Auf einem internationalen Symposium in Hamburg werden aktuelle Forschungsergebnisse zur Behandlung von Angststörungen vorgestellt

Hamburg. Ein Überfall kann Menschen seelisch so verletzen, dass die Folgen noch jahrelang spürbar sind. So reicht dann zum Beispiel manchmal schon ein Blick auf eine ähnlich dunkle Straße wie damals, um die schrecklichen Erlebnisse wieder wachzurufen. Mediziner sprechen in solchen Fällen von einer posttraumatischen Belastungsstörung. Wissenschaftler des Universitätsklinikums Eppendorf (UKE) haben zusammen mit Kollegen aus anderen Instituten in Deutschland und Österreich jetzt herausgefunden, dass das altbewährte Parkinson-Medikament L-Dopa in Kombination mit einer Psychotherapie Angstpatienten helfen könnte. Die Ergebnisse ihrer Studie haben sie kürzlich in der Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Science“ veröffentlicht.

„Grundlage für unsere Forschungen ist folgendes Modell einer Angsterkrankung: Es gab ein traumatisches Erlebnis, und danach hat sich ein Gedächtnis dafür entwickelt. Das hat zur Folge, dass Reize, die in Zusammenhang mit diesem traumatischen Erlebnis stehen, wie etwa der Anblick der dunklen Straße, immer eine übertriebene Furchtreaktion bei den Patienten auslösen“, sagt der Wissenschaftler und Apotheker Dr. Jan Haaker, Hauptautor der Studie, der erst kürzlich vom UKE an das renommierte Karolinska-Institut nach Stockholm wechselte, in die Abteilung für klinische Neurowissenschaften.

Die klassische Behandlungsmethode für diese Störung und andere Angsterkrankungen ist die Verordnung von angstlösenden Medikamenten und die sogenannte expositionsbasierte Verhaltenstherapie. Bei dieser Form der Psychotherapie wird versucht, eine Abschwächung der Furchtreaktion zu erreichen, indem der Patient immer wieder der beängstigenden Situation ausgesetzt wird und dabei die Erfahrung macht, dass ihm keine Gefahr droht. Das Furchtgedächtnis wird dadurch nicht gelöscht, sondern durch die Sicherheitserfahrung unterdrückt, die der Patient in der Verhaltenstherapie macht. „Es gibt allerdings einen Knackpunkt: Diese Sicherheitserfahrung, die man lernt, ist an Situationen gebunden. Was in der Therapie gut funktioniert, muss nicht zwangsläufig außerhalb der Therapie genauso gut funktionieren. Das kann bedeuten: Gehe ich mit einem Therapeuten in die dunkle Straße, ist die Angst verschwunden, gehe ich allein, kommt sie wieder zurück“, erklärt Haaker.

An diesem Punkt setzt das Medikament L-Dopa an. Dabei handelt es sich um eine Vorstufe des körpereigenen Nervenbotenstoffes Dopamin, die den Dopaminspiegel im Gehirn erhöht. „Bekannt war bereits, dass Dopamin ein wichtiger Botenstoff ist, der im Zusammenhang mit Lernen und Gedächtnis steht“, sagt Haaker. Darauf baute die Versuchsanordnung auf: Am UKE wurde eine Studie mit 39 gesunden Versuchspersonen durchgeführt und eine mit Mäusen. Auch in den anderen Instituten in Deutschland und Österreich wurden Mäuse untersucht.

„Die Theorie besagt, dass wir etwas lernen und sich danach das Gedächtnis bildet. Also haben in den Studien Menschen und Mäuse nach einer vorangegangenen Furchtreaktion eine Sicherheitserfahrung gelernt und danach Placebo oder L-Dopa bekommen. Dann haben wir beobachtet, dass bei Menschen und Mäusen, die Placebos bekommen haben, die Angst zurückkehrt, bei denen, die L-Dopa bekommen haben, aber nicht“, berichtet Haaker.

In Aufnahmen mit der funktionellen Magnetresonanztomografie und in Analysen von Aktivitätsmustern der Nerven bei Mäusen sahen die Forscher, dass die Aktivität in der Amygdala verringert war, wenn diese nach dem Lernen L-Dopa bekommen haben. In dieser Hirnregion wird Furcht verarbeitet oder gebildet. „Gleichzeitig konnten wir sehen, dass die Aktivität im sogenannten ventromedialen präfrontalen Cortex erhöht war, einer Region, die in Zusammenhang mit dem Sicherheitsgedächtnis steht“, sagt Haaker. Daraus könne man den Schluss ziehen, dass L-Dopa das Sicherheitsgedächtnis verstärkt. Warum das Medikament allerdings nicht auch gleichzeitig das Furchtgedächtnis aktiviert, ist unklar.

Es gebe Hinweise darauf, dass L-Dopa spezifisch auf die Region des Sicherheitsgedächtnisses wirke, während das Gedächtnis gebildet wird. Aber das müsse noch in weiteren Studien untersucht werden, meint der Wissenschaftler. Klar ist schon jetzt: „Das ist ein ganz neuer Ansatz, das Erlernte aus einer Psychotherapie durch Medikamente zu verstärken und nicht die Symptome einer Angst zu lindern.“

Die Studie wird auch auf einem internationalen dreitägigen Symposium zum Thema Furcht, Angst und Angsterkrankungen vorgestellt, das heute in Hamburg beginnt und vom gleichnamigen Sonderforschungsbereich organisiert wurde. Dieser, von der deutschen Forschungsgesellschaft geförderte Sonderforschungsbereich (SFB-TRR 58) ist ein gemeinsames Projekt der Universitäten Münster, Mainz und Würzburg sowie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf.

Langfristig wollen die Wissenschaftler Risikofaktoren für Patienten herausfinden und neue Therapieformen entwickeln. Auf dem Programm stehen daher zahlreiche Vorträge über die Entstehung und Behandlung dieser Störungen. „Dabei geht es zum Beispiel darum, wie das Lernen und Verlernen von Furcht funktioniert, welche Nervenzellen und Botenstoffe daran beteiligt sind und welche Hirnregionen“, erklärt Dr. Tina Lonsdorf vom Institut für systemische Neurowissenschaften des UKE, die das Symposium mit organisiert hat. Zudem werden klinische Studien vorgestellt, in denen genetische Eigenschaften oder andere Faktoren für den Therapieerfolg bei Angstpatienten untersucht wurden.