Forscher sehen in zuckerhaltigen Getränken die Ursache, warum die Zahl der Erkrankungen in zehn Jahren um das Dreifache gestiegen ist. Als Hauptursache wird der gestiegene Fleischverzehr angesehen.

Hamburg. Eine bewährte Regel zur Vorbeugung gegen Nierensteine lautet: trinken, trinken, trinken! Besonders im Sommer und bei Anstrengung sollte man durch häufige Spülung des Harntraktes der Bildung und Ablagerung von Kristallen entgegenwirken. Dabei kommt es aber auf die Wahl des richtigen Getränks an. Wissenschaftler warnen: Manches bewirkt nämlich das Gegenteil und führt verstärkt zu Nierensteinen, ergab eine Langzeitstudie aus den USA.

In den Wohlstandsländern sind Nieren- und Blasensteine eine Volkskrankheit geworden. Auch in Deutschland leiden immer mehr unter Harnsteinen: „Die Zahl der Neuerkrankungen hat sich in den letzten zehn Jahren verdreifacht. Heute ist fast jeder 20. Bundesbürger einmal oder mehrfach im Leben betroffen“, beklagt die Deutsche Gesellschaft für Urologie (DGU).

„Die Gründe liegen in veränderten Lebensumständen, modernen Ernährungsgewohnheiten, aber auch einer verbesserten medizinischen Grundversorgung“, sagt Professor Dr. Thomas Knoll, Chefarzt der Urologischen Klinik Sindelfingen und Vorsitzender des Arbeitskreises „Harnsteine“ der Akademie der Deutschen Urologen.

Als Hauptursache wird der gestiegene Fleischverzehr angesehen. Auch salzige Nahrung, zu viel Alkohol und die sitzende Lebensweise dürften einen Anteil haben. Bei Menschen, die sich vegetarisch ernähren, beträgt die Steinhäufigkeit nur zehn Prozent des Anteils in der Normalbevölkerung. Zudem haben gestresste Stadtbewohner mehr Nierensteine als die Landbevölkerung, Akademiker mehr als körperlich Tätige, Selbstständige mehr als Angestellte.

Jetzt glauben Wissenschaftler am Brigham and Woman’s Hospital in Boston einen weiteren Übeltäter entdeckt zu haben: den Zucker in Softdrinks und Erfrischungsgetränken. Nephrologe Dr. Pietro Manuel Ferraro und sein Team analysierten die Daten von drei Studien, in denen über 194.000 Teilnehmer über acht Jahre beobachtet und ausführlich auch nach Trinkgewohnheiten befragt wurden.

Die Nierenexperten stellten fest: Probanden, die täglich mindestens eine „klassische“, zuckerhaltige Cola tranken, hatten ein um 23 Prozent höheres Risiko für Nierensteine als andere, die seltener als einmal in der Woche Cola zu sich nahmen. Noch gefährlicher erwiesen sich andere zuckerhaltige Brausegetränke: Wer täglich derartige Softdrinks (amerikanisch: „noncola sodas“) trank, hatte ein um 33 Prozent erhöhtes Risiko für Nierensteine. Entwarnung gab es für Kaffee, Tee, Wein und Bier: Kaffeetrinker hatten ein um 26 Prozent reduziertes Nierenstein-Risiko. Tee verringerte die Gefahr um elf Prozent, Rotwein um 31, Weißwein um 33, Bier sogar um 41 Prozent.

Nierensteine entstehen durch Ausfällung von Mineralsalzen, die normalerweise im Urin gelöst sind. Manchmal bleiben die Steine lange unentdeckt, bei anderen führen sie zu quälenden Koliken: Der Schmerz tritt meist schlagartig auf und strahlt nicht nur in die Nierengegend, sondern oft in die Flanken, den Unterbauch und zum Hodensack und in die Schamlippen aus.

Der an- und abschwellende, scharf stechende Schmerz kann eine extreme Intensität erreichen, die als geradezu vernichtend empfunden wird. Der Schmerz-Anfall ist oft von Schweißausbrüchen, Übelkeit, Erbrechen, Schüttelfrost und Fieber verbunden. Der Urin ist durch Blut gefärbt. Der Betroffene muss oft Wasser lassen, vor allem, wenn der Stein durch den Harn abgeht.

Steine mit einer Größe unter fünf Millimetern haben eine Wahrscheinlichkeit von 80 Prozent, mit dem Harn ausgeschieden zu werden. Bei Steinen von sieben Millimetern und mehr wird gewöhnlich ärztliche Hilfe benötigt.

Zur Diagnose stehen verschiedene Methoden zur Verfügung: Bei der Ausscheidungsurografie erhält der Patient über die Vene ein Kontrastmittel verabreicht. Unter Röntgenkontrolle kann der Urologe die Ausscheidung über die Harnwege verfolgen und die Lage und die Art der Steine bestimmen. Auch das Ausmaß einer Harnstauung wird auf diese Weise sichtbar gemacht.

Eine weitere Untersuchungsmethode ist das retrograde Ureteropyelogramm (UPG). Dabei führt der Urologe ein Instrument durch die Harnröhre in die Blase ein und leitet dadurch ein Kontrastmittel in den Harnleiter.

Die Behandlung hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt. Noch vor 30 Jahren war die offene Steinoperation die häufigste Therapieform, die oft als Notfalleingriff durchgeführt wurde. Heute spielt sie mit einem Prozent aller Steinbehandlungen nur eine geringe Rolle. Heute gibt es wirksamere Medikamente gegen die Steinbildung und bessere Methoden zur Zerkleinerung oder Beseitigung der Steine.

Einen maßgeblichen Anteil an dieser Entwicklung hat die 1980 erstmals klinisch eingesetzte Zertrümmerung der Steine mit Stoßwellen (extrakorporale Stoßwellenlithotripsie ESWL). Heute können 70 Prozent der Patienten mit Nieren- und Harnleitersteinen mittels ESWL behandelt werden, weitere 15 Prozent in Kombination mit einem endoskopischen Verfahren. Eine endoskopische Behandlungsmöglichkeit funktioniert folgendermaßen: Durch die Haut oder durch die Harnröhre wird mit einer Punktionsnadel ein dünner Kanal bis zur Niere angelegt. Durch ihn führt der Arzt ein optisches Instrument ein. Er kann dann die Harnsteine in der Niere zertrümmern und mit einem zangenähnlichen Instrument entfernen.

Um das Entstehen von Nierensteinen zu verhindern oder einem Wiederauftreten vorzubeugen, empfehlen Urologen, am Tag 2,5 bis drei Liter Flüssigkeit zu trinken. Um während der Schlafphase keine „Durststrecke“ entstehen zu lassen, sollte auch vor dem Schlafengehen getrunken werden. „Nächtliches Wasserlassen sollte für Harnsteinpatienten normal sein“, betonen die aktuellen Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Urologie ausdrücklich. Empfohlen werden „harnneutrale“ Getränke wie Nieren-, Blasentee und verdünnte Zitrussäfte. Auch natriumarme Mineralwässer sind geeignet.