Auch in Hamburg wurden Brustimplantate mit Billigsilikon der Firma PIP ausgewechselt. Ein Hamburger Arzt hat mehrere Frauen behandelt und berichtet über seine Erfahrungen.

Hamburg. Knapp anderthalb Jahre ist es her, als bekannt wurde, dass das französische Unternehmen Poly Implant Prothese (PIP) für die Herstellung von Brustimplantaten statt medizinischem Silikon Billigmaterial aus dem Baumarkt verwendet hatte. Mittlerweile haben viele Frauen die Implantate auswechseln lassen. Auch Dr. Alexander Handschin, Chefarzt der Abteilung für Plastische Chirurgie in der Hamburger Klinik Dr. Guth, hat seitdem 40 dieser Frauen operiert und entdeckte dabei Befunde, die ihn selbst überraschten: „In neun von zehn Fällen waren die Implantate gerissen und Silikon in das Gewebe ausgetreten. Aber es gab nur einige Frauen, bei denen sich das durch Schmerzen oder Verhärtungen bemerkbar gemacht hatte.“

Das waren Frauen, die in der Regel vor vielen Jahren eine Brustvergrößerung hatten machen lassen. Zwei Drittel von ihnen hatten sich aus ästhetischen Gründen dazu entschlossen. Bei einem Drittel musste die Brust wegen eines bösartigen Tumors entfernt werden oder die Frauen hatten sich entschieden – wie gerade die Schauspielerin Angelina Jolie –, sich die Brust wegen eines hohen Brustkrebsrisikos entfernen zu lassen. „Meine älteste Patientin war eine 65-Jährige, die Anfang der 90er-Jahre wegen eines Brustkrebses operiert wurde und bereits damals mit den minderwertigen PIP-Implantaten versorgt worden war“, sagt Handschin.

Allen Patientinnen wurde geraten, sich die PIP-Implantate herausnehmen und gegen hochwertige Prothesen austauschen zu lassen, im Einklang mit den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Plastische, Rekonstruktive und ästhetische Chirurgie (DGPRÄC) und der Fachgesellschaft Senologie für Brusterkrankungen. „An den Stellen, wo das Silikon ausgelaufen war, haben wir in der Wunde vermehrt Entzündungszeichen gesehen, Verhärtungen, die sich anfühlen wie Holz. Diese Verhärtungen waren viel ausgeprägter als die dünne Kapsel, die der Körper normalerweise als Reaktion auf den Fremdkörper um jedes Implantat bildet“, sagt Handschin. Würde man ein solches Implantat in der Brust belassen, könne die Entzündung zu Schmerzen, Narben und weiteren Verhärtungen führen. Deswegen wurden die Implantate und das entzündete Gewebe entfernt und neue Prothesen aus hochwertigem Silikon eingesetzt.

Dieses medizinische Silikon hat eine spezielle Quervernetzung, die dafür sorgt, dass es nicht auslaufen kann und formstabil bleibt, während das Billigsilikon aus dem Baumarkt zur Fugenabdichtung halbflüssig ist. „Spontane Risse von medizinischen Silikonprothesen habe ich während meiner zwölfjährigen Erfahrung als plastischer Chirurg noch nicht erlebt“, sagt Handschin. Anders sieht es aus bei den sogenannten „Kapselfibrosen“, die eine Verhärtung des Gewebes zur Folge haben. „Sie stellen ein Langzeitrisiko bei Brustimplantaten dar und können in etwa vier Prozent der Fälle beobachtet werden.“

Weil bei den PIP-Implantaten auch der Verdacht im Raum stand, dass sie Krebs auslösen können, wurde das entfernte Gewebe auch auf Krebszellen untersucht. „Wir haben aber keine Krebserkrankung gefunden. Und mir ist auch nicht bekannt, dass andere Spezialisten im Zusammenhang mit den PIP-Implantaten Krebszellen nachgewiesen haben“, sagt der Chirurg.

Bei einem einfachen Prothesenwechsel dauert die Operation 45 bis 60 Minuten, bei zusätzlicher Straffung der Brust ein bis zwei Stunden. Die Frauen müssen danach eine Nacht in der Klinik bleiben, nach größeren Operationen auch zwei bis drei Nächte. Die Haltung der Krankenkassen zur Kostenübernahme hat sich mittlerweile geändert. „Ende 2011 haben die Kassen die Kostenübernahme für die Wechseloperation abgelehnt, wie es für die Folgekosten kosmetischer Eingriffe üblich ist. In diesem Fall sind die Patienten aber Geschädigte einer Straftat. Das ist ein Sonderfall, sodass jetzt die meisten Kassen einen Teil der Kosten übernehmen, in der Regel die Kosten für die Implantatentfernung“, sagt Handschin.

Frauen, die einen solchen Prothesenwechsel vornehmen lassen wollen, sollten darauf achten, das der Arzt Facharzt für plastische und ästhetische Chirurgie und Mitglied der DGPRÄC ist, empfiehlt Alexander Handschin. Die Patientinnen sollten sich auch nicht scheuen, im Zweifelsfall eine zweite ärztliche Meinung einzuholen, so der Chirurg. Wichtig sei auch, dass sie ihrem Arzt voll vertrauen.