Ein Team aus der Hansestadt ist nach Nigeria gereist, um dort die Labore auf den neuesten Stand zu bringen

Hamburg. Es ist eines der gefährlichsten Viren, die es gibt. Seit Monaten wütet eine Ebola-Epidemie in Westafrika. Sie hat schon mehr als tausend Menschenleben gefordert – und hält die Welt in Atem. In dieser Situation brauchen die betroffenen Länder jede mögliche Unterstützung. Und die kommt auch aus Hamburg.

Seit fünf Tagen ist in Enugu Stadt in Nigeria ein Hamburger Team im Einsatz. Es testet Kontaktpersonen von Ebola-Infizierten auf das Virus – in einem mobilen Labor. Doch das ist nur ein Teil ihrer Mission. „Wir sind auch nach Nigeria gekommen, um die modernsten Nachweisverfahren hierher zu bringen“, sagt Prof. Stephan Günther, 51. Der Chef der Virologie am Hamburger Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNI) ist mit der technischen Assistentin Beate Becker-Ziaja aus dem BNI und dem Immunologen Dr. Cesar Muñoz-Fontela vom Heinrich-Pette-Institut in Nigeria unterwegs, um die Labore auf den neuesten Stand zu bringen. „Zuerst waren wir im Lehrkrankenhaus der Universität in Lagos. Dort haben wir ein neues Gerät aufgebaut und eine sogenannte Glovebox, die von außen mit Handschuhen bedient wird und in der die Blutprobe mit dem Virus so bearbeitet wird, dass sie nicht mehr infektiös ist“, erzählt Günther. Die zweite Station der Reise war das Irrua Specialist Teaching Hospital in Irrua.

Die einheimischen Wissenschaftler freuen sich über den Besuch aus Deutschland. Sie sind nicht nur Kollegen, sondern auch alte Bekannte. „Wir kennen uns sehr gut, weil wir schon seit Jahren bei der Erforschung des Lassa-Fiebers zusammenarbeiten“, sagt Günther. Für die Ausrüstung der beiden Krankenhäuser hat das deutsche Team 130.000 Euro vom Auswärtigen Amt erhalten. Um in entlegenen Orten Blutproben auf Ebola-Viren untersuchen zu können, haben die Wissenschaftler eine mobile Laboreinheit, die sie bereits im Frühjahr ins Land gebracht haben. „Das sind zehn Boxen, in denen sich das ganze Material befindet. Sie werden auf einen Pick-Up geladen und können dann innerhalb eines Tages zu einem kompletten Labor aufgebaut werden“, sagt Günther. Diese Einheit ist jetzt im Bundesstaat Enugu im Einsatz. Eine solche Einheit haben die Hamburger zusammen mit anderen deutschen und europäischen Partnern auch schon im Frühjahr dieses Jahres nach Guinea gebracht. Seitdem wurden in der Einheit 1500 Patienten auf das Ebola-Virus getestet. Viele davon waren positiv.

Die Arbeit der Hamburger in Nigeria ist auch aus anderen Gründen nicht ohne Gefahren. Denn in dem Land drohen auch Überfälle oder Entführungen. Deswegen ist Vorsicht geboten. „Um uns zu schützen, bleiben wir möglichst unsichtbar. Mit der Bevölkerung haben wir kaum Kontakt“, sagt Günther. Die Gefahr einer Infektion mit dem Virus hält er dagegen für eher gering. „Wir bekommen schon mit, dass die Menschen hier Angst vor einer Infektion haben, aber es gibt keinen Hinweis dafür, dass sich das Virus hier weiter verbreitet hat“, sagt der Virologe. Alle bisher bekannten Verdachts- und Infektionsfälle gehen zurück auf den Kontakt mit dem Liberianer Patrick Sawyer, der Ende Juli nach Nigeria einreiste, am Flughafen in Lagos zusammenbrach und kurze Zeit später an der Infektion starb. „Alle Personen, mit denen er Kontakt hatte, scheinen unter Kontrolle zu sein. Aber um das abschließend zu beurteilen, dauert es noch Wochen“, sagt Günther. Wenn nur eine Kontaktperson den Behörden entgangen ist, kann das fatale Folgen haben. Denn die Krankheit ist so ansteckend, dass ein unerkannt Infizierter an einem anderen Ort einen neuen Ausbruch auslösen kann. „Solche unentdeckten Infektketten sind das größte Problem. Deswegen hoffen alle, dass es in diesem Fall eine solche nicht gibt.“

Das gefährliche Virus unter Kontrolle zu bekommen ist äußerst schwierig. „Denn nach wie vor kommt man nicht an die Bevölkerung heran. Für uns ist es nicht nachvollziehbar, dass Menschen ihr eigenes Leben aufs Spiel setzen, indem sie Ebola-Kranke nach Hause holen und sie versorgen“, sagt Günther. Erst vor wenigen Tagen wurde in Liberias Hauptstadt Monrovia eine Isolierstation gestürmt. Patienten mit Verdacht auf die Infektion wurden „befreit“ und mit nach Hause genommen, um sie dort zu betreuen. „Das zeugt von völligem Unverständnis. Ich weiß allerdings nicht, wie man die Menschen davon überzeugen kann, dass ihr Verhalten falsch ist. In Afrika herrschen andere Grundsätze als bei uns in Europa. Hier hat der traditionelle Heiler des Dorfes mehr zu sagen als der Präsident des Landes. Und wenn der Heiler sagt, das Sterben sei gottgewollt und die Menschen sollten die Infizierten nicht ins Krankenhaus bringen, dann glauben sie ihm“, sagt Günther.

Der Virologe, der schon oft in Afrika war, weiß, auch aus Gesprächen mit anderen Helfern: Wenn sie es nicht schaffen, den Dorfältesten, den Heiler und den Priester auf ihre Seite zu bringen, haben sie mit ihren Hilfsmaßnahmen keine Chance. „Hinzu kommen noch Spannungen zwischen den einzelnen Volksstämmen, die das Misstrauen untereinander noch weiter verstärken.“ Eine gefährliche Mischung, die auch die Helfer immer wieder zu spüren bekommen. „Wie haben noch eine dritte mobile Einheit, die zurzeit in Rom steht. Jetzt wird diskutiert, auch diese nach Afrika zu bringen und nach Liberia zu schicken. Aber bei der jetzigen Sicherheitslage muss das gut überlegt sein, weil wir auch damit rechnen müssen, dass Mitarbeiter von Einheimischen angegriffen werden“, sagt Günther. So irrational die Ängste der Bevölkerung auch seien: Man müsse sie ernst nehmen und in die Überlegungen zur Begrenzung der Epidemie mit einbeziehen. „Die Bevölkerung hier hat ein anderes soziales Koordinatensystem, das muss man akzeptieren.“ Die Infektion unter Kontrolle zu bringen, sei daher mehr ein soziales Problem als ein medizinisches.

Die Arbeit mit Ebola-Viren und anderen gefährlichen Krankheitserregern ist für den Forscher seit Jahren vertraut. So haben die Forscher am BNI bereits Versuche mit Ebola-Viren gemacht – und dabei entdeckt, dass ein Mittel, das eigentlich zur Behandlung neuer Grippeviren in Japan zugelassen ist, auch gegen die Ebola-Viren helfen könnte. „Wir haben festgestellt, dass die Therapie mit dem Mittel Favipiravir bei Mäusen wirksam war. Basierend auf diesen Erkenntnissen will die US-Regierung jetzt das Mittel an Affen testen. Wenn es funktioniert, kann man es schnell einsetzen, weil alle Sicherheitsfragen bei diesem Medikament bereits im Zuge der Zulassung für Influenza geklärt sind“, sagt Günther. Japan will dieses Mittel jetzt zur Bekämpfung der Epidemie zur Verfügung stellen. Sollte es eine entsprechende Anfrage der Weltgesundheitsorganisation (WHO) geben, sei man bereit, das Grippemittel Favipiravir zu liefern, sagte Regierungssprecher Yoshihide Suga am Montag.

Erst wenige Tage ist es her, dass die WHO sich angesichts der Katastrophe auch für die Anwendung von noch nicht zugelassenen Medikamenten ausgesprochen hat. Diese Entscheidung findet Günther gut, auch wenn dabei die ethische Frage auftauche, wer mit diesen knappen Ressourcen behandelt werde. „Bisher haben Menschen diese Mittel erhalten, die sich um die Kranken kümmern, und das finde ich auch richtig. Wenn ich einen Mitarbeiter in das Ebola-Gebiet schicke und er infiziert sich, trage ich dafür auch eine partielle Verantwortung. Dann kümmere ich mich darum, dass er nach Deutschland zurückgebracht wird und die bestmögliche Therapie erhält. Es ist unsere moralische Pflicht, alles zu tun, um ihr Leben zu retten. Das ist auch ein wichtiges Signal für alle, die nach Afrika gehen und die Ebola-Patienten versorgen“, sagt Günther.

Viele Helfer in den Krankenhäusern Afrikas haben sich schon mit dem Virus infiziert. Günther selbst fürchtet sich nicht vor einer Ansteckung. „Unser Risiko ist nicht zu vergleichen mit dem von Ärzten und Schwestern, die sich um die Ebola-Kranken kümmern, die das Virus mit allen Körperflüssigkeiten ausscheiden. Wir erhalten nur ein geschlossenes Blutröhrchen“, sagt der Virologe. Aber auch dabei, ebenso wie bei den Tests an den Kontaktpersonen von Infizierten, gelten strenge Sicherheitsvorschriften. Die Labormitarbeiter tragen Ganzkörperanzug, Masken, Brillen und Handschuhe. So nehmen sie auch die Pakete entgegen, in denen die Blutproben verpackt sind. Denn sie können nicht hundertprozentig sicher sein, dass das Paket nicht von außen mit Viren verseucht ist. Die Proben werden dann in die Glovebox gebracht, wo das Virus vollständig zerstört wird. Dann beginnt die Diagnostik.

Die Erforschung von Viren hat Günther schon während seines Medizinstudiums fasziniert: „Ich fand es spannend, wie diese winzigen Organismen, die teilweise nur aus wenigen Proteinen bestehen, es schaffen, in den menschlichen Körper einzudringen, sich dort einzunisten und zu vermehren.“ Auch bei diesen Forschungsarbeiten hat er keine Angst. „Ich arbeite nur selten in den Sicherheitslaboren, und wenn man die Schutzvorschriften beachtet, ist die Gefahr gering.“

Der zweifache Familienvater zeigt sich auch bei dem Einsatz in Afrika gelassen. „Ich glaube, dass meine Kinder es einerseits gut finden, was ihr Papa macht, andererseits aber auch ein bisschen Angst haben. Aber das brauchen sie nicht.“ Wie lange er mit seinen Kollegen noch in Westafrika bleibt und wohin sie ihre Reise noch führen wird, weiß der Virologe noch nicht. „Das hängt auch von der Situation hier unten ab und davon, wo unsere Arbeit besonders dringend gebraucht wird. Und ob und wie wir dorthin kommen.“