Für das Militär entwickelter Fragebogen könnten helfen, die Diagnostik auch bei Polizisten und anderen zu verbessern. Millionen leiden Studien zufolge an Schlafstörungen.

Hamburg. Der Mensch verschläft etwa ein Drittel seines Lebens – zum Glück: Denn der Körper braucht diese Zeit wohl, um sich zu erholen. Ohne Schlaf würden wir sterben. Für viele Deutsche sind die Ruhephasen jedoch nur bedingt erholsam; Millionen leiden Studien zufolge an Schlafstörungen; etliche werden auch von Albträumen geplagt. Wie viele von ihnen Hilfe bekommen, ist unklar. Die Schlafmedizin ist noch eine recht junge Disziplin.

Handlungsbedarf sehen einige Ärzte insbesondere bei Menschen, die psychisch stark belastet sind – wie Soldaten. Die meisten Fragebogen, mit denen Schlafprobleme erhoben würden, zielten auf die Befindlichkeit der Patienten ab, also die Art und Weise, wie Menschen sich infolge von Schlafstörungen oder Albträumen fühlten, sagt Dr. Helge Höllmer, Leiter der Abteilung Psychiatrie und Psychotherapie am Bundeswehrkrankenhaus Hamburg. Das sei ein wichtiges Element der Diagnostik. Auch Indizien für organische Ursachen ließen sich mit verfügbaren Fragebogen gut erfassen. „Es gibt in Deutschland aber keine guten Erhebungsinstrumente, um Schlafstörungen und Albträume voneinander abzugrenzen, die psychische Ursachen haben, also etwa durch Depressionen oder Trauma verursacht werden“, sagt Höllmer.

Tatsächlich fehlten Fragebogen, die speziell für Soldaten und ähnlich belastete Menschen konzipiert seien, bestätigt der renommierte Schlafforscher Prof. Michael Schredl vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim. Einen besonderen Mangel sieht er bei Albträumen: „Es gibt im deutschsprachigen Raum keine Fragebogen, die das Albtraumerleben von Patienten systematisch erfassen.“

Diese Lücke will Helge Höllmer zusammen mit der Ärztin Katja Rebling und den Psychologen Robert Gorzka und Holger Schulz schließen. Auf der Jahrestagung der Gesellschaft für Psychotraumatologie, die heute in Hamburg beginnt, werden die Forscher das Konzept für zwei Fragebogen präsentieren, mit denen sich nach ihren Angaben sehr viel differenzierter als bisher feststellen lassen soll, was Patienten psychisch bedingt um den Schlaf bringt und welche Art von Albträumen sie heimsuchen. Michael Schredl hat einen Teil der Fragen mitkonzipiert.

Bisher sind die Fragebogen nur auf Soldaten ausgerichtet. „Die Motivation für die Entwicklung hatte damit zu tun, dass fast alle unserer Patienten, die an den Folgen von traumatischen Erlebnissen leiden, auch Schlafstörungen und Albträume haben“, erzählt Höllmer. „Und bei militärischen Einsätzen kommen diese Problem noch häufiger vor. Es gibt also einen klinischen Druck, die Diagnose und die Behandlung zu verbessern.“ Getestet hätten sie die Fragebogen an mehr als 600 Soldaten, die beim Heer, der Luftwaffe, der Marine oder als Sanitäter arbeiteten.

Zwar hat noch kein anderes Forschungsteam bestätigt, dass mit den neuen Fragebogen eine genauere Diagnose möglich ist, trotzdem hätten bereits mehrere deutsche Kliniken großes Interesse an den Fragebogen bekundet, sagt Höllmer. „Auch niedergelassene Psychiater sagen uns, wir mögen die Fragebogen bitte auch für Polizisten, Feuerwehrwehrleute und für den zivilen Bereich nutzbar machen.“

Deshalb wollen Höllmer und seine Kollegen das Konzept in den nächsten Monaten zunächst auch für Polizisten anpassen. Ab Oktober könnten die Fragebogen von mehreren Hundert Polizisten getestet werden. Ob dies möglich wird und in Hamburg geschieht, hängt aber davon ab, ob es zu Kooperationen mit Kliniken kommt, die Personal bereitstellen – allein können Höllmer und seine Kollegen vom Bundeswehrkrankenhaus die Tests nicht stemmen.

Drei Arten von Schlafstörungen unterscheiden die Wissenschaftler bei ihren Befragungen: Ob jemand zu wenig schläft (Insomnie), ob jemand viel mehr schläft als üblich und sich ständig müde fühlt (Hypersomnie) oder ob der Schlaf-wach-Rhythmus gestört ist.

Bei Albträumen unterscheiden sie zwischen zwei Arten: Idiopathische Albträume erlebt wohl jeder Mensch hin und wieder. Diese Träume haben unterschiedliche Inhalte, ihre Ursache ist meist unklar, und weil sie die Betroffenen in der Regel nicht dauerhaft beeinträchtigen, ist keine Behandlung nötig. Anders verhält es sich Höllmer zufolge, wenn Albträume auf traumatische Erlebnisse zurückgehen. „Dann haben die Betroffenen immer wieder denselben Albtraum. Allerdings findet dadurch keine Bewältigung des Traumas statt“, sagt der Mediziner. „In diesen Fällen ist meist eine Psychotherapie sinnvoll.“

Mit den Fragebogen allein ist es bei der Diagnose nicht getan. Sie lieferten zunächst nur Hinweise, sagt Höllmer. Hinzu komme ein ausführliches Gespräch mit dem Patienten; außerdem würden mittels EEG seine Hirnströme gemessen, um festzustellen, wie tief der Schlaf sei und wie lange Schlafphasen dauerten. Eine Blutanalyse weise zudem auf mögliche organische Ursachen hin. Durch die differenzierteren Fragebogen könne die gesamte Diagnose aber gezielter ablaufen, sagt Höllmer. „Die Hoffnung ist, dass dadurch auch eine bessere Behandlung ermöglicht wird.“

Öffentlicher Vortrag: Nach der Eröffnung der Jahrestagung der Gesellschaft für Psychotraumatologie gibt es heute, 20.3., von 17 bis 18 Uhr einen Vortrag von „Spiegel“-Redakteur Peter Wensierski. Thema: „Schläge im Namen des Herrn – Die verdrängte Geschichte der Heimkinder in der Bundesrepublik“. Universität Hamburg, Edmund-Siemers-Allee 1, Hauptgebäude, Hörsaal A, Eintritt frei.