Auch Schimpansen, Elefanten und Ameisen kennen die verschiedensten Medikamente, die den Tieren helfen, Krankheiten zu überstehen. Gerade die Schimpansen-Apotheke ist schon recht gut erforscht.

So richtig gut kann das Grünzeug nicht schmecken. Die Blätter in den Schimpansen-Händen sind rau und haarig und kratzen vermutlich unangenehm in der Kehle. Das hindert die Tiere allerdings nicht daran, sie trotzdem ins Maul zu stecken und unzerkaut zu schlucken. Schließlich geht es hier nicht um Genuss, sondern um Medizin: Das wenig reizvolle Laub hilft gegen Darmparasiten – also runter damit! Hauptsache, es wirkt. Nach dieser Devise scheinen auch etliche andere Tiere zu handeln. In letzter Zeit stoßen Biologen jedenfalls auf immer mehr Arten, die sich ihre eigenen Arzneien verschreiben. Ein paar dieser tierischen Pharmazeuten stellt die Arte-Dokumentation „Wie Tiere sich zu helfen wissen“ am 29. August vor (s. unten).

Gerade die Schimpansen-Apotheke ist schon recht gut erforscht. Die Blätter für die pflanzlichen Wurmkuren liefern zum Beispiel oft die mit den Astern verwandten Korbblütler der Gattung Aspilia. Doch auch manche Schmetterlingsblütler, Eisenkrautgewächse oder Hibiskus-Arten kommen bei Parasitenbefall zum Einsatz. Die Tiere falten deren Blätter mundgerecht zusammen, schlucken sie unzerkaut hinunter und scheiden sie ebenso unversehrt wieder aus – oft zusammen mit einer eindrucksvollen Kollektion von Faden- oder Bandwürmern. Da diese Parasiten meist noch leben, beruht die Wirkung der Kräutermedizin wohl nicht in erster Linie auf pflanzlichen Anti-Wurm-Wirkstoffen. Vielmehr scheinen die rauen Blätter auf mechanischem Weg die Darmbewegungen anzuregen. Dadurch können die Würmer dann leichter ausgeschieden werden.

Wie aber kommt ein Schimpanse überhaupt darauf, so ein natürliches Abführmittel einzusetzen? Um das herauszufinden, haben Michael Huffman von der Universität im japanischen Kyoto und seine Kollegen in den letzten Jahren etlichen in menschlicher Obhut lebenden Schimpansen Blätter aus dem Medizinschrank ihrer wilden Artgenossen vorgesetzt. Auf dieses unbekannte, haarige Grünzeug reagierten die Tiere zunächst ganz unterschiedlich: Manche lehnten es komplett ab, andere kauten und fraßen es wie jede andere Pflanze auch. Es waren aber auch immer einige dabei, die das Material spontan zu einer grünen Pille falteten und dann unzerkaut schluckten.

Und diese Angewohnheit übernahmen dann nach und nach auch immer mehr ihrer Gefährten. Offenbar haben zumindest manche Affen also durchaus einen angeborenen Hang zur Kräutermedizin, den sie dann durch Lernprozesse an andere Gruppenmitglieder weitergeben. Das geht sogar so weit, dass verschiedene Schimpansen-Gruppen ihre Blatt-Tabletten nach unterschiedlichen Mustern falten.

Damit ein Medikament richtig wirkt, muss man es allerdings nicht nur auf die richtige Weise, sondern auch zum richtigen Zeitpunkt einnehmen. Doch auch dafür scheinen Schimpansen ein Händchen zu haben. So verordnen sie sich ihre Wurmkuren in verschiedenen Regionen Afrikas besonders häufig während der Regenzeit, weil das Infektionsrisiko dann in der Regel am höchsten ist.

Mancherorts scheint die Wurmsaison allerdings nie zu enden. So haben Michael Huffman und sein Kollege Matthew Mc Lennan von der Oxford Brooks University in Großbritannien die medizinischen Probleme der Schimpansen in Bulindi im Westen Ugandas unter die Lupe genommen. Dort leben die Tiere in kleinen Waldstücken, die wie Inseln mitten im Farmland liegen. Und das scheint ihnen gesundheitlich nicht besonders gut zu bekommen. Denn sie schlucken ihre pflanzlichen Abführmittel nicht nur das ganze Jahr hindurch, sondern auch noch ungewöhnlich häufig. Normalerweise stecken die unzerkauten Blätter vielleicht in einer oder zwei von hundert untersuchten Kotproben. In Bulindi dagegen wurden die Forscher im Durchschnitt in einem von zehn Haufen fündig. Das könnte daran liegen, dass die Tiere in engem Kontakt zu Menschen und ihrem Vieh leben – und entsprechend oft deren Parasiten aufschnappen. Vielleicht fühlen sich die Schimpansen durch die enge Nachbarschaft auch gestresst und sind daher besonders anfällig für Infektionen. Jedenfalls scheint der Gang zur Kräuterapotheke für sie zum Alltag zu gehören.

Außer mit verschiedenen Pflanzenteilen wissen Tiere aber auch mit anderen medizinisch wirksamen Substanzen etwas anzufangen. Die Waldelefanten im Schutzgebiet Dzangha-Sangha in der Zentralafrikanischen Republik zum Beispiel fressen regelmäßig ein bestimmtes Tonmineral. Ähnlich wie eine Kohletablette entzieht dieses sogenannte Kaolin dem Darm Wasser und bindet Giftstoffe. Den Elefanten hilft es vermutlich, die ungesunden Bestandteile von Blättern und Früchten zu verdauen. Die Roten Colobus-Affen auf Sansibar nehmen zum gleichen Zweck sogar tatsächlich eine Art Kohletablette ein: Sie fressen Holzkohle von verbrannten Bäumen.

Doch wer sagt eigentlich, dass ein gutes Präparat unbedingt von innen wirken muss? Helen Celia Morrogh-Bernard von der Universität Cambridge hat Borneo Orang-Utans in Indonesien beobachtet, die eine Art Salbe benutzen. Die Tiere pflücken die Blätter von Tagblumen der Gattung Commelina, zerkauen sie zu einem Brei und schmieren sich die grünlich-weiße Masse dann sorgfältig auf die Arme. Die Forscherin vermutet, dass die roten Menschenaffen die Pflanze zu ganz ähnlichen Zwecken nutzen wie die Menschen in der Region: Die reiben sich damit bei Muskel- und Gelenkschmerzen ein.

Menschenaffen oder auch Elefanten mag man solche pharmazeutischen Tricks ja durchaus zutrauen. Doch in letzter Zeit lernen Wissenschaftler auch immer mehr tierische Apotheker kennen, die nicht unbedingt für besondere Geistesgaben bekannt sind. Insekten zum Beispiel. Da desinfizieren Ameisen und Bienen ihre Nester mit eigens gesammeltem Harz, um Bakterien und Pilze abzutöten. Schmetterlingsraupen fressen gezielt Pflanzen mit giftigen Inhaltsstoffen und befreien ihren Körper so von lebensgefährlichen Parasiten. Und die unscheinbaren Fruchtfliegen, die so gern um überreifes Obst schwirren, setzen zum gleichen Zweck auf eine kräftige Dosis Alkohol.

Nun gilt exzessives Trinken nicht als sonderlich gesundheitsfördernd. Und das gilt eigentlich auch für Fruchtfliegen. Da deren vergorene Früchtenahrung bis zu sechs Prozent Alkohol enthält, vertragen sie diesen zwar viel besser als die meisten anderen Lebewesen. Doch zu hohe Dosen machen auch sie betrunken und verkürzen ihre Lebenserwartung. Manchmal allerdings ist das offenbar das kleinere Übel. Zum Beispiel bei einem Angriff jener winzigen Wespen der Gattung Leptopilina, die den Fliegenlarven gern ihre Eier in den Körper legen. Wenn diese Eindringlinge schlüpfen, fressen sie ihr Opfer von innen auf. Da gilt es, mit harten Waffen zurückzuschlagen. Und da die Wespen deutlich weniger Alkohol vertragen als eine gestandene Fruchtfliege, ist die Marschroute klar: Infizierte Fliegenlarven nehmen gezielt mehr Alkohol zu sich als ihre gesunden Artgenossen. Das zeigen Experimente von Todd Schlenke und seinen Kollegen von der Emory Universität im amerikanischen Atlanta. Etwa 60 Prozent der untersuchten Wespenopfer wurden ihre ungebetenen Gäste auf diese Weise wieder los, ohne Alkoholtherapie dagegen starben alle infizierten Fliegenlarven. Na dann Prost! Ist ja Medizin.

Filmtipp: „Wie Tiere sich zu helfen wissen –

Selbstmedikation in der Natur“, Dokumentation, Arte, Freitag 29.8.2014 um 21.50 Uhr

(53 Minuten). Wiederholungen: Freitag 5.9.

um 8.50 Uhr, Sonntag 7.9. um 10.40 Uhr.

Der Film gibt einen ausführlichen Blick in die

Apotheke der Schimpansen, stellt aber auch

verschiedene andere tierische Pharmazeuten

vor.