Hamburger Forscher berechnet Kohlenstoffgehalt der Wälder in Madagaskar als Basis für Klimaschutz-Investitionen der Industrieländer

Hamburg. Umwelt- und Klimaschutz braucht Investoren. Das zeigt dieses Beispiel: Bauern vor den Toren Münchens düngen nur wenig und bekommen dafür Geld. Das schützt das Grundwasser und hält die Produktionskosten für sauberes Trinkwasser niedrig. Alle Seiten profitieren: die Stadtwerke, die als kommunale Versorger in Wasser investieren, die Bauern und die Umwelt. Ähnlich könnte das in den Tropen und Subtropen funktionieren, wo Regenwälder als Kohlenstoffspeicher ein wichtiger Faktor in der Klima-Rechnung sind. Mit jedem vernichteten Baum steigt die Fieberkurve der Erde. Wie man Wald einen Geldwert zuordnen und dadurch schützen kann, damit beschäftige ich mich als Klimaforscher am Exzellenzcluster CliSAP.

Dreimal war ich für Biomasse-Inventuren in Madagaskar. In definierten Waldstücken vermaß und dokumentierte ich mit lokalen Helfern jeden Baum. Ziel war es, das Gesamtvolumen an Holz zu ermitteln und mithilfe von Satellitendaten die Menge des gespeicherten Kohlenstoffs in den nationalen Wäldern zu errechnen. Der Vergleich mit älteren Daten sagte uns, wie viel Kohlenstoff bereits in der Vergangenheit durch Waldzerstörung frei wurde. Zukünftig zeigt der Vergleich mit diesem Referenzwert, ob der Inselstaat weniger Wald als bisher vernichtet und so seine Emissionen reduziert hat.

Diese wissenschaftsbasierte und mit allen Akteuren abgestimmte Methode ist ein wichtiger Schritt, um das UN-Klimaschutzprogramm REDD+ (Reducing Emissions from Deforestation and Forest Degradation, Reduktion von Emissionen durch Waldvernichtung und -schädigung) umzusetzen. Die Idee: Wer von der Klima-Leistung des Waldes profitiert, zahlt auch dafür. Geldgeberstaaten wie Deutschland oder Norwegen investieren also quasi in Waldschutz in Entwicklungsländern. Für Letztere ist im Moment fast jede Form der Landnutzung attraktiver, als den Tropenwald stehen zu lassen: Bauern in Ländern wie Indonesien oder Brasilien verwandeln Wald in Ackerfläche. Aber auch Konzerne beteiligen sich an der Zerstörung, um Plantagen für Palmöl oder Futtermittel anzulegen – indirekte Antreiber der Zerstörung sind daher auch wir Konsumenten in den Industrienationen.

Eine Herausforderung bei REDD+ ist die gerechte Verteilung der Gelder, da das Beobachtungssystem die Verhältnisse vor Ort niemals ganz exakt wiedergibt. Es bleiben immer Unsicherheiten durch geschätzte und hochgerechnete Zahlen. Ich arbeite daran, diese Unsicherheiten zu reduzieren. Denn an REDD+ teilnehmende Länder, die ihre Wälder schonen und nachhaltig bewirtschaften, rechnen mit Geld aus dem Programm. Ein ungerechter Verteilmechanismus würde sie um diese Einnahmen bringen. Umgekehrt würden Geberstaaten als Investoren abgeschreckt, wenn Entwicklungsländer sich unberechtigt bereichern könnten.

Die Anstrengung ist es wert: Die UN schätzt den weltweiten Verlust der Waldfläche auf 13 Millionen Hektar pro Jahr. Das entspricht der Gesamtheit der Wälder in Deutschland und Österreich. So entsteht bis zu ein Fünftel der vom Menschen verursachten Emissionen. An diesem Punkt anzusetzen, ist der kostengünstigste Weg, unser Klima zu schützen.

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