Hamburgs Ärzteteam könnte den Kampf gegen den tödlichen Virus Ebola voranbringen: Die Infektiologin Prof. Marylyn Addo wird am Unikrankenhaus Eppendorf einen Ebola-Impfstoff testen.

Hamburg. Auf ihren Schultern ruht die Hoffnung von Tausenden von Menschen. Die Infektiologin Prof. Marylyn Addo wird am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) einen Ebola-Impfstoff testen. Das Klinikum ist damit in Europa das erste, das eine solche Studie durchführt. Vorgesehen sind Tests an 30 Personen. Die Probanden müssen im Alter von 18 bis 55 Jahren und ganz gesund sein, also keine Medikamente nehmen und keinerlei Vorerkrankungen mitbringen.

Sie erhalten eine Entschädigung; über die genaue Höhe wollte sich das UKE am Donnerstag nicht äußern, sie sei „ausreichend“. Obwohl die Studie noch nicht angelaufen ist, und es nirgends einen Aufruf gab, haben sich bereits jetzt viele Interessenten gemeldet, darunter Ärzte, Pflegepersonal, Wissenschaftler. „Es gibt erstaunlich viele, die einen Beitrag leisten wollen im Kampf gegen Ebola“, sagt Prof. Addo, die bei diesem Kampf ganz vorne mit dabei ist.

Seit einem Jahr erst arbeitet die 44-Jährige wieder in Deutschland. 14 Jahre lang war sie in Boston, wo sie erfolgreich Aids-Viren und die Reaktionen des menschlichen Immunsystems erforschte. Das HI-Virus löste bei seiner Entdeckung eine große globale Angst aus. „Heute ist es fast schlimmer, die Unsicherheit in der Bevölkerung ist zumindest vergleichbar“, sagt Prof. Addo. Denn das Ebola-Virus tötet schneller.

Wie verträglich und wie wirksam ist der Wirkstoff?

Die W2-Professur des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) in Hamburg hat Addo angenommen, um neu auftretende Infektionskrankheiten rechtzeitig zu erkennen und zu bekämpfen. Dass die in Bonn geborene Medizinerin und zweifache Mutter durch den Ausbruch der Ebola-Epidemie plötzlich so in den Fokus rücken würde, damit konnte sie nicht rechnen. Doch Frau Addo wirkt ruhig und so gefasst, allein ihre Stimme scheint Heilung zu versprechen. Die schlaflosen Nächte, der Stress und die Sorgen, die die Behandlung des Ebola-Patienten im UKE mit sich brachte, sieht man ihr nicht an.

In der von ihr geleiteten Phase-1-Studie geht es um die Frage, wie verträglich und wie wirksam der Wirkstoff ist, was man anhand der Antikörper erkennen kann, die ein Proband entwickelt. Die Impfdosen, die von der WHO zur Verfügung gestellt werden, befinden sich gerade auf dem Weg von Genf nach Hamburg. „Es ist ganz wichtig zu wissen, dass kaum ein Risiko von der Impfung ausgeht. Man kann sich dabei nicht mit Ebola infizieren“, sagt Prof. Addo. „Wäre die Studie gefährlich oder ethisch nicht vertretbar, würden wir sie nicht durchführen.“

Zwar gebe es noch nicht viele Daten, aber bereits ein paar Erfahrungen, auch in Hamburg. 2011 wurde der VSV-Impfstoff erfolgreich einem Menschen verabreicht. Eine Laborassistentin hatte sich mit einer Ebola-kontaminierten Nadel gestochen. Zur Erklärung: Es gibt zwei verschiedene Impfstoffe. Den ChAd3-Impfstoff kann man nur vorher geben. Der VSV-Impfstoff kann auch nach einer Infektion benutzt werden. Letzterer ist es, der jetzt in Hamburg an 30 Menschen getestet wird.

Zu rechnen sei mit allergischen Reaktionen. Jeder könne weiter zur Arbeit gehen

Die Risiken für die Probanden scheinen gering. Zu rechnen sei mit allergischen Reaktionen, mit Kopfschmerzen, Fieber sowie lokalen Schmerzreaktionen an der Einstichstelle. Jeder könne weiter zur Arbeit gehen. Die Studie, an der neben dem UKE das Clinical Trial Centre North, das Bernhard-Nocht-Institut sowie die Universität Marburg mitwirken, läuft insgesamt über sechs Monate. Am Anfang müssen die Freiwilligen eine Woche lang jeden Tag eine Stunde zur Untersuchung in das UKE kommen, dann wöchentlich, dann alle zwei Wochen, schließlich jeden Monat. Die Teilnehmer erhalten Probandenschutz, das heißt, sie werden entschädigt für Gesundheitsschädigungen, Körperverletzungen oder Heilbehandlungskosten bis zu 500.000 Euro pro Proband, ein Standard für klinische Studien.

Die WHO überlegt, ob ab Januar 2015 bereits klinisches Personal in die Studie mit aufgenommen werden kann, die Rede ist von rund 10.000 Personen. „Diesen Zeitplan finde ich sportlich“, sagt Prof. Addo. Außerdem seien damit erst einmal nur Risikogruppen erfasst. Bis die weitere Bevölkerung geimpft werden könne, werde noch sehr viel mehr Zeit vergehen. „Man muss realistisch sein. Der Impfstoff wird zur Vorbeugung eines nächsten Ausbruchs bereitstehen. Aber für die jetzige Epidemie hat er wahrscheinlich keinen großen Einfluss mehr.“

Das Präparat muss absolut sicher und wirksam sein

Ist es nicht ernüchternd für eine Medizinerin, die schnell Ergebnisse braucht? „Es gibt halt keinen Wunder-Impfstoff, den man eben aus der Tasche zaubern kann.“ Sie sei sich der Dringlichkeit der Situation bewusst, aber man dürfe nicht die Sicherheit der zu Impfenden beeinträchtigen. Damit könne man viel Schaden anrichten. Es gebe viele Vorbehalte gegen Impfstoffe, daher könne man nur mit einem Präparat an den Start gehen, das absolut sicher und wirksam sei. „Wir haben eine große Verantwortung. Es gibt keine Abkürzung, die wir nehmen können“, sagt Prof. Addo.

Bei Ausbruch der Epidemie hatte die WHO viel Kritik einstecken müssen, dass sie zu langsam reagiert habe. Jetzt scheint sie vieles bewegt und verlorene Zeit wieder aufgeholt zu haben, indem sie Beteiligte miteinander vernetzte, die nun gemeinsam arbeiten anstatt als Konkurrenten. Normalerweise dauert eine Impfstoff-Entwicklung mehrere Jahre. „Was jetzt in Monaten geleistet wurde, hat seinesgleichen noch nicht gesehen“, so Addo.