Die Stratosphären-Observatorium für Infrarot-Astronomie, kurz Sofia, ist zurzeit bei der Lufthansa Technik in Hamburg. Jeden Tag werden 80 bis 100 Mitarbeiter mit der Überholung beschäftigt sein.

Hamburg. Auch nach 26 Jahren als Ingenieur beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) kann Heinz Hammes noch staunen. „So, wie es gerade im Cockpit der Maschine aussieht, denkt man: Das bekommen die im Leben nicht hin mehr hin“, sagt er und grinst. Tatsächlich erinnert im vorderen Teil der Boeing 747 SP nichts mehr an eine Steuerzentrale. Die Wandverkleidung wurde entfernt, sodass grün lackierte Bleche und Spante freiliegen; Isoliermatten in sonnengelber Folie und Strom- und Datenleitungen hängen wie Girlanden von der Decke.

Und das ist nur die Spitze des Flugzeugs. Fast die gesamte, rund 56 Meter lange Maschine ist eingerüstet; fünf Stahlträger halten sie dreieinhalb Meter über dem Boden. Elektroniker, Mechaniker und Flugzeugbauer bevölkern den Koloss; einige Techniker leuchten mit Taschenlampen in geöffnete Tragflächen, andere liegen oder knien im Inneren auf Holzplanken, lösen Nieten, sägen, hämmern, schrauben und kleben. Die Großoperation nimmt etwa ein Drittel der „Jumbo-Halle“ in Beschlag, wie der 182 Meter breite und 112 Meter tiefe Hangar 7 von Lufthansa Technik nahe des Hamburger Flughafens auch genannt wird.

Normalerweise ist die Boeing in Kalifornien stationiert, am Armstrong Flight Research Center der Nasa. Die US-Raumfahrtbehörde betreibt die weiß-blau lackierte Maschine zusammen mit dem DLR. Denn es handelt sich nicht um ein normales Passagierflugzeug. Während solche Maschinen in zehn bis zwölf Kilometern Höhe fliegen, steigt die umgebaute 747 SP auf zwölf bis 14 Kilometer Höhe. Dort oben öffnet die Besatzung eine Gleittür am hinteren Rumpf und schaltet das Prunkstück an Bord an: Ein 2,7 Meter großes und 17 Tonnen schweres Infrarot-Teleskop, das nun durch das Loch in die Tiefen des Alls späht, um zum Beispiel die Geburt neuer Sterne in unserer Milchstraße zu beobachten.

Stratosphären-Observatorium für Infrarot-Astronomie, kurz Sofia, heißt die fliegende Sternwarte, die seit 2011 für die Wissenschaft im Einsatz ist. Heinz Hammes hat den Umbau des früheren Verkehrsflugzeugs in ein Forschungsinstrument von Beginn an begleitet; er leitete die Integration des Teleskops in die Maschine. Nun ist der Rheinländer nach Hamburg „abgeordnet“. Hier muss die Boeing einen D-Check über sich ergehen lassen. So heißt die alle sechs Jahre vorgeschriebene Überholung, die deutlich aufwendiger ist als die Checks A und C. Das Sofia-Team um Hammes nutzt die Gelegenheit, um während dieser Zeit das Teleskop zu warten.

Zehn bis elf Millionen Euro wird die Überholung wohl kosten

Obgleich es mit einem Blick auf die Baustelle schwer vorstellbar ist, dass sich die Boeing wieder in die Lüfte schwingen wird, macht sich Hammes nicht ernsthaft Sorgen. „Lufthansa Technik hat die größte Erfahrung mit der SP“, sagt der Ingenieur. „Die meisten Maschinen dieses Typs werden von dem Unternehmen gewartet.“

Ein D-Check ist für Lufthansa Technik eigentlich Routine; nicht einmal vier Wochen brauchen die Spezialisten für die Überholung einer normalen Passagiermaschine, sofern der Kunde keine Sonderwünsche hat. Weil „Sofia“ jedoch ein Unikat ist, sind für den D-Check viereinhalb Monate angesetzt. Jeden Tag arbeiten 80 bis 100 Techniker an der Maschine, insgesamt werden sie 2180 Prüfschritte und Servicearbeiten durchführen. Schon jetzt stehen etliche Reparaturen fest. Einige Sitzschienen sind korrodiert. Die Drehwelle einer Tür ist ausgeschlagen und braucht neue Lager. Im Cockpit wird ein Spant ausgetauscht. Zwei der vier Antriebsmotoren haben ihre Maximallaufzeit erreicht und müssen gegen überholte Modelle getauscht werden. Die gesamte Überholung der Boeing wird zehn bis elf Millionen Euro kosten, schätzt Andreas Britz, Projektleiter von Lufthansa Technik.

Auch bei dem Teleskop müssen Teile erneuert werden. Heinz Hammes und Michael Hütwohl, Ingenieur vom Deutschen Sofia Institut, führen in den Rumpf der Maschine, wo das Instrument in einem schwarzen Rahmen aus Kohlefaser aufgehängt ist. Welche Herausforderung hier zu bewältigen ist, lässt sich schon in einem Cabrio nachvollziehen: Bei offenem Verdeck während der Fahrt mit einer Kamera verwacklungsfreie Bilder hinzubekommen, ist kaum möglich.

An dem Teleskop werden Gummidämpfer ausgetauscht

Ein ähnliches Problem stellt sich bei Sofia – nur, dass der Jumbo mit 900 Kilometern pro Stunde durch die Luft fliegt. Und es dabei gilt, ein 17 Tonnen schweres Instrument zu stabilisieren, das eine halbe Stunde oder länger einen bestimmten Punkt in einer Millionen Lichtjahre entfernten Galaxie ins Visier nehmen soll, ohne dabei auch nur minimal zu wackeln.

„Um die Erschütterungen der Maschine auszugleichen, verfügt das Teleskop über eine aufwendige Regelungstechnik“, sagt Michael Hütwohl. Mittlerweile seien viele Komponenten allerdings zehn Jahre alt. „Einige Verschleißteile, etwa Gummidämpfer, werden wir nun austauschen. Außerdem werden wir die Elektronik warten und erneuern.“

Während der Beobachtungen mit dem Teleskop in zwölf bis 14 Kilometern Höhe sinkt die Temperatur in der Kammer auf etwa minus 35 Grad, der Luftdruck ist um 80 bis 85 Prozent niedriger als am Boden. Die Wissenschaftler und Operateure an Bord bekommen davon nichts mit, denn sie sitzen nebenan in der Kabine, die durch eine Druckgrenze von der Kammer getrennt ist. Das Teleskop wurde zwar für die extremen Bedingungen ausgelegt, trotzdem bedeute es Stress für das Material, wenn der Jumbojet im sonnig-warmen Kalifornien starte und dann in der Stratosphäre nach dem Öffnen der Luke die Kammer schlagartig extrem abkühle, sagt Michael Hütwohl. Deshalb werde künftig vielleicht ein Kühlsystem eingebaut, das die Temperatur vor dem Öffnen der Luke langsam zumindest auf null Grad senke, sagt der Ingenieur.

Bis Mitte November soll der D-Check der Boeing noch dauern. „Bis zu 50.000 Arbeitsstunden werden wir hier reinstecken“, sagt Andreas Britz, Projektleiter von Lufthansa Technik. „Und dann startet das Ding auch wieder“, sagt er. „Ganz bestimmt.“