Die Zentralbibliothek präsentiert mit regelmäßigen Vorführungen die zukunftsträchtige Technologie

Hamburg. Ein Druckkopf hetzt eifrig hin und her, stundenlang. Er bedruckt kein Papier, sondern baut den Hamburger Michel – als Miniaturausgabe aus Kunststoff mit einer Kirchturmhöhe von 20 Zentimetern. Zu sehen ist das Schauspiel in der Zentralbibliothek der Öffentlichen Bücherhallen Hamburg. Für ihr Lern- und Informationszentrum hat sie sich einen 3-D-Drucker angeschafft. „Wir sind traditionell ein öffentlicher Raum, in dem man sich informieren kann“, sagt Silke Mittmann, Abteilungsleiterin Informationsdienste der Zentralbibliothek. „Wir wollen unseren Kunden der Bücherhallen Einblicke in die Welt des 3-D-Druckens ermöglichen.“

Das dreidimensionale Drucken erobert allmählich den Massenmarkt. Schon seit den 1980er-Jahren sind Großgeräte im Einsatz, produzieren vor allem für die Autoindustrie technische Teile. Inzwischen gibt es handlichere Geräte, die Gegenstände ausdrucken können. In der Zentralbibliothek wirbelt ein Drucker namens Delta Tower herum, der bis zu 58 Zentimeter große Gegenstände „ausdrucken“ kann. Der Kunststoff-Michel könnte also noch wachsen, allerdings könnte die Fertigung – als massive Form und in hoher Auflösung – dann 20 Stunden dauern.

3-D-Drucker können so ziemlich jedes Objekt kreieren: Modelle von Gebäuden oder technischen Gegenständen, Flaschenöffner, Büsten, Vasen und Becher, Figuren und Schmuck (oder Wachsmodelle für Schmuckstücke, die später mit Metall ausgegossen werden). „Sie können mit der Technik sehr kleinteilige, komplexe Formen herstellen, deren Geometrien etwa mit der Spritzgusstechnik gar nicht zu erzeugen sind“, betont Florian Horsch. Er hatte Anfang 2011 zum ersten Mal von 3-D-Druckern gehört und war von der Technik fasziniert. Inzwischen ist er zum 3-D-Spezialisten geworden, hat zu dem Thema ein Buch geschrieben und wird am Sonnabend die Premiere der 3-D-Drucker-Präsentationen in der Zentralbibliothek bestreiten.

Enthusiasten bezeichnen die Technologie bereits als nächste industrielle Revolution. Das mag etwas hoch gegriffen sein, doch ist die Produktvielfalt der Hightech-Drucker für private Anwendungen in jüngster Zeit enorm gewachsen. So können neben Gegenständen aus unterschiedlichen Kunststoffen auch Objekte aus Glas-, Keramik- oder Metallpulver entstehen. Die ersten beiden werden mit Klebstoffen in Form gebracht, die Metalle mit Lasertechnik (Lasersintern). Sogar Holzwerkstoffe, die sich anschließend sägen, bohren und schleifen lassen, sind (aus Holzmehl und Bindemitteln) herzustellen.

Die Standard-Variante sind jedoch Kunststoffe. „Wir setzen hauptsächlich PLA ein“, sagt Silke Mittmann. PLA steht für sogenannte Polylacide, auch Polymilchsäuren genannt. Sie sind biologisch abbaubar und ähneln in ihren Eigenschaften dem Massenkunststoff PET. Das PLA ist in dünnen Strängen, die etwa den Durchmesser von Spaghetti haben, auf einer Spule aufgerollt. Der Härtegrad entspricht etwa dem von nicht weich gekochten Nudeln – Spaghetti „al dente“.

Der PLA-Strang wird durch einen Schlauch zum Druckkopf mit Düse geleitet und dort auf 150 bis 200 Grad erwärmt, sodass der Kunststoff schmilzt. Er ist ein sogenannter Thermoplast, das heißt, er kann sich verflüssigen, ohne dabei zerstört zu werden. Je nach dem wie fein die ausgewählte Düse ist (Durchmesser 0,3 bis ein Millimeter), wird das Objekt gröber oder filigraner, dauert der Ausdruck kürzer oder länger.

Der Gegenstand wächst Schicht für Schicht auf einem beheizbaren Objekttisch in die Höhe. „Wenn er nicht selbst stehen kann, dann erzeugt der Drucker zunächst ein Fundament, auf dem er die Form aufbaut. Diese Basis können Sie später abbrechen“, sagt Mittmann.

Doch bevor der Drucker einen Kunststoffgegenstand aufschichten kann, braucht er einen Bauplan vom Computer. Es gibt bereits verschiedene Software-Angebote (auch kostenlos im Internet), die die Ursprungsideen in 3-D-Druckaufträge umwandeln.

Florian Horsch nennt einige Varianten: „Aus dem Internet kann ich Modelle herunterladen, die ich auch anpassen kann – vielleicht brauche ich zum Beispiel einen Regalgriff zwei Zentimeter breiter als das Standardmodell. Für einfache Formen erlaubt eine Smartphone-App digitales Töpfern: Sie können mit dem Finger einen virtuellen Tonball nach oben streichen, seine Form modellieren und später Farben auftragen. Technische Bauteile kann man erst als zweidimensionale Skizze zeichnen, die man anschließend in die dritte Dimension rauszieht.“

Nicht jeder oder jede ist ausreichend begabt, um am Bildschirm Figürchen zu formen oder Skizzen anzufertigen, die sich in die dritte Dimension ziehen lassen, ohne dass das Objekt zur Unkenntlichkeit verklumpt. Hier helfen die Fertigformen aus dem Internet. Es gibt auch Programme, die aus Fotoserien (von mehreren Seiten aufgenommene Gegenstände) dreidimensionale Objekte zusammenpuzzeln.

In der Hamburger Zentralbibliothek ist zunächst der Ausdruck von kleinen Vorführmodellen geplant, die innerhalb einer Stunde (Dauer der Präsentation) fertig sind. „Wir können aber auch komplexere Objekte herstellen, dann starten wir halt den Ausdruck ein paar Stunden vor der Präsentation“, sagt Silke Mittmann. Rund 8000 Euro hat der Stiftung Öffentliche Bücherhallen die Anschaffung des Druckers inklusive Schulung der Mitarbeiter und einem anständigen Reservoir an „Druckertinte“ in Form von farbigen Kunststoffen gekostet. Mittmann: „Wir greifen einen Ansatz auf, der vor allem in den skandinavischen Ländern verbreitet ist: Dort haben bereits mehrere öffentliche Bücherhallen sogenannte FabLabs eingerichtet.“ Der Begriff steht für Fabrication Laboratorys: offene Werkstätten, in denen Technikfans Hightech-Geräte wie 3-D-Drucker kennenlernen können.

„Wir wollen unseren Bücherhallen-Kunden anbieten, uns Baupläne von Gegenständen zu schicken, die wir dann ausdrucken, sofern dies technisch machbar ist“, sagt Silke Mittmann. Derzeit entsteht am Hühnerposten eher Kleingedrucktes und das zunächst einfarbig. Mit zunehmender Übung der Mitarbeiter bekommt der Michel vielleicht bald Gesellschaft von Rathaus, Elbphilharmonie, Elbfähren und Alsterschiffen.

Die erste Vorführung des 3-D-Druckers startet am Sonnabend, 5.4., um 14 Uhr. Mitarbeiter der Zentralbibliothek stehen bis 18 Uhr zur Verfügung, um die Technologie vorzuführen. Anschließend soll es von Dienstag bis Sonnabend jeweils um 16 Uhr Präsentationen geben, sonnabends auch um 17 Uhr.

Buch: „3D-Druck für alle“, Florian Horsch, Hanser Verlag, 328 Seiten, 29,99 Euro (inklusive E-Book), ISBN 978-3-446-43698-5

Ein Video, das den Drucker in Aktion zeigt, ist unter www.abendblatt.de/Wissen-3D-Drucker zu sehen