Die Zahl der schweren Pilzvergiftungen stieg im vergangenen Jahr deutlich an. Hamburger Botaniker fordert bessere Uni-Ausbildung. Bedonders gefährlich ist der hochgiftige Grüne Knollenblätterpilz.

Hamburg. Ausreichend Feuchtigkeit und steigende Temperaturen: Für die Pilze in deutschen Wäldern herrschen beste Voraussetzungen. In den Mengen, in denen sie jetzt aus dem Boden hervorkommen, strömen auch die „Pilzjäger“ ins Unterholz, auf der Suche nach Steinpilzen, Maronen oder Pfifferlingen. Doch auch wenn das Pilzesammeln ein ungebrochener Trend ist, dem auch Jüngere nachgehen, scheint das Wissen um die verschiedenen Arten und ihre Giftigkeit verloren zu gehen. So stieg die Zahl der schweren Pilzvergiftungen im vergangenen Jahr deutlich an, und auch die Zahl der Anrufe im Giftinformationszentrum Nord (GIZ) hat sich in der vergangenen Saison im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt.

Aus aktuellen Daten der DAK-Gesundheit geht hervor, dass 2013 gut 41 Prozent mehr Menschen mit Pilzvergiftungen im Krankenhaus behandelt werden mussten als im Jahr zuvor. Die meisten schweren Vergiftungen hat es erneut in Bayern gegeben. Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen zogen nach. Von den bundesweit 34 Fällen, die bei der DAK-Gesundheit erfasst wurden, entfielen neun auf Bayern, vier weniger als im Vorjahr. In Niedersachsen landeten 2013 sechs Pilzsammler im Krankenhaus, vier mehr als 2012. In Nordrhein-Westfalen mussten 2013 vier Pilzvergiftung stationär behandelt werden. 2012 gab es dort noch keine Fälle. „Obwohl das Interesse steigt, ist das Wissen auf einem niedrigen Niveau“, erklärt Peter Karasch, Präsidiumsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Mykologie (DGfM) in der „ÄrzteZeitung“. Privatdozent Dr. Wulf Schultze, Botaniker am Lehrstuhl für Pharmazeutische Biologie der Universität Hamburg im Ruhestand, der sich viele Jahre mit Pilzen beschäftigt hat, meint, die Ursachen zu kennen: „Heute ziehen die Sammler mit Handys ins Gelände, ohne eine Ahnung, aber dafür mit einer App. Dass es da zu Verwechslungen der Pilze kommt, ist kein Wunder.“

Im Durchschnitt zehn Todesfälle pro Jahr würden in Deutschland auf den Verzehr des hochgiftigen Grünen Knollenblätterpilzes zurückgehen, sagt Schultze. „Doch niemand lehrt an Universitäten etwas in der Praxis über Giftpilze oder Giftpflanzen, weder in der Biologie noch in der Pharmazie. Das kann ich nicht begreifen. Dieses Thema tangiert die Bevölkerung doch unmittelbar!“ Er plädiert deshalb für eine bessere praktische Ausbildung über Pilze in verschiedenen Studiengängen, so etwa auch im Lehramtsstudium.

Das Gift der Pilze, das ihnen als Fraßschutz dienen soll, stoppt bei Menschen unter anderem die Synthese von Eiweiß in der Leber, so Schultze. In der nördlichen Hemisphäre kommen etwa 200 Giftpilzarten vor, wovon zehn tödlich sein können. Zu Verwechslungen zwischen Speisepilzen und giftigen Arten kommt es vor allem durch fatale „Doppelgänger“, wie etwa beim Champignon und dem Knollenblätterpilz. „Und durch sehr variable Erscheinungsformen der einzelnen Arten. Deshalb braucht man zum Pilzesammeln einfach Erfahrung. Auch ein Buch allein reicht nicht“, sagt Schultze.

Wer nach einer Pilzmahlzeit unter Übelkeit, Durchfall oder Erbrechen leidet, sollte sofort den Notarzt (112) rufen oder sich an den Giftnotruf in seinem Bundesland wenden, sagt DAK-Ärztin Elisabeth Thomas. Allein im September 2013 taten dies 80 Anrufer bei der zentralen Anlaufstelle für die Bundesländer Niedersachsen, Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein. Dies seien doppelt so viele gewesen wie im September 2012, teilte die Zentrale mit.

„Keinesfalls sollte man in Eigenregie mit Medikamenten experimentieren“, sagt Elisabeth Thomas. Empfehlenswert sei es, wenn möglich Pilzreste zur Behandlung mitzunehmen, um die Art bestimmen zu können.

Das Giftinformationszentrum-Nord für

Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein (GIZ-Nord) der Universitätsmedizin

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