Wie misst man den Atem von Böden, einer Wiese oder eines Maisackers? haben die Treibhausgas-Emissionen von landwirtschaftlichen Kulturen erfasst, die auf Moorböden wachsen.

Meggerdorf. Um den Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) eines Menschen zu ermitteln, reicht es, ihm eine Gasmaske überzustülpen und den CO2-Gehalt seines Atems zu messen. Aber wie misst man den Atem von Böden, einer Wiese oder eines Maisackers? Kieler Forscher haben die Treibhausgas-Emissionen von landwirtschaftlichen Kulturen erfasst, die auf Moorböden wachsen. Fazit: Je höher der Grundwasserstand, desto geringer ist der Abbau der Torfschicht und damit der CO2-Ausstoß. Die Forscher schlagen vor, die Entwässerung von Wiesen so zu regulieren, dass der Grundwasserspiegel möglichst hoch ist, aber die Bewirtschaftung kaum beeinträchtigt.

Moorböden sind große Kohlenstoffspeicher. Intakte Moore konservieren in der Torfschicht besonders viel Kohlenstoff, den die halb verrotteten Pflanzen zuvor als CO2 aus der Luft aufgenommen hatten. Die Böden sind bis zu zehnmal kohlenstoffreicher als andere Böden. Doch wenn Moore entwässert werden, beginnen Mikroorganismen, die Torfschicht zu zersetzen. In den oberen Bodenschichten, wo Sauerstoff vorhanden ist, entsteht CO2, weiter unten Methan. Wenn der Boden dazu noch umgepflügt wird, um Ackerland zu gewinnen, erhöht sich der Treibhausgas-Ausstoß deutlich.

Dass entwässerte Moore das Klima schädigen, ist bekannt – Agrarflächen auf Moorböden sind deshalb aus ökologischer Sicht besonders kritisch. Wie viel Treibhausgase setzen die intensive Grünlandnutzung der Milchbauern und der Anbau von Mais und Getreide auf Moorböden frei? Dieser Frage geht ein Forscherteam um Prof. Friedhelm Taube vom Institut für Pflanzenbau der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel nach. „Das Bundesforschungsministerium finanziert ein großes Programm, um das Treibhausgasinventar der Landwirtschaft zu erheben. Ein Standort in Schleswig-Holstein ist nicht dabei. Deshalb haben wir im April 2011 unser eigenes Projekt gestartet“, sagt Taube.

Unter stahlblauem Himmel und im kühlem Herbstwind steht der Professor auf einem Holzsteg in einer feuchten Brachfläche. Sie liegt, wie die anderen drei Standorte der Feldforschung, in der Eider-Treene-Sorge-Niederung bei Meggerdorf, westlich von Rendsburg. Der Steg führt zu zwei Messpunkten. Der erste ist sehr unscheinbar: Im Wildwuchs stehen drei Ringe mit einem Durchmesser von 60 Zentimetern im Boden. Auf die Ringe setzen die Forscher Kunststoffzylinder auf, so dass der gesamte Pflanzenwuchs wie unter einer Käseglocke luftdicht abgeschlossen ist. Dann wird in ein- bis zweiminütigen Messungen der CO2-Gehalt im Inneren des Behälters ermittelt, zusätzlich werden Gasproben für Laboruntersuchungen gezogen.

„Wir können den CO2-Gehalt direkt ablesen“, sagt Arne Poyda. Er ist einer von zwei Feldforschern, die bei gutem Wetter von Sonnenaufgang bis zum mittäglichen Höchststand immer dann der Vegetation die Messhaube aufsetzen, wenn ihr Sensor eine veränderte Sonnenstrahlung anzeigt. Die Wissenschaftler ermitteln so die CO2-Aufnahme der Pflanzen. Diese nutzen das Gas für ihr Wachstum, mit Hilfe der Fotosynthese. Und die braucht – der Name sagt es schon – Sonnenlicht. Die Luft unter dem transparenten Zylinder enthält also tendenziell weniger Kohlendioxid als die Umgebung. Wenn Arne Poyda den Pflanzen dagegen einen undurchsichtigen Zylinder überstülpt, unterbindet er die Fotosynthese und misst die Atmung der Pflanzen und des Bodens. Dabei wird, wie beim Menschen, CO2 freigesetzt.

Die Gasprobe, die bei den Messungen zusätzlich genommen wird, landet im Labor in einem Gaschromatografen. Diese Geräte können verschiedene Substanzen erkennen, darunter Lachgas und Methan, zwei deutlich wirksamere Treibhausgase als CO2. Auch sie entweichen aus den Böden und werden in CO2-Einheiten (Äquivalente) umgerechnet, um den gesamten Treibhausgasausstoß angeben zu können.

Der Holzsteg führt die Forscher ein paar Meter weiter ins Brachland. Dort steht ein Messturm, der an eine Antenne erinnert, aber deutlich wertvoller ist (Kosten: rund 80.000 Euro). Es ist eine Leihgabe des US-Landwirtschaftsministeriums. Die Anlage ist mit Instrumenten bestückt, die neben Wetterdaten vor allem die CO2-Konzentration in der bewegten Luft erheben, mit der sogenannten Eddy-Kovarianz-Messung: Es wird davon ausgegangen, dass der Stofftransport zwischen bodennaher Luft und Atmosphäre durch unzählige kleine Luftwirbel (Eddys) erfolgt. Dreidimensionale Messfühler, die an Greifarme erinnern, können diese Eddys erfassen und damit großflächige CO2-Emissionsdaten liefern.

Die Kieler Forscher wollen bis Frühjahr 2014 weitermessen. Aber schon jetzt steht fest: Bei Grünland macht der Grundwasserstand einen großen Unterschied. Die Wiesenfläche, unter der das Grundwasser im Schnitt über das Jahr gerechnet 40 Zentimeter unter der Grasnarbe stand, emittierte 51,9 Tonnen CO2-Äquivalente je Hektar (ha) und Jahr, die nassere Fläche (mittlerer Grundwasserstand: -20 cm) dagegen nur 18,4 Tonnen CO2. Die Brachfläche liegt bei 2,1 Tonnen.

Aus der Ackerfläche entweichen jährlich sogar 75,7 Tonnen CO2/ha. Wächst jedoch Mais auf dem Acker, so bindet er soviel CO2, dass die Fläche annähernd klimaneutral ist. Doch dabei blieben die heftigen historischen Emissionen unberücksichtigt, sagt Taube und warnt vor den Klimaschäden, die entstehen, wenn Grünland umgepflügt wird. Immerhin habe sich der ungute Trend zu immer mehr Mais-Monokulturen in Schleswig-Holstein umgekehrt: „In den vergangenen zwei Jahren sind 10.000 bis 12.000 Hektar Maisfläche wieder in Grünland umgewandelt worden.“

Ziel des Kieler Projekts ist eine produktbezogene Angabe des CO2-Ausstoßes (Carbon Footprint genannt), also der Ausstoß, der bei der Produktion von einem Liter Milch (ohne Transport und Vermarktung) entsteht. Dabei sind die Methan rülpsenden Rindviecher nicht das größte Problem. Taube: „70 bis 80 Prozent des Carbon Footprints von Milch entsteht bei der Futtermittelproduktion.“

Wie die Grünlandbewirtschaftung auf Moorböden klimafreundlicher gestaltet werden könnte, haben die Kieler Forscher jetzt gezeigt. Sie plädieren für möglichst hohe Grundwasserstände, die aber die Mähzeitpunkte wenig beeinflussen sollten. Dazu müssten die Wasserstände so reguliert werden, dass das Grundwasser in der Vegetationsperiode etwa 40 Zentimeter unter den Wiesen steht statt der heute üblichen 60 bis 70 Zentimeter.

Noch wirksamer wäre der Schritt zur extensiven Weidehaltung, wie sie in Irland betrieben wird. Dort fressen die Kühe nur Gras, dafür gibt jede Kuh jährlich „nur“ 6000 Liter Milch im Jahr. Eine schleswig-holsteinische Kuh, die im Stall gehalten wird, braucht neben Gras bis zu drei Tonnen Kraftfutter. Taube: „Rechnet man die Folgen des Sojaanbaus in Brasilien mit ein, dann ist der Carbon Footprint einer Hochleistungskuh dreimal höher als der einer Weidekuh. Aber das ist wieder eine andere Geschichte.“