Der „Jadehase“ zieht gerade seine ersten Spuren durch den Mondstaub. Jetzt wird bereits spekuliert, wann das Reich der Mitte die ersten Astronauten zu dem Erdtrabanten schickt

Peking. „Ein chinesischer Traum seit alter Zeit wird wahr“, jubelte Chinas Staatsfernsehen. Als dritte Nation der Erde ist China eine Mondlandung geglückt. Erstmals seit 37 Jahren landete mit der chinesischen Sonde „Chang'e 3“ wieder ein Raumschiff auf dem Erdtrabanten. Nach der erfolgreichen Landung in der „Bucht der Regenbogen“ rollte in der Nacht zum Sonntag das Mondfahrzeug „Jadehase“ (Yutu) über eine Rampe auf die Oberfläche des Erdtrabanten. Auf seiner Fahrt hinterließ der sechsrädrige Rover eine tiefe Spur im Mondstaub.

Der Mondflug demonstriert die technologische Leistungsfähigkeit der zweitgrößten Wirtschaftsnation und gilt als Vorstufe für eine mögliche bemannte chinesische Mondmission. Das Landemanöver am Sonnabend klappte jedenfalls problemlos. In der elfminütigen Schlussphase steuerte sich „Chang'e 3“ selbst. In 100 Meter Höhe schwebte das Raumschiff und suchte mit seinen Sensoren eine geeignete Landestelle. Auf den letzten vier Metern schaltete sich das Triebwerk ab, sodass die Sonde im freien Fall auf seine vier gefederten Füße fiel.

Nach der Landung um 14.11 Uhr MEZ brach im Kontrollzentrum in Peking spontan Jubel aus. Das Staatsfernsehen sprach von einem „historischen Augenblick“. Drei Monate lang soll das 140 Kilogramm schwere Mondfahrzeug die Oberfläche erkunden. An Bord befindet sich ein Radargerät, das die Mondkruste bis in 100 Meter Tiefe analysieren kann. Heizsysteme helfen, die Elektronik vor den enormen Temperaturschwankungen von 300 Grad zu schützen. Das Landefahrzeug soll ein Jahr lang stationär im Einsatz bleiben. Eine Rückkehr mit Gesteinsproben zur Erde ist erst für die nächsten Mondflüge bis 2017 geplant.

Der Flug der Sonde, die nach der Mondfee Chang'e benannt ist, wird von der europäischen Raumfahrtagentur Esa unterstützt, deren Aktivitäten im Kontrollzentrum in Darmstadt zusammenlaufen. Ihre Bodenstationen rund um den Globus helfen bei der Kommunikation und liefern präzise Positionsbestimmungen. „Die Esa ist eine große Hilfe für diesen Flug“, sagte der australische Raumfahrtexperte Morris Jones. „Ohne die Unterstützung gäbe es weniger Daten und eine schlechtere Abdeckung.“

Der Erfolg seines bislang schwierigsten unbemannten Abenteuers im All sei ein internationaler Prestigegewinn für China, „der bedeutende geopolitische Auswirkungen und Vorteile hat“, sagte die Expertin Joan Johnson-Freese vom US Naval College. Vor dem Hintergrund der aufgeflammten Spannungen in den Inselstreitigkeiten mit seinen Nachbarn erinnere die Landung auch daran, „dass China eine wachsende Militärmacht ist“, sagte Dean Cheng von der US-Denkfabrik Heritage Foundation in Washington.

„China hat ein ausgewachsenes Raumfahrtprogramm und kann seine Ressourcen für alles Mögliche einsetzen – von Waffenlenksystemen über weltraumgestützte Aufklärung bis hin zu globaler Kommunikation“, sagte der China- und Raumfahrtexperte. „Im Falle eines Konfliktes stellt China eine ganz andere Herausforderung dar als irgendeine Nation in den vergangenen zwei Jahrzehnten.“

„Im Vergleich zum Wettrennen im All zwischen den USA und der Sowjetunion basiert die Rückkehr der Menschheit zum Mond eher auf Neugier und dem Willen, das unbekannte Universum zu erforschen“, sagte Sun Huixian, Vize-Chefingenieur des Mondprogramms, der Nachrichtenagentur Xinhua.

Spekuliert wird nun, ob und wann China mit einem Astronauten in die Fußstapfen von Neil Armstrong treten wird – dem ersten Menschen auf dem Mond. „Der Adler ist gelandet“, hatte Armstrong verkündet, als die amerikanische Mondfähre am 20. Juli 1969 auf der Mondoberfläche aufgesetzt hatte. Die USA hatten zwischen 1969 und 1972 zwölf Astronauten auf den Erdtrabanten gebracht. Zuletzt war vor 37 Jahren die sowjetische Sonde „Luna 24“ auf dem Mond gelandet.

„Wenn die Erfolge andauern, ist es wahrscheinlich, dass China seine Programme zu bemannten Mondflügen kombiniert. Es wäre nach den USA dann erst die zweite Nation, die so etwas unternimmt“, sagte Johnson-Freese. „China blickt aus den gleichen Gründen auf den Mond wie die USA vor mehr als 40 Jahren, darunter die technischen und wirtschaftlichen Nebeneffekte und die militärischen Anwendungen von Technologien, die zivilen und militärischen Zwecken gleichzeitig dienen.“ Auch der chinesische Professor Jiao Weixin von der Peking Universität hält einen bemannten Mondflug für möglich. „Wenn alle Schritte erfolgreich verlaufen, werden die Grundlagen gelegt, einen Menschen zum Mond zu schicken.“ Noch gebe es aber keine Entscheidung, geschweige denn einen Plan. „Ein großes Land wie unseres muss sich auch um das Wohlergehen von 1,4 Milliarden Menschen kümmern.“

Ein bemannter Mondflug Chinas ist nach Ansicht des Raumfahrtexperten Morris Jones ohnehin „nicht vor 2025 möglich“. Zwar seien Raumflüge heute technologisch leichter, doch blieben sie eine enorme Herausforderung, sagt Dean Cheng. „Es ist wie laufen lernen“, sagt Cheng. „Generationen von Menschen haben über Jahrhunderte laufen gelernt. Das macht die ersten Schritte ihres Sohnes oder ihrer Tochter aber nicht leichter.“

China denkt sehr langfristig und zeigt auch Interesse an den Rohstoffen auf dem Mond. Insbesondere geht es dabei um Helium-3. Das Isotop gilt als möglicher Brennstoff für Kernfusionskraftwerke in ferner Zukunft. Solche Kraftwerke, die wie die Sonne Energie erzeugen sollen, könnten den Bedarf der Welt umweltfreundlich stillen. Der internationale Versuchsreaktor ITER, der – auch unter chinesischer Beteiligung – im südfranzösischen Cadarache entsteht, muss aber noch zeigen, dass ein energielieferndes Fusionsfeuer überhaupt möglich ist.

In vielleicht 30 Jahren, so hoffen die Experten, könnte es möglich sein, einen kommerziellen Fusionsreaktor zu bauen. Auf der Erde gibt es nach Schätzungen aber nur 15 Tonnen Helium-3. Der führende Berater des chinesischen Mondprogramms, Ouyang Ziyuan, schätzte die Vorkommen auf dem Mond auf eine bis fünf Millionen Tonnen – genug, um den Energiebedarf auf der Erde für Tausende von Jahren zu sichern.

„Es ist aber sehr schwer zu gewinnen“, sagt Professor Jiao Weixin. „Weil es unter der Mondoberfläche lagert, muss tief gegraben und die Monderde auf mehrere Hundert Grad erhitzt werden, damit das Gas abgegeben wird.“ Auch ein Transport zur Erde sei „zumindest für die nächsten Jahrzehnte nicht machbar“. Vielleicht könnten aber bemannte Mondbasen eines Tages die Rohstoffe nutzen. „Heute ist es verfrüht, sich auf eine Ausbeutung der Rohstoffe des Mondes zu konzentrieren“, sagt auch der Experte Cheng. „Die Kosten sind noch viel zu hoch.“