Viele Lebensmittel und manche Kosmetika enthalten das Leichtmetall, das sich anreichert und zum Gesundheitsrisiko werden kann

Berlin/Hamburg. Die Menge Aluminium, die wir täglich mit der Nahrung zu uns nehmen, ist so hoch, dass oft der Europäische Grenzwert erreicht und möglicherweise überschritten wird. Ähnlich viel Aluminium kann in den Körper gelangen, wenn Konsumenten schweißhemmende Deos – sogenannte Antitranspirantien – verwenden, denn sie wirken durch Aluminium-Salze. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) sieht Handlungsbedarf und hatte am Mittwoch und Donnerstag zur Fachtagung „Aluminium im Alltag: ein gesundheitliches Risiko?“ nach Berlin geladen.

Das Leichtmetall kann auf vielfältigen Wegen in den menschlichen Körper gelangen, über Lebensmittel und (im geringen Maße) Trinkwasser, über Kosmetika und Arzneimittel. Es reichert sich im Laufe des Lebens im Körper an, vor allem in Lunge und Knochen. Werden dabei zu hohe Konzentrationen erreicht, so steigt das Risiko, dass das eingelagerte Aluminium das Nervensystem, die Fruchtbarkeit oder ungeborenes Leben schädigt oder die Knochenentwicklung beeinflusst. Zudem wird diskutiert, ob eine hohe Belastung (Exposition) mit Aluminium Brustkrebs oder Alzheimer fördern kann.

„Es gibt keine gesicherten Erkenntnisse über einen kausalen Zusammenhang von Aluminium-Exposition und Brustkrebs oder Morbus Alzheimer. Aber es gibt Hinweise, dass es einen Zusammenhang geben könnte“, fasste Prof. Andreas Luch, Leiter der experimentellen Forschung des BfR, den Stand des Wissens auf dem Symposium zusammen. Die Datenlage sei uneinheitlich, beim Brustkrebs auch widersprüchlich.

Angesichts der potenziellen Risiken setzte die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) einen Grenzwert für die Aluminium-Belastung der Bevölkerung fest: Mit der Nahrung (inklusive Trinkwasser) sollte pro Woche maximal ein Milligramm (mg) Aluminium pro Kilo Körpergewicht aufgenommen werden – ein 80 Kilogramm schwerer Mann sollte also nicht mehr als 80 mg/Woche auf nehmen, ein zehn Kilo wiegendes Kind nicht mehr als zehn mg. Tatsächlich, so schätzt die EFSA, nimmt ein Erwachsener jede Woche zwischen 0,2 und 1,5 mg Aluminium pro Kilo Körpergewicht zu sich.

Die Verbraucher „nehmen bereits über Lebensmittel hohe Mengen Aluminium auf, und die wöchentlich tolerierbare Aufnahmemenge ist wahrscheinlich bei einem Teil der Bevölkerung allein durch sie ausgeschöpft“, lautet das Fazit des BfR. Hinzu kommen die Kosmetika, allen voran die Antitranspirantien. Sie unterscheiden sich von Deodorants dadurch, dass sie die Schweißdrüsen hemmen, Schweiß abzusondern. Dagegen wirken Deos nur gegen die Hautbakterien, die beim Abbau des Schweißes den unangenehmen Geruch erzeugen. Die derzeitige lückenhafte Datengrundlage lasse vermuten, dass durch ein Antitranspirant zusätzlich 1,2 mg Aluminium pro Kilo Körpergewicht und Woche über die Haut aufgenommen werden, schrieb das BfR in einer Stellungnahme im Oktober. Zusammen mit den Lebensmitteln wäre der EFSA-Grenzwert damit eindeutig überschritten.

Die Verbraucher können das Risiko verringern, in dem sie auf aluminiumhaltige Kosmetika verzichten, sagte Gudrun Köster von der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein. Immerhin seien die Aluminiumsalze in der Liste der Inhaltstoffe auf den Deo-Verpackungen angegeben. Schwieriger sei es bei Sonnenschutzmitteln, bei denen Titandioxid-Partikel mit Aluminium beschichtet sind. Zudem kann Zahnpasta Aluminiumfluorid enthalten und Lippenstifte Farbpigmente aus Alu-Verbindungen. Köster forderte, auf den Verpackungen deutlich auf enthaltenes Aluminium hinzuweisen. Dagegen sei ein Hinweis wie „schöne Haut für rasierte Achseln“ gefährlich, da nach der Rasur die Haut leicht verletzt sei und besonders viel Aluminium durchlasse.

Auch für den Gebrauch von Alu-Folie und -Geschirr fehlten deutliche Warnhinweise, sagte Jürgen Stellpflug, Chefredakteur des Magazins „Öko-Test“. Diese und weitere Haushaltsprodukte dürften nicht für saure oder salzige Lebensmittel genutzt werden, weil Säure und Salz Aluminium-Ionen aus der Folie oder Schale herauslösen. Stellpflug: „Es gibt zwar Warnhinweise auf den Folien-Verpackungen. Aber im nächsten Satz steht dann, dass die Aufnahme der Aluminium-Ionen gesundheitlich unbedenklich sei – weshalb sitzen wir dann hier?“ Stellpflug will aber nicht die Verantwortung auf die Verbraucher abwälzen: „Die Hersteller müssen Produkte auf den Markt bringen, vor denen nicht gewarnt werden muss. Und die Politik muss die Rahmenbedingungen so setzen, dass dies geschieht.“

Getrocknete Lebensmittel sind tendenziell stärker belastet

Besonders unübersichtlich ist die Situation bei den Lebensmitteln. Viele enthalten auf natürlichem Wege Aluminium. Es ist das häufigste Metall auf Erden und wird von Pflanzen aus dem Boden aufgenommen. Wie stark dies geschieht, hängt vom Boden und von der Pflanzenart ab. Wird die Rohware getrocknet (Gewürze) oder fermentiert (Kaffee, Tee, Kakao), geht Wasser verloren und die Aluminium-Konzentration des Produktes steigt. Auch Verarbeitungsprozesse können die Aluminium-Gehalte erhöhen. Bekanntestes Beispiel sind Laugenbrezel, die auf Alu-Blechen gelaugt und gebacken werden. Eine Leitlinie für Bäckereien soll dies nun abstellen.

Eine weitere Aluminiumquelle sind Zusatzstoffe, die als Farbstoffe oder Trennmittel eingesetzt werden. Deren Verwendung sei per Verordnung seit August 2014 deutlich reduziert worden, betonte Sieglinde Stähle vom Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde. „Aluminium-Farbstoffe finden sich nur noch bei exotischen Anwendungen, sie verleihen zum Beispiel Liebesperlen einen Silberglanz. Und Farblacke – ein Reaktionsprodukt aus Farbstoffen und Aluminiumhydroxid – stabilisieren die Oberflächen von Dragees oder Kuchenverzierungen.“

Bei den Trennmitteln, die zum Beispiel verhindern, dass Salz oder Schmelzkäsescheiben zusammenkleben, sind nur noch zwei Substanzen erlaubt: Natriumaluminiumsilikat und Kaliumaluminiumsilikat; sie tragen die Zusatzstoff-Kennnummern E554 und E555.

Mit Blick auf das BfR sagte Stähle: „Bitte nehmen Sie von möglichen Verzehrempfehlungen Abstand, und geben Sie zuerst der Lebensmittelindustrie die Chance, selbst aktiv zu werden.“

Andreas Lucht machte zum Schluss der Tagung deutlich, dass die Geduld des BfR begrenzt ist. Den Lebensmittel- und Kosmetikherstellern sagte er: „Sie sollten das Thema nicht unterschätzen und alle Maßnahmen, die möglich sind, einleiten.“