Die Fahrzeuge Maven aus den USA und Magalyaan aus Indien geraten zudem auf Tuchfühlung mit einem Kometen, der sehr nah vorbeifliegt. Am 19. Oktober rast Komet Siding Spring am Mars vorbei.

Hamburg. „Bei diesem Ereignis wäre ich gern auf dem Mars“, schwärmt der amerikanische Planetenforscher Bill Cooke, „das könnte der stärkste Meteorschauer aller Zeiten werden!“ Denn am 19. Oktober rast der Komet Siding Spring mit einer Geschwindigkeit von 200.000 Kilometern pro Stunde in einem Abstand von 140.000 Kilometern an unserem Nachbarplaneten vorbei. Kosmisch gesehen ein Katzensprung. Zum Vergleich: Der Mond ist im Mittel 384.000 Kilometer von der Erde entfernt. Die engste bekannte Begegnung eines Kometen mit unserem Heimatplaneten fand im Jahr 1770 statt, der Abstand betrug damals sichere 3,5 Millionen Kilometer.

Cooke hofft auf ein einmaliges Naturschauspiel: zahlreiche kleine Trümmerstücke des Kometen, die als Sternschnuppen über den Mars-Himmel ziehen, Polarlichter durch den Zusammenprall der ausgedehnten Gashülle des Schweifsterns mit der Atmosphäre des Roten Planeten. Doch nicht alle Kollegen des Nasa-Forschers teilen diesen Enthusiasmus, bei manchem überwiegt die Sorge um die wertvollen Sonden auf der Oberfläche und in der Umlaufbahn des Mars. Bei der immensen Geschwindigkeit könnte selbst der Aufprall kleiner Staubteilchen von dem Kometen zu einem Desaster führen.

Das kosmische Rendezvous findet je nach Sichtweise zur Unzeit oder gerade im richtigen Moment statt, treffen doch gerade jetzt zwei weitere Raumsonden am Mars ein. Den Anfang macht am heutigen Montag die US-amerikanische Maven, am Mittwoch folgt Mangalyaan aus Indien, das bislang anspruchsvollste Projekt der aufstrebenden Weltraumnation. Hauptaufgabe der beiden Orbiter ist die Untersuchung der Atmosphäre des Planeten.

Für Cooke ist das ein großer Vorteil: Beide Sonden sind genau mit den richtigen Instrumenten ausgestattet, um den Einfluss des vorbeifliegenden Kometen auf die Lufthülle des Mars zu untersuchen. Eine einmalige Chance, die den Forschern auch neue Erkenntnisse über die Entwicklung der Mars-Atmosphäre vor vier Milliarden Jahren, in der Frühzeit des Sonnensystems, liefern könnte.

Die ursprünglichen Aufgaben von Maven und Magalyaan sind jedoch andere. Sie sollen Antworten finden auf die Fragen, warum der Mars seine ursprünglich dichte Atmosphäre und damit einen Großteil seines Wassers verloren hat – und wohin es verschwunden ist. Fragen, die wichtig sind für die Beurteilung, ob einst Leben auf dem Mars entstanden sein könnte. Verständlich also, dass viele Planetenforscher der Begegnung mit dem Kometen mit gemischten Gefühlen entgegensehen.

Dass der kalte Wüstenplanet lebensfreundlich war, daran gibt es kaum mehr Zweifel

Die genaue Analyse der heutigen Zusammensetzung der Lufthülle und ihrer aktuellen Entwicklung durch die beiden Raumfahrzeuge soll eine Rekonstruktion der frühen Geschichte der Mars-Atmosphäre ermöglichen. Denn dass der kalte Wüstenplanet in seiner Frühzeit wärmer, feuchter und vielleicht sogar lebensfreundlich war, daran gibt es kaum mehr Zweifel.

Aufnahmen der beiden Viking-Orbiter in den Jahren 1976 bis 1982 zeigten bereits Strömungsspuren um Krater herum, Flussdurchbrüche durch Gebirgszüge, Mündungsdeltas, Küstenlinien von ausgedehnten Seen sowie Anzeichen für Vergletscherungen – eindeutige Hinweise auf vergangene Epochen mit feuchterem Mars-Klima. Untersuchungen aus der Umlaufbahn, sowie durch Robotfahrzeuge auf der Oberfläche haben diesen Befund in den vergangenen zehn Jahren eindrucksvoll bestätigt.

Nach seiner Abkühlung war der Mars vermutlich etliche Hundert Millionen Jahre lang der Erde sehr viel ähnlicher als heute. Die Dichte und Temperatur der Atmosphäre reichten – vielleicht nicht immer, aber zumindest über längere Zeiträume – aus, um Flüsse, ausgedehnte Seen und möglicherweise sogar einen Ozean entstehen zu lassen. Mehr als 200 ausgetrocknete Seen aus dieser Epoche haben die Forscher auf der Südhalbkugel gefunden, einige davon so groß wie der Baikalsee oder das Kaspische Meer. Und auf der Nordhalbkugel stießen die Wissenschaftler auf alte Küstenlinien und Sedimentablagerungen, die auf einen gewaltigen „Oceanus Borealis“ deuten, der einst ein Drittel des Planeten bedeckt haben könnte.

Als der Mars in seiner Frühzeit abkühlte und seine Atmosphäre zum größten Teil verlor, ist wohl auch ein Teil des Wassers ins Weltall entwichen. Aber nicht alles: Unter der Oberfläche des Planeten haben sich große Wassermengen als ewiges Eis erhalten. Asteroideneinschläge und vulkanische Aktivität können lokal dieses Eis auftauen und dadurch kurzzeitig wieder Wasser an die Oberfläche bringen. Das zeigen die flussähnlichen Täler des Marte Vallis, die durch höchstens 20 Millionen Jahre alte, erstarrte Lavaströme hindurchschneiden. Wissenschaftler der Nasa haben abgeschätzt, dass durch das Marte Vallis zeitweilig hundertmal mehr Wasser geflossen sein muss als den Mississippi entlangströmt. Und 2008 fanden Forscher Hinweise auf Geysire, die noch vor wenigen Millionen Jahren aktiv waren. Ihre Fontänen aus kohlensäurehaltigem Wasser sind vermutlich kilometerweit in die Höhe geschossen. Im selben Jahr konnte der Lander Phoenix dieses Eis sogar direkt nachweisen. Die mit einem Roboterarm für Grabungen bis in eine Tiefe von etwa 50 Zentimetern ausgestattete Sonde landete im Mai 2008 im nördlichen Polargebiet. Bei einer der Grabungen stieß Phoenix auf weiße Klumpen, die jeweils nach einigen Tagen verschwanden – offenbar Eis, das freigelegt verdampfte. Und aus einer im Minilabor an Bord der Sonde erhitzten Gesteinsprobe trat tatsächlich Wasserdampf aus. Mit all diesen Funden steigt die Chance, dass in der Warmzeit des Mars entstandene Lebensformen tief unter der Oberfläche überlebt haben könnten – so wie sich auch kilometertief in der Erdkruste noch Bakterien tummeln.

Bis heute ist unklar, ob dieses Gas biologischen oder geologischen Ursprungs ist

Ein Hinweis auf solche Bakterien im Mars-Boden könnten lokale Konzentrationen von Methan in der Atmosphäre sein, die 2003 der europäische Orbiter Mars Express aufgespürt hatte. Bis heute ist unklar, ob dieses Gas biologischen oder geologischen Ursprungs ist. Die Wissenschaftler hoffen, dass Mangalyaan und Maven mit ihren Detektoren auch darüber Aufschluss geben. So könnte es ein Hinweis auf biologische Aktivität sein, wenn die Methan-Konzentration immer dort ansteigt, wo Eis durch die Sonneneinstrahlung auftaut.

Zunächst aber müssen die Raumfahrzeuge – ebenso wie die bereits seit Längerem um den Roten Planeten kreisenden Sonden und die auf der Oberfläche fahrenden Rover – die Begegnung mit Komet Siding Spring überstehen. Nach der Entdeckung des Schweifsterns im Januar 2013 konnten die Astronomen selbst eine Kollision mit dem Planeten nicht ausschließen.

In jedem Fall befürchteten die Himmelsforscher, dass die ausgedehnte Gas- und Staubhülle des Kometen den Mars trifft und die Raumfahrzeuge dadurch einem Hagel aus winzigen Partikeln ausgesetzt sein könnten. Nach einer genaueren Bestimmung der Bahn von Siding Spring gaben die Astronomen jedoch Entwarnung. Sie schätzen die Gefahr für die Raumsonden nun als eher gering ein – und hoffen umso mehr auf einzigartige Einblicke in das Wechselspiel zwischen der Mars-Atmosphäre und dem Kometen.

Die Forscher rechnen mit polarlichtähnlichen Leuchterscheinungen, die anzeigen, wo die Kometenmaterie auf die Lufthülle des Planeten trifft. Die erwarteten Effekte ähneln möglicherweise jenen, die in der Frühzeit des Sonnensystems durch den damals stärkeren Sonnenwind ausgelöst wurden. So könnte das zufällig eintretende Naturschauspiel als kosmisches Experiment den Forschern weitere Hinweise darauf geben, wie der Rote Planet seine dichte Lufthülle verloren hat.