, und nun folgt das Tief „Engel“. Hansen: „Abgesehen vom Sonntag gibt es auch in den kommenden Tagen meist viel Wind“, im Norden voraussichtlich bis Heiligabend. „Erst über die Weihnachtsfeiertage könnte es etwas nachlassen“, so Hansen. Die durchziehenden Niederschlagsfronten hätten mal mehr, mal weniger milde Luftmassen im Gepäck. „Winterliche Stimmung kommt bei einzelnen Graupelschauern jedoch nicht auf“, sagt der Meteorologe.

Luftmassen kämpfen um die Vorherrschaft

Der Deutsche Wetterdienst (DWD) spricht vom „Kampf um die Vorherrschaft von unterschiedlich temperierten Luftmassen“, der sich von Irland bis Estland abspiele. Am Donnerstag haben warme Luftmassen Deutschland Höchsttemperaturen von mehr als zehn Grad beschert. Dieser Übergangsbereich sei auch geprägt durch wiederholt von West nach Ost durchziehende Regengebiete, so der DWD – „von winterlichem Wetter, selbst in den Mittelgebirgslagen, können wir nicht weiter entfernt sein“.

Die Meeresbewohner der Ostsee bekommen durch die wenig winterliche Witterung dagegen ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk: Wissenschaftler des Geomar Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung (Kiel) messen derzeit deutlich höhere Salzgehalte in der Ostsee – ein Zeichen, dass massiv Nordseewasser und mit ihm Sauerstoff in das Binnenmeer einströmt. Es sei auf die Frischwasserzufuhr angewiesen, und die jetzt gemessenen Daten deuteten auf den größten Salzwasser-Nachschub seit mehr als zehn Jahren hin.

Messungen an der sogenannten Darßer Schwelle vor der Halbinsel Fischland-Darß-Zingst hätten ergeben, dass sich der Salzgehalt seit dem 3. Dezember mehr als verdoppelte, von acht auf 17,5 Promille. „Die Fähre MS Finnmaid registrierte am 14. Dezember sogar mehr als 20 Promille Salzgehalt. Das ist schon sehr ungewöhnlich“, erläutert der Geomar-Ozeanograf Dr. Andreas Lehmann. Bleibt ein kleiner Trost für alle Landbewohner, die unter dem stürmisch-trüben Wetter leiden: Für die Ostsee-Lebewesen sind die Winterstürme eine wertvolle Atemhilfe.