Kann WLAN der Gesundheit schaden? Völlig ausschließen lässt sich das nicht – bisher spricht allerdings nur wenig dafür

Drahtlose Netzwerke werden immer beliebter: Etliche Flughäfen, Einkaufszentren und Cafés bieten Kunden mittlerweile ein „Wireless Local Area Network“, kurz WLAN an. Ab 2016 soll WLAN in allen ICE-Zügen kostenlos nutzbar sein, wie Bahnchef Rüdiger Grube ankündigte. Auch viele Haushalte setzen auf die Technik, um im Internet zu surfen oder Computer, Drucker und Fernseher miteinander zu verbinden. Statt über Kabel werden Daten dabei per Funk übertragen, mittels hochfrequenter elektromagnetischer Strahlung. Die eingebundenen Geräte können Daten senden und empfangen – ein WLAN-Router ist also ebenso eine Strahlungsquelle wie ein Tablet.

Kaum jemand bezweifelt, dass WLANs praktisch sind. Umstritten ist allerdings seit Jahren, ob die Strahlung ein Gesundheitsrisiko darstellt. In Hamburg bekommt das Thema zusätzliche Relevanz, weil die Stadt kürzlich eine große WLAN-Initiative startete.

Inzwischen hat die Diskussion die Schullandschaft erreicht. Bis zum Jahreswechsel soll an sechs Schulen ein Pilotprojekt mit Laptops, Tablets und WLAN starten – keine gute Idee, findet der BUND. Es liege „umfangreiches Beweismaterial über die Schädlichkeit“ von WLAN-Strahlung vor, sagt Ellen Kruse, Sprecherin des BUND-Arbeitskreises Elektrosmog. Biologische Risiken seien auf „anerkannter wissenschaftlicher Ebene“ bestätigt worden. „Leider werden diese Ergebnisse auch aufgrund der wirtschaftlichen Bedeutung der digitalen Medien nicht kommuniziert.“

Stimmt das? Sind WLANs gefährlich für die Gesundheit? Die kurze Antwort lautet: Es lässt sich nicht völlig ausschließen – bisher spricht allerdings nur wenig dafür.

Fachleute unterscheiden zwischen ionisierender Strahlung, die Moleküle dauerhaft verändern kann (dazu zählen etwa Röntgenstrahlung und Strahlung aus radioaktiven Stoffen) und nicht ionisierender Strahlung, zu der unter anderem jene Strahlung gezählt wird, die durch Handys und WLANs entsteht. Ob und inwiefern von beiden Strahlungsarten eine Gefahr ausgeht, bewerten Behörden und Institutionen. In Deutschland tut dies etwa das Bundesamt für Strahlenschutz. Mit nicht ionisierender Strahlung beschäftigt sich auf internationaler Ebene die Kommission ICNIRP. Dieses Gremium empfiehlt seit 1998 einen Grenzwert zum Schutz vor dieser Strahlung. Deutschland ist dieser Empfehlung wie viele andere Länder gefolgt.

Die Grundlage für den Grenzwert ist folgender Umstand: Wissenschaftlich nachgewiesen ist bisher nur, dass hochfrequente Strahlung von Handys und WLANs das Gewebe erwärmen kann. Weitere Wirkungen sind nicht belegt. Der ICNIRP zufolge ist eine zeitweilige Erwärmung um bis zu ein Grad gesundheitlich unbedenklich, weil sie im Bereich normaler physiologischer Schwankungen bleibt – wenn man ein heißes Getränk zu sich nimmt oder Sport treibt, kann sich das Gewebe ja auch zeitweise erwärmen.

Wie der Körper die Strahlung aufnimmt und die aufgenommene Energie verarbeitetet, wird durch die spezifische Absorptionsrate (SAR) beschrieben: die aufgenommene Leistung (Watt) pro Kilogramm Körpermasse (W/kg). Zu einer Erhöhung der Körperkerntemperatur um ein Grad kommt es Experimenten und Berechnungen zufolge, wenn hochfrequente Strahlung etwa 30 Minuten lang mit einem SAR-Wert von 4 W/kg auf den ganzen Körper einwirkt. Vorsorglich legte die ICNIRP einen Schutzpuffer fest und empfiehlt einen SAR-Grenzwert von 2 W/kg gemittelt für einzelne Körperteile wie den Kopf und den Rumpf.

Unterhalb dieses Grenzwertes seien „nach derzeitiger Kenntnis keine gesundheitlich nachteiligen Wirkungen auf Körpergewebe nachgewiesen“, schreibt das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS). Als strahlungsarm gelten Handys mit einem SAR-Wert von 0,6 W/kg oder weniger. Im November 2013 erfüllten dem BfS zufolge 45 Prozent der erhältlichen Handys und Smartphones dieses Kriterium.

Auch die Immissionen von WLAN-Anlagen in Heim- und Büroumgebungen liegen dem BfS zufolge meist deutlich unterhalb des Grenzwertes. Bei Untersuchungen im Rahmen des Deutschen Mobilfunk Forschungsprogramms, das jeweils zur Hälfte vom Bundesumweltministerium und den Mobilfunkbetreibern finanziert wurde, seien bei WLAN-Sendern (2,4 GHz) für ein auf einem Schreibtisch platziertes Notebook bei höchster Sendeleistung SAR-Werte von etwa 0,1 bis 0,2 W/kg berechnet worden.

Zudem nehme die Stärke der elektromagnetischen Felder von Sendern mit dem Abstand ab, sagt BfS-Sprecherin Anja Lutz. „Unter anderem deswegen verursacht das eigene Handy, das anders als ein WLAN-Router direkt am Kopf genutzt wird, im Alltag meist die größte Belastung durch elektromagnetische Strahlung.“ Und auch für Handys gilt bislang laut BfS: Solange der SAR-Grenzwert nicht überschritten wird, ist kein Gesundheitsrisiko nachgewiesen. Dennoch stuft die Weltgesundheitsorganisation WHO seit 2011 hochfrequente Felder als „möglicherweise krebserregend“ ein – weil eine Restunsicherheit bleibt (siehe Text unten).

Den Umstand, dass WLAN-Geräte in der Regel schwächer strahlen als Handys, sehen Kritiker allerdings nicht als Entlastung. Auf Anfrage schickte Ellen Kruse, Sprecherin des BUND-Arbeitskreises Elektrosmog, dem Abendblatt eine Reihe von Studien, die angeblich gesundheitsschädliche Wirkungen von WLAN-Strahlung nachweisen. Darunter ist etwa eine Arbeit von Prof. Mustafa Naziroğlu von der Süleyman-Demirel-Universität im türkischen Isparta. Er hatte für ein Kapitel des in diesem Jahr erschienenen Fachbuchs „Systems Biology of Free Radicals and Antioxidants“ (Springer) die wissenschaftliche Literatur daraufhin durchgesehen, was über den Einfluss von WLAN-Strahlung (2,45 GHz) auf das Zentralnervensystem beim Menschen und bei Tieren herausgefunden wurde.

Die Mehrzahl der aufgeführten Studien beruht auf Tierversuchen (überwiegend mit Ratten). Ellen Kruse zufolge weise Naziroğlu darauf hin, dass „gerade auch die schwache Strahlung gesundheitsschädlich ist“. Tatsächlich formuliert der Autor vorsichtig, von Handys und WLANs verursachte Strahlung „scheine“ degenerative Effekte durch Erhöhung des oxidativen Stresses und der Abnahme von Antioxidantien im Gehirn zu verursachen.

Kruse verweist außerdem unter anderem auf zwei türkische Studien (Oksay et al., 2014; Aynali et al., 2013) sowie auf zwei Arbeiten von Forschern in Indien (Kumari et al, 2012; Shahin et al, 2013). In den türkischen Studien wurden jeweils 32 Ratten untersucht, in den indischen Studien jeweils zwölf Ratten bzw. Mäuse. Ein Teil der Tiere wurde ein bis zwei Stunden pro Tag WLAN-Strahlung (2,45 GHz) ausgesetzt, je nach Studie 28 bis 45 Tage lang. Die Autoren der indischen Studien folgerten aus ihren Ergebnissen, dass eine dauerhafte WLAN-Strahlung sich negativ auf die Leberfunktion auswirken und einen Einfluss auf die Trächtigkeit bei Mäusen haben könne; die türkischen Autoren gehen davon aus, dass es durch WLAN-Strahlung zu oxidativem Stress im Ratten-Hoden und der Schleimhaut in Rachen und Hals kommen könne, wobei sich diese Wirkung durch eine Gabe des Hormons Melatonin verringern lasse.

Davon abgesehen, dass sich tierexperimentelle Studien nicht ohne Weiteres auf den Menschen übertragen lassen – wie ist die Qualität dieser Arbeiten zu beurteilen? Mit dieser Frage schickte das Abendblatt die genannten Studien an das BfS. Das Bundesinstitut will sich nur allgemein äußern: Die Qualität von Studien zum gesundheitlichen Einfluss von Mobilfunk- und WLAN-Strahlung sei sehr unterschiedlich. „Teilweise ist die Zahl der untersuchten Tiere bzw. die Zahl der durchgeführten Versuche gering, sodass die statistische Aussagekraft – und damit die Verlässlichkeit der Ergebnisse – gering ist. Auch die Stärke der Bestrahlung der Tiere bzw. Zellkulturen wurde nicht immer hinreichend genau bestimmt oder angegeben“, teilt BfS-Sprecherin Anja Lutz mit.

Deutlicher äußert sich Dr. Sara Drießen vom Forschungszentrum für Elektro-Magnetische Umweltverträglichkeit (FEMU) an der Uniklinik Aachen. „Aus wissenschaftlicher Sicht ist es unsauber, einzelne, noch dazu qualitativ fragwürdige Studien heranzuziehen, um daraus mögliche schädliche Wirkungen abzuleiten“, sagt die Biologin. Die genannten Arbeiten hätten zum Teil „massive Mängel“. Der Aufbau der Studien sei zum Teil „schlampig dargestellt“. In der Studie von Oksay etwa sei mal von acht Versuchstieren in einer Gruppe die Rede, dann von sechs; an einer Stelle heiße es, die WLAN-Antenne sei direkt am Kopf eines Tieres befestigt worden, an einer anderen Stelle sei davon die Rede, dass die Antenne einen Meter von den Hoden des Tieres entfernt sei. Auch die Stärke der eingesetzten Strahlung sei zum Teil ungenügend beschrieben, sagt Drießen.

Grundsätzlich gelte: „Nur wenn die Ergebnisse verschiedener Studientypen – epidemiologischer, tier- und zellexperimenteller Studien – überwiegend konsistente Hinweise auf dieselben Wirkungen liefern, kann von einem wissenschaftlich belegten Zusammenhang gesprochen werden. Ein solcher Zusammenhang zwischen WLAN-Strahlung und Gesundheitsschäden ist bisher nicht nachgewiesen.“

Dennoch bleibt eine Unsicherheit. Bei Untersuchungen im Rahmen des Deutschen Mobilfunk Forschungsprogramms zeigte sich auch, dass etwa beim Arbeiten mit dem Laptop auf dem Schoß und dem Sender unmittelbar über dem Oberschenkel lokal ähnliche Strahlungsbelastungen wie beim Telefonieren mit einem Handy mit hohem SAR-Wert auftreten können.

Entsprechend rät das BfS zur Vorsorge: Nutzer sollten das Gerät auf einen Tisch stellen, Kabelverbindungen bevorzugen, wenn sie auf WLAN verzichten könnten, WLAN-Zugangspunkte nicht in unmittelbarer Nähe von Orten aufstellen, an denen sich Personen ständig aufhalten, also etwa am Arbeitsplatz, und sie sollten – so die Geräte dies ermöglichen – die Reichweitenbegrenzung einschalten, um die maximale Strahlungsleistung zu reduzieren.

Die Hamburger Schulbehörde teilt mit, an den sechs Schulen mit Pilotprojekten werde die modernste WLAN-Technik eingesetzt, die Daten effizienter übertrage als ältere Techniken und so die Strahlenbelastung verringere. Die WLAN-Zugangspunkte unterschritten „alle Grenzwerte deutlich“. Durch eine Regelungstechnik könne die Sendeleistung dem Bedarf angepasst werden. Die Zugangspunkte seien mehr als einen Meter entfernt von den Arbeitsplätzen der Schüler angebracht worden. Bei den Laptops und Tablets könne das WLAN ausgeschaltet werden, wenn es nicht benötigt werde.