Menschen, die an Epilepsie erkrankt sind, sind belastbar, können arbeiten und auch Sport treiben. Am Mittwoch eröffnet in der Altonaer Altstadt das erste Beratungszentrum für Betroffene und Angehörige.

Hamburg. Die Botschaft von Heike Hantel, 50, ist eindeutig. „Menschen, die an Epilepsie erkrankt sind, sind belastbar, sie können arbeiten und auch Sport treiben.“ Immer noch werden Epileptiker von vielen ausgegrenzt, weil Angehörige, Arbeitgeber oder auch Behördenmitarbeiter zu wenig über die Krankheit wissen. Heike Hantel will das mit der Epilepsie-Beratung von dem Verein „aufZack“ ändern. Heute eröffnet in Hamburg in der Amundsenstraße in Altona die erste Epilepsie-Beratungsstelle für den Norden Deutschlands.

In Hamburg sind rund 17.000 Menschen von Epilepsie betroffen, bundesweit sind es wohl ein halbe Million Menschen. Die jährliche Neuerkrankungsrate steigt stetig. Die Ursachen dieser häufigsten chronischen Erkrankung im Gehirn sind ebenso wie die Erscheinungsformen sehr unterschiedlich. „Epilepsie kann jeden treffen“, sagt Heike Hantel, die 14 Jahre lang im Sozialdienst im Epilepsiezentrum im Evangelischen Krankenhaus Alsterdorf gearbeitet hat. Manchmal erkranken schon junge Menschen, andere bekommen einen ersten Anfall aber auch erst im fortgeschrittenen Alter.

„Epilepsie kann durch äußere Einwirkungen wie eine Kopfverletzung, aber auch durch einen Tumor oder eine genetische Disposition ausgelöst werden“, sagt Heike Hantel. „Bei Kindern ist Sauerstoffmangel während der Geburt die häufigste Ursache.“ Alles, was zur Fehlfunktion von Nervenzellen im Gehirn führt, kann prinzipiell eine Epilepsie zur Folge haben. Die Ausprägung eines Anfalls hängt von dem betroffenen Bereich des Gehirns ab. Sie kann sehr unterschiedlich sein. Das Spektrum reicht von leichten Anfällen, bei denen lediglich ein unbestimmtes Gefühl oder eine nicht reale Sinneswahrnehmung auftritt, über kurze Störungen des Bewusstseins bis hin zum großen Anfall. Er wird auch „Grand Mal“ genannt, dabei kommt es zu Verkrampfungen des ganzen Körpers, Zuckungen und einem plötzlichen Verlust des Bewusstseins. „Etwa 70 Prozent der Betroffenen bleiben über viele Jahre anfallsfrei, bis plötzlich wieder Anfälle auftreten können“, sagt Heike Hantel.

Epilepsie durch Facharzt behandeln

Wenn die Erkrankung das erste Mal auftrete, hätten die Menschen eine Menge Fragen. „Sie sind erschrocken und haben zunächst das Gefühl, den Anfällen hilflos ausgeliefert zu sein.“ Epilepsie müsse in jedem Fall durch einen Facharzt diagnostiziert und medikamentös behandelt werden. Die Epilepsie, sagt die Sozialarbeiterin, stelle aber darüber hinaus viele Betroffene vor soziale und rechtliche Probleme. „Und die sind häufig schwerwiegender als die Erkrankung selbst.“

Ein typisches Beispiel: Ein Mann erleide auf der Arbeitsstelle einen epileptischen Anfall und ist anschließend wegen des Risikos, sich selbst oder andere zu gefährden, von Kündigung bedroht. „Wir gehen nach Absprache mit dem Betroffenen und dem Arbeitgeber in den Betrieb, schauen uns mit dem Betriebsarzt und einem Mitarbeiter aus dem Integrationsamt den Arbeitsplatz an und verfassen eine individuelle Stellungnahme über die Schwere der Epilepsie“, sagt Heike Hantel. Manchmal reiche schon eine technische Veränderung, um den Arbeitsplatz sicherer zu machen. Oft seien die Arbeitgeber verunsichert, wie sie mit einem epilepsiekranken Mitarbeiter umgehen und wo sie ihn noch einsetzen können. „Wegen fehlender Information kann es zum Verlust des Arbeitsplatzes kommen“, sagt Heike Hantel. Manchmal drohten Frühverrentungen, in anderen Fällen bekämen Kinder keinen Kita-Platz, und Eltern fühlten sich oft mit der Diagnose alleingelassen.

Individuelle Beratung könne verhindern, dass sich die Lebensumstände von Menschen mit Epilepsie dramatisch verschlechtern. „Es ist wichtig, die Menschen umfangreich zu informieren, damit sie nicht aus dem Leben fallen.“ Dabei gehe es um vertrauliche und kostenlose Aufklärung über Themen wie Arbeitssicherheit und Familienplanung, Ausbildung und Partnerschaft, Führerschein und Zukunftsperspektiven. „Wir gehen auch in Schulen und Jugendämter“, sagt Heike Hantel.

Angeboten werden Seminare, Vorträge und Schulungen

Die Beratung erfolgt nach telefonischer Vereinbarung unter 040 73081780. Gefördert wird ihre Arbeit vor allem von der „Aktion Mensch“ sowie dem Epilepsiezentrum Hamburg. Das Hamburger Spendenparlament hat zunächst für ein Jahr die Übernahme der Mietkosten in den hellen Räumen in der Amundsenstraße bewilligt.

Angeboten werden dort auch Seminare, Vorträge und Schulungen. „Unser Ziel ist, dass jeder Betroffene und Angehörige zu Beginn der Erkrankung eine Empfehlung für das Epilepsie-Schulungsprogramm (MOSES) durch seinen Neurologen bekommt, um ein weitgehend normales Leben führen zu können“, sagt Hantel. Ein weiteres Ziel sei die langfristige, nachhaltige Installierung in der Sozialen Arbeit in Hamburg, damit die Beratung nicht ein dreijähriges Projekt der Aktion Mensch bleibe.

Am Tag der Epilepsie (7. Oktober) findet die Veranstaltung „Epilepsie kann jeden treffen“ statt: Weltcafé ElbFaire, Shanghaiallee 12, 18 bis 21 Uhr