Eine neue Studie zeigt, dass unter bestimmten Umständen auf die Inhalation von Cortison verzichtet werden kann

Hamburg. Atemnot und ständiger Husten sind die Hauptsymptome der Volkskrankheit COPD. Die Erkrankung wird umgangssprachlich häufig als Raucherlunge bezeichnet, weil einer der Hauptrisikofaktoren das Rauchen ist. Mit dem etwas sperrigen Begriff COPD ist die chronisch obstruktive Bronchitis gemeint, die die Atemwege einengt, und das Lungenemphysem. Etwa acht bis zwölf Prozent der Bevölkerung leiden an dieser chronischen Erkrankung, bei der es immer wieder zu akuten Verschlechterungen kommt. Jetzt haben Wissenschaftler festgestellt, dass bei der schweren Form der COPD unter bestimmten Voraussetzungen auf die Behandlung mit einatembaren Cortison verzichtet werden kann, ohne dass es zu einem gehäuften Auftreten solcher akuten Verschlechterungen kommt. Die weltweite Studie wurde unter Leitung von Prof. Helgo Magnussen vom Pneumologischen Forschungsinstitut an der LungenClinic Großhansdorf durchgeführt. Sie wurde am Montag auf dem Kongress der European Respiratory Society in München vorgestellt und in der Online-Ausgabe des „New England Journal of Medicine“ veröffentlicht.

Bei der schweren Form der COPD empfehlen die Therapieleitlinien bisher, eine inhalative Cortisontherapie durchzuführen, um dadurch die Schwere und die Häufigkeit der akuten Verschlechterungen zu vermindern. Von einem solchen Zustand sprechen die Ärzte, wenn Luftnot, Husten und Auswurf plötzlich so stark zunehmen, dass der Patient zusätzlich Antibiotika und Cortisontabletten von seinem Arzt verschrieben bekommt oder eine Behandlung auf einer Intensivstation benötigt. „Schon lange behandeln wir diese schwer erkrankten Patienten mit einer Kombination aus zwei lang wirksamen Medikamenten, die aufgrund unterschiedlicher Wirkmechanismen die Bronchien erweitern. Wir haben festgestellt, dass diese duale Erweiterung der Atemwege eine bessere Wirkung erzielt als nur ein Medikament. In der jetzigen Studie haben wir untersucht, ob die zusätzliche Gabe von einatembaren Cortison diesen Patienten tatsächlich noch weitere Vorteile bringt“, sagt Prof. Magnussen, zurzeit tätig in der Privatärztlichen Praxis Klinikum Stephansplatz.

Das Cortison ist nicht unproblematisch. „Eine Reihe von Studien zeigt, dass Patienten mit einer schweren COPD unter der Therapie mit einatembaren Cortison häufiger Lungenentzündungen haben als diejenigen, die das Mittel nicht nehmen“, sagt Magnussen. Außerdem sei es auch die Frage, warum jemand ein Medikament nehmen solle, das ihm keine Vorteile bringe, aber möglicherweise Nebenwirkungen zeige.

Für die Studie wurden die 2488 Teilnehmer in zwei gleich große Gruppen eingeteilt. Eine Gruppe erhielt ein Jahr lang eine Dreifachtherapie mit zwei bronchienerweiternden Mitteln plus der Inhalation von Cortison. In der anderen Gruppe wurde ebenfalls mit dieser Therapie begonnen, aber dann gegen Ende des Untersuchungszeitraumes das Cortison in mehreren Stufen über 18 Wochen auf null reduziert. „Dabei haben wir festgestellt, dass es zwischen den beiden Gruppen keine statistisch signifikanten Unterschiede in der Häufigkeit des Auftretens akuter Verschlechterungen gab“, sagt Magnussen.

„Die Quintessenz unserer Studie ist: Bei einem Patienten, der sich in einer stabilen Phase seiner Erkrankung befindet, kann der Arzt versuchen, das einatembare Cortison abzusetzen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird sein Zustand sich dadurch nicht verschlechtern, und das Risiko von Nebenwirkungen sinkt. Der Verzicht auf das Cortison war in unserer Studie an die Voraussetzung geknüpft, dass die Patienten weiterhin zwei Medikamente einatmen, um die Bronchien zu erweitern“, sagt der Lungenspezialist. Diese Therapieempfehlung werde vermutlich auch in die nationalen und internationalen Leitlinien für die Behandlung der COPD übernommen.

Die Studie hat auch gezeigt: „Wenn man das Cortison absetzt, nimmt die Lungenfunktion um etwa vier Prozent ab. Das ist aber nicht verbunden mit einer Zunahme der Verschlechterungen“, sagt Helgo Magnussen.

Es gibt aber auch COPD-Patienten, die das Cortison brauchen. Das sind diejenigen, die zusätzlich eine asthmatische Erkrankung haben. „Das war nicht Teil unserer Studie, aber Teil unserer klinischen Erfahrung“, so Magnussen. Als Beispiel nennt er einen Patienten, der starker Raucher war und zu ihm kam mit massiven Atembeschwerden. „Die Ergebnisse seines Lungenfunktionstests waren sehr schlecht, und wir haben bei ihm das Gas Stickstoffmonoxid in der Ausatemluft gemessen. Dieser Test deutete darauf hin, dass er eine asthmatische Komponente hat. Ich habe das behandelt wie ein Asthma mit einatembaren Cortison und Cortisontabletten. Und es ging ihm innerhalb von Tagen deutlich besser“, berichtet Magnussen.

Um bei dieser schweren Lungenerkrankung einem zusätzlichen Asthma auf die Spur zu kommen, sind mehrere Untersuchungen nötig. „Man muss den Patienten nach Allergien und Asthma fragen, auch nach dem Auftreten solcher Erkrankungen in der Familie. Bei der Blutuntersuchung ist das Auftreten bestimmter weißer Blutkörperchen (eosinophile Granulozyten) im Blutbild ein Marker für eine asthmatische Komponente. Das Dritte ist die Messung von Stickstoffmonoxid in der Ausatemluft. Sie ist aus meiner Sicht das Beste, aber noch Gegenstand vieler Untersuchungen und noch nicht ausreichend durch Studien belegt“, sagt Magnussen.

Die Konzentration dieses Gases in der Ausatemluft ist bei einem Asthmapatienten hoch, wesentlich niedriger bei Patienten, die kein Asthma haben, und noch niedriger bei COPD-Patienten, weil durch Rauchen dieser Wert noch herabgedrückt wird.

„Der hohe Wert bei Asthmatikern ist dadurch bedingt, dass die Entzündung, die sich in den Atemwegen abspielt, einem komplexen immunologischen Mechanismus unterliegt, in dem die Zellen Stickstoffmonoxid produzieren“, erläutert der Lungenspezialist. „Es ist eine andere Form der Entzündung als bei der COPD. Dabei gibt es einen anderen entzündlichen Mechanismus, der nicht zu der Produktion dieses Gases führt.“