Forschungsreport zeigt Ausmaß der Ausbeutung von Ressourcen im Ozeanboden und mahnt eine nachhaltigere Nutzung an

Hamburg. Der globale Hunger nach Energie- und anderen Rohstoffen verstärkt den Druck auf die Meere. Schon heute wird gut ein Drittel des Öls aus Meeresböden gepumpt. Am Grund der Ozeane lagern auch metallhaltige Ressourcen wie Manganknollen. Ihr Abbau könnte in naher Zukunft wirtschaftlich werden. „Wir müssen uns fragen, wie wir angesichts des Drangs zu den Rohstoffen den Schutz der Meere sicherstellen können“, sagte Prof. Martin Visbeck, Sprecher des Kieler Forschungsverbundes Ozean der Zukunft. Zusammen mit Nikolaus Gelpke, Herausgeber der Zeitschrift „mare“, präsentierte er am Donnerstag in der Speicherstadt den dritten „World Ocean Review“ zum Zustand der Meere.

Der Bericht „Rohstoffe aus dem Meer – Chancen und Risiken“ fasst allgemein verständlich den Wissensstand über die derzeitige Nutzung von Rohstoffen im Ozeanboden, über noch unerschlossene Lagerstätten sowie rechtliche Regularien zu deren Ausbeutung zusammen. „Der Bericht liefert die Fakten, um die Öffentlichkeit für das Thema zu sensibilisieren. Nur politischer Druck auf die nationalen Regierungen kann den Schutz der Weltmeere vorantreiben und damit ökologischen Schäden durch die Rohstoffgewinnung entgegenwirken“, sagte Nikolaus Gelpke.

Beispiel Öl- und Gasförderung: Nahmen die Bohrinseln zunächst nur küstennah Aufstellung, so sind sie längst in Tiefen von mehr als tausend Metern vorgedrungen. Die verunglückte „Deepwater Horizon“ bohrte im Golf von Mexiko in rund 1500 Meter Tiefe, als im April 2010 am Meeresboden ein Leck entstand und 780 Millionen Liter Öl ins Wasser schossen. Das zeigt, dass bei Havarien in solchen Tiefen eine ansonsten weitgehend ausgereifte Technologie an ihre Grenzen stößt.

Als Reaktion auf das Unglück hat die Ölindustrie Schutzhauben (Capping Stacks) entwickelt, die im Notfall über sprudelnde Lecks gestülpt werden können. In großen Förderregionen wie dem Golf von Mexiko werden inzwischen mehrere dieser Schutzhauben für den Notfall bereit gehalten. Gleichzeitig wird die Ölgewinnung aus der Tiefsee weiter vorangetrieben: „Zwischen den Jahren 2007 und 2012 wurden 481 größere Felder in Wassertiefen von mehr als 1500 Metern ausfindig gemacht“, ist im „World Ocean Review“ nachzulesen.

Ein weiteres Problem sei die ungerechte Verteilung der Gewinne aus der Ölförderung, betonte Visbeck und nannte als Beispiel Nigeria: „Ausgelaufenes Öl aus sabotierten Pipelines hat dazu geführt, dass weite Teile des Nigerdeltas vergiftet sind. Hier fördert vor allem Shell. Der verarmten Bevölkerung ist kein Vorwurf zu machen. Die Menschen versuchen nur, ihre Existenz zu sichern. Die Ölverschmutzungen sind ein Kollateralschaden einer verfehlten Entwicklungspolitik.“

Eine neuartige Energiequelle aus dem Meer könnte in Zukunft ins Spiel kommen: die Gasgewinnung aus Methanhydraten. Dies sind eisähnliche Substanzen, die sich bei Kälte und hohem Druck in Wassertiefen von 500 bis 3000 Metern bilden. Sinkt der Druck und steigt die Temperatur, so zerfällt die Verbindung wieder zu Wasser und dem Erdgasbestandteil Methan – ein Kubikmeter festes Hydrat liefert rund 160 Kubikmeter Methangas.

„Experten schätzen, dass in den Hydraten weltweit zehnmal mehr Gas enthalten ist als in allen konventionellen Lagerstätten“, steht im Bericht. Gerade energiearme Staaten wie Japan und Südkorea, die ihre Energierohstoffe importieren müssen, setzen auf diesen Schatz vor ihren Küsten. Im März 2013 gelang es Japan weltweit erstmalig, Erdgas aus unterseeischem Gashydrat zu gewinnen.

Auch der Abbau von Metallrohstoffen steht in den Startlöchern. Interessierte Unternehmen blicken nach Papua-Neuguinea. Dort plant ein australisches Unternehmen von 2016 an den Abbau von Metallsulfiden: metallhaltige Schwefelverbindungen, die aus thermalen Quellen (Schwarze Raucher) aus dem Boden austreten und sich als feste Substanzen um die Quelle herum ablagern. Sie enthalten Gold, Silber, Blei, Kupfer, Zink und verschiedene Spurenelemente in Konzentrationen, die den Abbau lohnenswert machen.

Auch Deutschland versucht, sich in internationalen Gewässern Abbaurechte zu sichern. Forscher der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) haben gerade bei der Internationalen Meeresbodenbehörde (IMB) in Kingston, Jamaika, eine Lizenz zur Erforschung von Metallsulfid-Vorkommen im Indischen Ozean gestellt. Auch für die Erkundung von Manganknollen-Vorkommen hält die BGR zwei Lizenzen im Zentralpazifik als Türöffner für den späteren Bergbau.

Allerdings ist von dem einstmals herrschenden Manganknollen-Hype nicht mehr viel zu spüren. „Alles, was wir vor 30 Jahren gesagt haben, sagen wir heute wieder: In 20 bis 25 Jahren werden wir Tiefseebergbau betreiben“, so Dr. Gerd Schriever, langjähriger Berater der IMB.

Ob Manganknollen jemals im großen Stil abgebaut werden, sei offen, so die Experten. Wenn dies in internationalen Gewässern geschehe, so gebe die IMB relativ strenge Umweltstandards vor. Das größere Problem liege in den nationalen Hoheitszonen, für die diese Regeln nicht gelten. Visbeck: „Viele Küstenstaaten möchten möglichst schnell viele Rohstoffe gewinnen, ohne große Rücksicht auf die Umwelt.“