Efeu, Drachenbaum und anderes Grün geben Feuchtigkeit ab, reduzieren die Keimbelastung und können sogar Schadstoffe abbauen

Hamburg. Die Grünlilie (Chlorophytum elatum) blüht unscheinbar weiß, lässt daraus jedoch vermehrungsfreudige Ableger entstehen, die im eigenen oder in anderen Blumentöpfen Wurzeln schlagen. Die Echte Aloe (Aloe barbadensis) gibt sich auf der Fensterbank etwas zurückhaltender und wirkt durch ihre fleischigen, mit kleinen Haken besetzten Blättern eher wehrhaft. So unterschiedlich die beliebten Zimmerpflanzen auch sind, eines haben sie gemeinsam: Sie bauen sehr wirksam den Schadstoff Formaldehyd ab. Andere Arten beseitigen weitere Problemstoffe in der Raumluft. Gerade im Winter, wenn sich die Menschen fast ausschließlich in Gebäuden aufhalten, sind die wohltuenden Wirkungen von Zimmerpflanzen wichtig.

Formaldehyd ist ein klassischer Raumluftschadstoff. Die Substanz wird vielfältig verwendet, vor allem als Bindemittel in Span- und Sperrholzplatten, Leimen und Lacken. Auch Kosmetika, Reinigungsmitteln, Papier und Textilien wird Formaldehyd zugesetzt, etwa zur Desinfektion oder Konservierung. Die Grünlilie und die Echte Aloe können bis zu 90 Prozent des in der Raumluft befindlichen Formaldehyds abbauen. Das stellte bereits 1984 der Nasa-Forscher Dr. Bill Wolverton fest, der im Auftrag der US-Raumfahrtbehörde nach Wegen suchte, um die Luft in Raumstationen zu verbessern.

Wolverton setzte unterschiedliche Zimmerpflanzen in gasdichten Kammern verschiedenen Schadstoffen in geringen Konzentrationen aus und wies mit Messgeräten nach, wie schnell die Luftbelastung in den Kammern abnahm. Dabei schnitten neben den genannten Arten auch Philodendron und Drachenbaum, Efeu- und Purpurtute beim Formaldehydabbau glänzend ab. Dagegen bauten Efeu, Einblatt und Drachenbaum besonders effektiv Benzol ab. Mit Trichloräthylen hatten alle grünen Luftreiniger Probleme – der Spitzenreiter, das Einblatt, beseitigte gerade einmal 23 Prozent der Substanz.

Botaniker der Universität Köln erforschten die reinigenden Eigenschaften des Grünzeugs genauer. Die Pflanzen nehmen einen Teil der problematischen Substanzen direkt über ihre Atmung durch die Spaltöffnungen auf. Dort werden die Moleküle zerlegt und in die Pflanze eingebaut – am bekanntesten ist dies vom Kohlendioxid (Fotosynthese).

Der Löwenanteil der Schadstoffe wird im Wurzelwerk unschädlich gemacht. Dort leben Bakterien, die diese und andere organische Verbindungen in Substanzen zerlegen, die zum Teil selbst vernascht oder als Pflanzennährstoffe den Wurzeln zugänglich gemacht werden. Dies ist ein Geschäft auf Gegenseitigkeit. Denn umgekehrt scheiden die Wurzeln Zucker und Aminosäuren aus, die das Bakterienwachstum begünstigen.

Verschiedene Firmen machen sich die reinigenden Eigenschaften von Pflanzen zunutze und bieten die Zimmergewächse als Luftverbesserer im Internet an. Zum Teil ist von besonders effektiven belüfteten Töpfen zu lesen (PolluSan, Andrea Air Luftreiniger). Allerdings sei die verstärkte Reinigungswirkung des belüfteten Wurzelraumes auch bei den gängigen Hydrokulturen zu erwarten, sagt der Hamburger Raumluftexperte Roland Braun. „Die Tonkügelchen lassen ebenfalls Luft in den Topf, solange das empfohlene Wasserniveau gehalten wird.“

Braun sieht die wohltuende Wirkung des Zimmergrüns „weit überwiegend als psychologischen Effekt“ – die Pflanzen erfreuten die Menschen, machten die Umgebung „schöner und natürlicher“. Zusätzlich erhöhen sie in der Heizperiode, in der die Raumluft trocken ist, durch die Verdunstung die Luftfeuchte. Und das Blattwerk filtere Feinstaub aus der Luft, so Braun. „Wer jedoch ein Schadstoffproblem hat, muss die Ursache klären und abstellen“, betont der Ingenieur und Biologe.

So sieht es auch Gabriele Kranz, Botanikerin am Biozentrum Klein Flottbek. Doch gebe es genügend Studien, die zeigten, dass Zimmerpflanzen die Raumluft allgemein verbessern, etwa das Projekt „Das grüne Büro“des Autoherstellers BMW. Er hatte ein Großraumbüro (Fläche: 308 Quadratmeter), in dem 21 Angestellte arbeiten, mit 69 Pflanzen begrünt und die Effekte auf die Raumluftqualität ermittelt: Die Belastung mit flüchtigen organischen (Schad-)Stoffen, sogenannte VOC, war um 68 Prozent gesunken, und auch die Anzahl der Keime pro Kubikmeter Luft war im Vergleich zu pflanzenlosen Referenzbüros deutlich geringer (40 bis 120 Kolonie bildende Einheiten (KBE) gegenüber 120 bis 560 KBE).

Die Wohlfahrtswirkung der Zimmerflora ist jedoch keine Einbahnstraße. Als Gegenleistung verlangen die grünen Helfer gute Pflege. „Damit die Pflanzen ihre Wirkungen entfalten können, müssen sie in einem fitten Zustand sein“, sagt Kranz. Neben der passenden Zufuhr an Wasser, Licht und Nährstoffen sollten eingestaubte Blätter gesäubert werden (abduschen, vorsichtig feucht abwischen), damit sie wieder durchatmen können.

Am schnellsten und besten lasse sich die Raumluftqualität aber durch Lüften verbessern, betont Roland Braun. „Neubauten werden immer dichter, und auch gut gedämmte Altbauten brauchen heute ein Lüftungskonzept.“ Für den Alltagsgebrauch nennt Braun die Daumenregel: Berufstätige sollten morgens und abends jeweils fünf bis zehn Minuten lüften – je größer der Temperaturunterschied zwischen innen und außen ist, desto schneller tauscht sich die Luft aus. Wer sich tagsüber in der Wohnung aufhält, sollte häufiger das Fenster öffnen und für Frischluftzufuhr sorgen. Während der restlichen Zeit werden vitale Pflanzen für ein gutes (oder zumindest besseres) Raumklima sorgen.